www.hiergeblieben.de

Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische , 11.05.2005 :

Die ersten Stolpersteine / Bildhauer Gunter Demnig platzierte Messingtafeln zur Erinnerung an Nazi-Opfer

Von Frank Bell

Bielefeld. Der erste Stolperstein der Stadt erinnert an Konrad Griefingholt. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) des Nazi-Regimes holte ihn an einem Sonntag im Oktober 1943 aus seiner Wohnung an der Koblenzer Straße 3. Heute steht an jener Stelle der linke Flügel der Kunsthalle. Der Künstler Gunter Demnig setzte den zehn mal zehn Zentimeter großen Stein mit der Messingplatte gestern zwischen Pflastersteine an der Bushaltestelle Kunsthalle. Weitere neun folgten. Sie weisen vor den Wohnhäusern auf die Opfer des Nationalsozialismus in Bielefeld hin.

Mit dabei waren gestern Griefingholts Töchter Gisela Kaczmarek (83) und Elvira Ottemeier (78). "Zwei Gestapo-Beamte holten meinen Vater ab, es muss ein Sonntag im Oktober 1943 gewesen sein", sagt Gisela Kaczmarek. Die Schwestern sind sichtlich berührt: "Jetzt kommt die Erinnerung wieder hoch", sagt Elvira Ottemeier. Wie das damals war, als die Nazis ihnen ihren Vater wegnahmen, können sich nicht beschreiben, zu viele Eindrücke gehen ihnen durch den Kopf. Die Beamten warfen Griefingholt vor, "Feindsender" abgehört zu haben. "Das war ein Vorwand", so Kaczmarek. Ihr Vater, geboren am 27. Februar 1890 in Nüven bei Melle, war Schriftführer der Zentrumspartei und Buchhalter einer Brauerei.

"Er kam ins Gestapo-Gefängnis an der Turnerstraße, später ins Gefängnis an der Gerichtstraße. Da durfte meine Mutter ihn besuchen. Ich bin einfach mitgegangen, habe ihn aber nur von weitem zu Gesicht bekommen", erinnert sich Kaczmarek. Bei einer Gerichtsverhandlung im Februar 1944 wurde ihr Vater zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. "In der Haft in Hameln ist er verhungert. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen und jungen Leuten erklären", erklärt Kaczmarek. Konrad Griefingholt stirbt am 20. April 1944.

Gegenüber der Kunsthalle, an der Artur-Ladebeck-Straße 6 (früher Koblenzer Straße), setzte Demnig drei Stolpersteine für die jüdische Familie Mosberg: für Dr. Bernhard Mosberg, geb. 1874 in Bielefeld, (Griefingholt war sein Patient) und seine Frau Rosalie Mosberg, geb.Oppenheimer (1879, Niedermarsberg) und ihre Tochter Gertrud Mosberg, Ärztin, geboren 1903, Bielefeld. Gertrud Mosberg wurde im KZ Ravensbrück im März 1945 ermordet, Bernhard Mosberg 1944 in Auschwitz und Rosalie Mosberg am 23. März 1943 in Sobibor.

"Das Haus Mosberg war eines von 18 bekannten so genannten Judenhäusern in Bielefeld, wo die Menschen in den Jahren 1940 bis 1942 wie im Ghetto auf engstem Raum leben mussten", erläuterte Stadtarchivarin Dr. Monika Minninger.

Es folgten Steine für Josefa Metz, Detmolder Straße/Ecke Spiegelstraße; Frieda Laarmann, Haller Weg 73; Richard und Dora Senkel, Am Sparrenberg 8 und Erich Wemhöner, Bossestraße 3.

Eva Hartog, die das Projekt "Stolpersteine" mit dem Frauen-Netzwerk "Zonta-Club" nach Bielefeld geholt hat, betont, dass es um das Gedenken an alle Opfer des Nazi-Regimes geht: Juden, politisch und religiös Verfolgte, Sinti, Roma und Homosexuelle. "Wir haben jetzt, ebenfalls mit Hilfe von Dr. Monika Minninger aus dem Stadtarchiv, eine Sintifamilie namens Weiß ausfindig gemacht, die an der Radrennbahn wohnte." Auch für die Sinti und Roma oder Bielefelder Homosexuelle, die von den Nazis ermordet wurden, soll es Stolpersteine geben. Hartog kann sich auch vorstellen, dass Schulklassen einbezogen werden beim Setzen der Steine.

Derzeit gebe es 50 Patenschaften für diese Steine, die der Künstler Gunter Demnig zum Stückpreis für 95 Euro gestaltet. Die nächsten zehn Steine kann der Kölner Bildhauer aus Zeitgründen erst im kommenden März verlegen. Informationen bei Eva Hartog, Telefon (0521) 966399 oder E-mail: eva.hartog@klinikdrhartog.de


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

zurück