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Lippische Landes-Zeitung , 11.05.2005 :

Mauern zerschneiden Lebensadern / Ute Koczy als Beobachterin bei Kommunalwahlen in Palästina

Kreis Lippe (bp). Keine Nachricht, die die Welt bewegte, aber vielleicht ein Schritt in Richtung Frieden und Demokratie in einer Region, die eher durch Völkerhass und Unruhe bekannt ist als durch hoffnungsvolle Botschaften: Am vergangenen Donnerstag fanden in Palästina die ersten Kommunalwahlen seit fast 30 Jahren statt. Mitten drin als Wahlbeobachterin im Auftrag des Europarates die Lemgoerin Ute Koczy.

Die Landtagsabgeordnete der Grünen hatte als Mitglied einer sechsköpfigen Delegation darauf zu achten, ob die Wahlen, die in insgesamt 84 Ortschaften im Westjordanland und dem Gazastreifen erfolgten, sich auch an die demokratischen Spielregeln halten.

Daran hat die Wahlbeobachterin, die selbst 14 Wahllokale in Bethlehem am Wahltag besucht hat, keine Zweifel: "Die Wahlen sind nach internationalen Standards hervorragend gelaufen", erklärte sie auf Nachfrage. Stark beeindruckt zeigte sich Koczy von dem großen Enthusiasmus, mit dem es Männer wie Frauen, junge Erwachsene bis hin zu alten Menschen, die nur mühsam den Weg schafften, zu den Wahllokalen zog. Die Wahlbeteiligung von rund 83 Prozent spreche für sich. Offensichtlich setzten die Menschen große Hoffnungen darauf, dass mit einem demokratischen Neuanfang endlich ihre drängendsten Probleme gelöst werden.

Dabei ist es nach Ute Koczys Eindruck schwierig zu beurteilen, welche politischen Folgen die Wahl haben werde. So seien viele der gewählten Volksvertreter zwar bekannte Persönlichkeiten, aber ohne politische Vergangenheit als unabhängige Kandidaten auf die Listen der beiden größten Gruppierungen - der radikalislamischen Hamas und der Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas - gekommen. In vielen Gesprächen mit Vertretern der Gruppierungen und der Wahlorganisatoren habe sie jedoch den Eindruck gewonnen, dass es allen diesmal jenseits aller ideologischen Schranken wirklich um Frieden und die Lösung der Probleme gehe, berichtete Koczy.

Und Probleme gebe es besonders in den von Israel besetzten Gebieten mehr als genug. Als bedrückend schildert sie den Anblick der Stadt Qualqilya, die von drei Seiten von einer neun Meter hohen Mauer abgeschlossen sei: "Hier werden Lebensadern von Mauern zerschnitten, Armut ist vorprogrammiert. Ich weiß nicht, wie die Menschen dort überleben sollen", so Koczy. So wie die Wahlen gelaufen seien, sehe sie darin auch eine Aufforderung an Israel, positiv zu reagieren. "Ich denke, die Palästinenser haben hier einen Schritt vorgelegt." Eine Besonderheit für die arabische Welt sei auch die Beteiligung von Frauen gewesen, erzählte Koczy. Zu den Bedingungen der Wahl habe gehört, dass in jedes der 9 bis 15 Personen starken lokalen Parlamente wenigstens zwei Frauen kommen.

Zu den vordringlichen Aufgaben der Parlamente zählt laut Koczy die Verbesserung der Infrastruktur, wichtige Stichworte seien unter anderem Müll, Wasser und Gesundheit. Ob die Lokalpolitiker dabei viel aus eigener Kraft bewegen können, sieht die Wahlbeobachterin eher skeptisch. Ute Koczy: "Ohne gute Zusammenarbeit mit Israel wird es nicht gehen."


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