Gütersloher Volkszeitung / Die Glocke ,
12.05.2005 :
Start der Aktion "Stolpersteine" / Mahnmale gegen die Verdrängung der Erinnerung
Von Doris Pieper
Gütersloh (gl). Neun hat er gestern an drei Stellen in die Bürgersteige eingelassen, 18 weitere werden in den nächsten Tagen folgen: Der Kölner Künstler Gunter Demnig legt den Menschen seine "Stolpersteine" im wahrsten Sinne des Wortes als Mahnmale zu Füßen. Nicht, damit sie von eben diesen achtlos getreten werden, sondern damit das Nicht-Vergessen seine Bodenhaftung behält, damit die Erinnerung an den Holocaust, dem auch Bürger dieser Stadt zum Opfer fielen, bleibt.
Am 10. November 1938, also einen Tag nach der Reichskristallnacht, wurden die jüdischen Wohn- und Geschäftshäuser an der Kirchstraße 2 und 3 niedergebrannt. Das Zuhause von Leonhard, Lieselotte und Rudolf Beifuss, von Jenny und Paula Daltrop sowie von Ernst und Martha Löwenbach ging in Flammen auf. Es war keine Nacht- und Nebelaktion, es geschah am hellichten Tag. Genau deshalb startete Demnig dort gestern seine Aktion. Seit 1996 setzt der 58-Jährige pflastersteingroße Betonwürfel dorthin, wo einst jüdische Mitbürger lebten. Jeder trägt eine Messingtafel mit der Aufschrift "Hier wohnte ... ", Deportiert am ... " oder "Ermordet in ... " Jedes Objekt ein Unikat, so wie der Mensch für den es steht.
In mehr als 93 Städten hat der Künstler mittlerweile seine gold-glänzenden Mini-Mahnmale verankert. Mehr als 5.000 Stolpersteine nennen Namen und Schicksale. "Das ist mir wichtig", so Demnig, "denn ein Mensch ist erst dann vergessen, wenn sein Name vergessen ist." Bis Ende 2006 ist er ausgebucht. Nach Gütersloh wird er in Düsseldorf und Duisburg Stolpersteine verlegen. Anfragen aus Kopenhagen und Österreich liegen ihm ebenfalls vor. München, Leipzig und Paris haben abgewunken. Längst nicht überall sei die Aktion eben so problemlos durchzuführen wie in Gütersloh, lobte Demnig. Rasch hatten sich private und institutionelle Paten für einen der 95 Euro kostenden Stolpersteine gefunden. Der Anstoß zur Aktion kam von Naomi Zell, der jüngsten Tochter Jehuda Barlevs, Träger des Gütersloher Ehrenrings. Sie und ihre Schwester waren gestern Abend eigens aus London und Israel angereist, um an einer Feierstunde im Evangelisch-Stiftischen Gymnasium teilzunehmen. In deren Rahmen wies Bürgermeisterin Maria Unger noch einmal darauf hin, dass sich die Stadt zugute halten könne, eine mehr als 30 Jahre andauernde, vielseitige Forschung, Dokumentation und Würdigung des Schicksals seiner jüdischen Bürger vorweisen zu können. Dazu zählen auch etliche Schülerprojekte. So hat die 8 d des ESG unter der Leitung von Ute Bienengräber die Aktion "Stolpersteine" im Internet dokumentiert.
www.ev-stift-gymn.guetersloh.de www.stolpersteine. com
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