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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 09.05.2005 :

Beiträge wecken alte Erinnerungen / Zum Kriegende vor 60 Jahren:

Seit einigen Monaten bin ich mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge brieflich in Kontakt. Der Grund ist der Tod meines Vaters am 22. Februar 1944 bei Rowno. Seitdem spende ich für entsprechende Projekte und werde über geplante oder ausgeführte Projekte informiert. Ihr Beitrag über die Vertreibung nach 60 Jahren hat mich an viele erlebte Details erinnert. Ich war damals elf Jahre alt, als wir die Heimat, Haus und Hof verlassen mussten.

In schlaflosen Nächten frage ich mich heute noch: Wer hat wohl nach unserem "Weggang" das Vieh versorgt? Es gab zwei Pferde, ein Schwein, zwei Ziegen, etliche Hühner und Enten. ( ... ) Häufig versetzte uns während der letzten Kriegstage Fliegeralarm in Angst uns Schrecken. Meistens überflogen die Flugzeugverbände unser Gebiet in großen Höhen.

Wir wohnten seinerzeit in Reichenberg-Oberrosenthal, dem jetzigen Liberec, in Nordböhmen. Den Angriff auf Dresden konnten wir damals wie schweres Donnergrollen mitverfolgen.

Am 8. Mai saßen wir gemeinsam am Mittagstisch. Als wir Flugzeuge hörten, blickten wir in diese Richtung. Sie flogen diesmal relativ niedrig, und plötzlich öffneten sich irgendwelche Klappen, und wie an einer Schnur aufgereiht fielen Bomben heraus. Dies war der einzige Angriff auf unsere Stadt. ( ... )

Während deutsche Soldaten auf angrenzenden Feldern Panzer sprengten, fuhren auf der Hauptstraße die ersten Lkw voll beladen mit russischen Soldaten und Beutegut vorbei. Es war eine endlos scheinende Kolonne, die in der nahe gelegenen Schule Quartier nahm.

Auf der unmittelbar vor unserem Haus verlaufenden Bahnstrecke stand ein Zug, voll gepfercht mit deutschen Verwundeten (Soldaten). Jeder von ihnen, der sich einigermaßen bewegen konnte, suchte das Weite. Das heißt, sie erbettelten in den umliegenden Häusern Zivilkleidung, um nicht als Soldat erkannt zu werden und zu versuchen, auf irgendeine Art und Weise nach Hause zu gelangen. Von Übergriffen seitens der Russen ist mir nichts bekannt.

Jedoch wurden von den Tschechen ganz fürchterliche Gräueltaten begangen. ( ... )

Viele Einwohner der Stadt wählten den Freitod, weil die Schikanen an der deutschen Bevölkerung fast unerträglich waren.

Liselotte Beuster
Gütersloh



Die Flüchtlings und Vertriebenentragödien ähneln sich alle. Es war noch viel, viel schlimmer! Als ich 1945 zwölf Jahre alt war, hat uns am 5. März 1945 die russische Front überrollt in einem kleinen pommerschen Städtchen.

Meine Mutter und Geschwister habe ich im Herbst 1946 auf der Insel Sylt (sie waren inzwischen im Mai 1946 vertrieben worden) wiedergefunden.

Meine Kindheit war am 5. März 1945 zu Ende. Alles hinterher war scheußlich und verfolgt mich noch bis heute.

Helga Kottwitz
Gütersloh


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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