Junge Linke Lippstadt ,
11.05.2005 :
Deutsche Siegermacht / Stellungnahme zum 8. Mai 2005
"Polizei und Demonstranten verhindern NPD-Aufmarsch" titelte die Berliner Zeitung nach dem 8. Mai und trifft den Nagel damit auf den Kopf. Und auch in den allermeisten anderen Presseberichten wird eine ähnliche Bilanz gezogen. Auch in den Britischen Medien, auf welche sonst in Sachen antideutscher Aufklärung sicherer Verlass ist, schnitten die Deutschen in ihrem Umgang mit ihrer Vergangenheit erstaunlich gut ab. Bei BBC wird berichtet, dass die "ordinary Germans" sich dem Naziaufmarsch widersetzt hätten, während im Hintergrund Bilder von der Antifa-Demo laufen. Die Kritik am Regierungsspektakel rund um das Brandenburger Tor, welche in zahlreichen Redebeiträgen und Aufrufen zur Demonstration geäußert wurde, wird in den Auslandsmedien offenbar nicht geteilt. Stattdessen wird diese, insbesondere im Standort D, umfunktioniert: "Das moderne Deutschland zeigt sein wahres Gesicht." Fakt ist: Die Polizei ist nicht gegen die für Antifa-Demonstrationen recht große Blockade am Palast der Republik vorgegangen und die NPD konnte sich keinen Meter vom Alexanderplatz wegbewegen. Am 8. Mai, dem 60. Jahrestag der Befreiung von der deutschen Barbarei, kam es zu einer Renaissance des Staatsantifaschismus. Die Berliner Republik konnte sich vor der Weltöffentlichkeit als geläutert und im Umgang mit dem NS-Erbe verantwortungsbewusst präsentieren. Die Kritik am Geschichtsrevisionismus, wie er gerade auch von bürgerlichen Parteien gefördert wird hingegen, ist – trotz ernsthafter Bemühungen des linken Demobündnisses - auf kein Echo in der Presse gestoßen. Obwohl sich - den Schätzungen nach - bis zu 14.000 Personen an dem Demonstrationszug beteiligten, konzentrierte sich die deutsche Presse auf die Bilder vom Brandenburger Tor, zu dem die Bundestagsparteien einige hundert Menschen mobilisieren konnten, welche mit Lichterketten, Luftballons und Deutschlandfähnchen ein Zeichen gegen „Extremismus und Gewaltherrschaft“ setzen wollten. Im Nachhinein bleibt ein bitterer Beigeschmack, wenn es um die Auswertung der antifaschistischen Proteste geht. Vor dem 8. Mai lag so ziemlich alle Gruppen der Restlinken die Priorität auf der Verhinderung des Naziaufmarsches am Tag der Befreiung. Nur durch die Naziprovokation kam es überhaupt zu so einem breiten Bündnis, welches unter anderen Vorzeichen nie denkbar gewesen wäre. Aber: alle, die am 8. Mai den Naziaufmarsch blockierten, halfen dem Staat, sich als normale Nation zu präsentieren und im Ausland das zu kaschieren, was schon lange wieder deutsche Normalität ist. Nazis marschieren jedes Wochenende und tyrannisieren all die, die nicht in ihr Weltbild passen. Dabei können sie sich der Sympathie eines großteils der rassistischen und antisemitischen deutschen Mehrheitsbevölkerung sicher sein. Deutschland als "Weltmacht im Wartestand" (Ilka Schröder) war nach seiner Vergangenheit auf die Bilder nicht-marschierender Nazis und massenhafter Zivilcourage gegen Rechtsextremismus angewiesen. Dieses Bild nach außen hin zu vermitteln haben wir geholfen, auch wenn dies alles andere als unsere Absicht war, wie auch klar aus dem Aufruf der JungdemokratInnen/Junge Linke zum 8. Mai hervorgeht. Aus der Retrospektive wäre es sinnvoller gewesen, dass die Linke (die es so natürlich nicht gibt) sich stärker auf die zivilgesellschaftlichen Aktionen rund um das "Demokratiefest" am Brandenburger Tor konzentriert hätte. Hier kritisch zu intervenieren, wäre absolut notwendig gewesen, denn eine Menge deutscher Patrioten, die zu stören schön gewesen wäre, standen auf der Bühne. Gleichzeitig hätten die Nazis ruhig erst mal marschieren sollen, damit diese Bilder im Ausland vermitteln, was hier so auf den Strassen unterwegs ist. Nach einigen hundert Metern wäre es dann an der Zeit gewesen, aus eigener antifaschistischer Stärke heraus den Aufmarsch zu stoppen, wie es am 1. Mai letzten Jahres auch gegen die Staatsmacht gelungen ist. Zu dieser scheinbar seltsamen Konstellation, dass Antifas im Interesse des Staates handeln, wird es wohl so schnell nicht mehr kommen. Der Krieg ist sechzig Jahre vorbei und Deutschland hat bewiesen, dass es daraus gelernt hat. Jetzt können sich Politik, Wirtschaft usw. wieder dem zuwenden, was eigentlich ihr Geschäft ist: die deutsche Vormachtsstellung in Europa weiter ausbauen um die Kapitalakkumulation voranzutreiben. Gerade in ökonomischen Krisenzeiten ist da auch der Militäreinsatz ein wichtiges Mittel um Interessen durchzusetzen. Und beim nächsten deutschen Krieg kann das beunruhigte Ausland damit besänftigt werden, dass Deutschland ja jetzt reifer, also demokratisch und antifaschistisch sei. Und es handele sich schließlich um eine notwendige humanitäre Intervention.
Am 8. Mai haben wir leider eine wichtige Chance verpasst, den deutschen Persilschein zu beschmutzen.
lijuli@web.de
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