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WebWecker Bielefeld , 11.05.2005 :

Apartheid: Made in Germany?

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Erinnern und Verantworten" zur deutschen Kolonialgeschichte ist im Haus Dankort in Bethel noch bis zum 27. Mai die Ausstellung "Waterberg – Ravensberger Missionare im Kolonialkrieg im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika" zu sehen. Neben der Geschichte der Mission stehen vor allem zwei recht unterschiedliche Missionare aus Enger und Spenge im Zentrum der Schau.

Von Mario A. Sarcletti

"Als die ersten Missionare nach Afrika kamen, besaßen sie die Bibel und wir das Land. Sie forderten uns auf zu beten. Und wir schlossen die Augen. Als wir sie wieder öffneten, war die Lage genau umgekehrt: Wir hatten die Bibel und sie das Land." Dieser Ausspruch, der auch in der Ausstellung in Bethel nachzulesen ist, charakterisiert die Bedeutung der Missionare für die Kolonialpolitik äußerst treffend. Dabei stammt er von einem, dem kaum eine Antipathie gegen die Bibel nachgesagt werden kann: Desmond Tutu, Friedensnobelpreisträger und ehemaliger Erzbischof von Kapstadt.

Aber nicht nur Tutu weist den Missionaren eine wichtige Funktion bei der Ausbeutung der kolonialisierten Länder zu. Ein Staatssekretär im Reichskolonialamt beschrieb die Stellung der Missionare so: "Auf diesem schwierigen Gebiete der Eingeborenenbehandlung ist der Missionar der treueste Mitarbeiter und Bundesgenosse der Kolonialregierung."

Der Geschichte und Funktion der Mission geht die Ausstellung "Waterberg" nach. Und nicht nur, weil die Macher der Ausstellung, Frigga Tiletschke und Wolfgang Dörscheln, aus Spenge kommen, nimmt Ostwestfalen eine zentrale Position in der Schau ein. Viele Missionare stammten von hier, die 1841 gegründete "Ravensberger Mission", war vor allem im heutigen Namibia höchst aktiv. Entstanden war sie aus der antiaufklärerischen Erweckungsbewegung, die ein missionarisches Sendungsbewusstsein und die wörtliche Auslegung der Bibel auszeichnete.

Zwei Missionare tauchen in der Ausstellung immer wieder auf. Der eine ist August Kuhlmann aus Enger, der andere Heinrich Vedder aus Spenge. An den beiden können die unterschiedlichen Sichtweisen der Missionare, aber auch die Kolonialgeschichte und der Völkermord an den Herero nachvollzogen werden.

Der fand 1904 statt, als nach der so genannten "Schlacht am Waterberg" das Volk der Herero in die Omheke-Wüste getrieben wurde, wo Tausende umkamen. Die eingeborenen Völker hatten sich erhoben, da ihnen von den deutschen Siedlern immer mehr Land weggenommen wurde. Für sie war Land jedoch unveräußerlich, da "es nicht nur den Lebenden, sondern auch den Ahnen gehörte", wie ein Führer durch die Ausstellung erklärt.

August Kuhlmann zeigte Verständnis für den Aufstand: "Die schwarze Rasse hat sich in ihrem Freiheitsdrang gegen die weiße erhoben, um ihr lästiges Joch abzuschütteln", schrieb er später. Auch andere Missionare missbilligten den Umgang mit der eingeborenen Bevölkerung, immer wieder kam es deshalb zum Konflikt mit den Siedlern. Kuhlmann bat im Februar 1905 auch den Gouverneur von "Deutsch-Südwestafrika", Lothar von Trotha, um eine Amnestie für die Herero. Der bestand aber weiterhin auf Enteignung und Versklavung der Überlebenden.

Die wurden nach dem Völkermord von den Missionaren "eingesammelt". Missionsdirektor Spieker von der Rheinischen Missionsgesellschaft bemerkte dazu: "Eine große Genugtuung war es zunächst für unsere Missionare, dass sie Ende 1905 und Anfang 1906 berufen wurden, die im weiten Lande verstreuten Herero ... zu sammeln und zur Unterwerfung unter die deutsche Regierung zu bringen." Unterwerfung hieß, dass die Menschen in Konzentrationslager verbracht wurden, wo sie Zwangsarbeit verrichten mussten. Nach dem Besuch eines solchen Lagers stellte August Kuhlmann die Sammlungstätigkeit ein. "Es ist ein Anblick zum Erbarmen und Ergrimmen zugleich", berichtet er von einem Besuch auf der "Haifischinsel".

Auch Heinrich Vedder rührte das Schicksal der Menschen, die auf der kahlen Insel im Atlantik ohne Kleidung dahinvegetierten. Auf seine Initiative wurde in Westfalen Kleidung für die Häftlinge gesammelt. Vedder äußerte aber auch Verständnis dafür, dass die Zwangsarbeiter geschlagen wurden. "Doch kann man diese Härte nicht beseitigen", schrieb er. "Ich selbst möchte nicht Arbeitsaufseher sein, der an einem Tage ein gewisses Pensum erledigen muß, wenn ich nicht streng auftreten dürfte", so Vedder weiter. Denn "unter den Jungen gibt’s freche, übermütige Gesellen, faul zur Arbeit".

Für Vedder lag das wohl in den Genen der "Jungen" begründet, in seinen Äußerungen tritt immer wieder unverhohlener Rassismus zu Tage. So bemerkte er Ende der dreißiger Jahre: "Die primitiven Völker Südwestafrikas sind nicht in der Lage, den abstrakten Gedankengängen einer kirchlichen Dogmatik zu folgen." Dennoch sieht er als Christ die Verpflichtung, die Afrikaner zu "Vollmenschen", wie er es nannte, zu machen: "Dabei hat die Rassenfrage nicht mitzureden. Sie hat ihre große Berechtigung bei der Frage nach der Reinhaltung der eigenen Rasse, aber nicht dort, wo es sich um Hilfeleistungen handelt, die einer dem anderen schuldig ist", beschreibt er 1935 seine christliche Weltsicht. "Die Herrenvölker aber sind ihre Lehrmeister, die ihnen die Lektionen zu geben haben", stellt er zugleich die Hierarchien klar.

Lektionen gab Heinrich Vedder den Afrikanern auch später, von 1950 bis 1958 war er Senator für Eingeborenenfragen im von Südafrika annektierten Südwestafrika. In dieser Zeit schaffte er zum Beispiel das Wahlrecht für Farbige und Schwarze ab und führte die Bantu-Erziehung ein, die die Afrikaner auf ihre Position in der Gesellschaft vorbereiten sollte. Nicht Wissen sollten sie erwerben, sondern Fertigkeiten, die es ihnen ermöglichten den Weißen zu dienen.

Bei seiner Antrittsrede als Senator verwies er 1950 auf ein "Verdienst" Deutschlands: "Von den frühesten Anfängen hat die deutsche Regierung etwas eingeführt, das unglücklicherweise bis jetzt in Südafrika noch nicht Wirklichkeit geworden ist – nämlich die Apartheid." Seine Worte fanden in Südafrika bekanntlich Gehör.

Bei einer solchen Einstellung ist es nicht erstaunlich, dass Rassisten sein Andenken in Ehren hielten. Ein Professor Daschner von der Universität Tübingen verfasste 1961 einen Aufsatz für eine Festschrift für Dr. h.c. Heinrich Vedder mit dem Titel "Andersartigkeit und Anderswertigkeit als Rassekriterium". "Die armseligen, auf niedriger Kulturstufe stehenden Hottentotten hätten niemals vermocht, Südafrika zu einem blühenden Gemeinwesen zu machen", erklärt der Professor da. Erstaunlich ist aber schon, dass in Vedders Heimatstadt Spenge seit Jahren darüber gestritten wird, dem Missionar ein Museum zu widmen.


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