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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 11.05.2005 :

Gerhard und Wladimir hautnah / Drei junge Gütersloher begleiten den Bundeskanzler zur Moskauer Siegesparade

Von Frank Beineke

Gütersloh. Ihre Reise dauerte inklusive Hin- und Rückflug nur 28 Stunden. Doch die drei jungen Gütersloher Charlotte Nentwig (17), Olga Bruschinsky (20) und Thomas Scheck (24) sammelten bei diesem Kurztrip mehr Eindrücke als mancher Tourist auf vierwöchiger Weltreise – Eindrücke, die das Gütersloher Trio zudem nie vergessen wird. Denn Charlotte, Olga und Thomas zählten zu der Delegation, die Bundeskanzler Gerhard Schröder zum 60. Jahrestag des Kriegsendes nach Moskau begleiteten.

"Wir sind überwältigt, es war unheimlich beeindruckend", betont Olga Bruschinsky und berichtet von der prunkvollen Militärparade auf dem Roten Platz, der Kranzniederlegung durch den Bundeskanzler auf dem Soldatenfriedhof in Ljublino und den "enorm charismatischen" Staatsmännern Wladimir Putin und Gerhard Schröder.

"Am meisten beeindruckt und bewegt haben mich aber die russischen Veteranen, die an der Parade teilnahmen", erklärt die 20-jährige Anglistik-Studentin und fügt an: "Fast alle von ihnen haben geweint, mit roten Nelken winkend."

Die Einladung des Bundeskanzlers war der Lohn für den Einsatz der drei jungen Deutschen für das internationale Jugendlager des Kuratoriums Rshew. Seit 1997 treffen sich alljährlich russische und deutsche Jugendliche in Rshew, um Gräber russischer und deutscher Gefallener des Zweiten Weltkrieges zu pflegen sowie Frieden und Verständigung zwischen den einstigen Kriegsgegnern zu fördern.

Vor drei Jahren wurde in dem Wolga-Städtchen der Friedenspark eröffnet – bis heute ist es der einzige Ort, an dem ein russischer und ein deutscher Soldatenfriedhof direkt nebeneinander liegen.

Eine Rede bei der Einweihung hielt damals Olga Bruschinsky, die sich von der Moskau-Reise eine größere Wahrnehmung des Friedenspark-Projektes in der Öffentlichkeit erhofft: "Wir wollen die Jugendarbeit in diesem Bereich vorantreiben, die Idee von Versöhnung und Freundschaft leben und nach außen hin zeigen."

Der Wunsch, Wladimir Putin in einem persönlichen Gespräch um die Beseitigung bürokratischer und politischer Hürden zu bitten, ging für die drei Gütersloher am Montag jedoch nicht in Erfüllung. "Wir hätten ihn gerne auf die Probleme aufmerksam gemacht, die das Verbot der Einbettung exhumierter Kriegstoten mit sich bringt", erläutert Thomas Scheck. So lagern in einem Schuppen in Rshew seit Jahren etwa 600 Särge mit den Überresten deutscher Soldaten, die nicht bestattet werden dürfen.

Doch der straffe Zeitplan des Protokolls habe einen "Smalltalk mit Wladimir" nicht zugelassen. "Immerhin konnte ich Herrn Putin ein Exemplar unserer Jugendlager-Zeitung in die Hand drücken", sagt der Gütersloher Student. Besonders nahe kamen sie dem russischen Staatschef im "Grünen Saal" des Moskauer President-Hotels.
Denn als sich dort Wladimir Putin und Gerhard Schröder am Montagnachmittag mit deutschen und russischen Veteranen trafen, saß auch das Trio aus Gütersloh mit am Tisch. "Aber wir sind leider nicht zu Wort gekommen, so dass wir die Dinge, die uns auf der Seele brennen, nicht zur Sprache bringen konnten", berichtet Olga Bruschinsky.

Die Positiveindrücke seien davon aber nicht getrübt worden, beteuert Thomas Scheck und berichtet schmunzelnd von einem persönlichen Triumph der besonderen Art: "Wir haben im besten Hotel Moskaus übernachtet. Damit waren wir besser untergebracht als George Bush."

Bei seinem nächsten Russland-Besuch wird sich der 24-jährige Gütersloher hingegen mit einer spartanischen Unterkunft begnügen müssen. Die Vorfreude ist dennoch riesig. Denn vom 2. bis 16. Juli wird Thomas Scheck wieder ins Jugendcamp nach Rshew fahren – diesmal erstmals als Leiter.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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