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Die Glocke , 07.05.2005 :

Die Geschichte des Heinz Wallmeyer / Zum Siegesfeuerwerk in New York

Von Ulf Steffenfauseweh

Sendenhorst (gl). Die Geschichte beginnt mit einem Funkwagen, der in einem Bombentrichter landet und entwickelt sich zu einer lebenslangen Liebe zu England. Die Geschichte ist die des Kriegsgefangenen Heinz Wallmeyer und beschreibt die schönste Zeit seines Lebens.

Westdeutschland, März 1945. Eben ist besagter Funkwagen in der Nähe von Münster in besagten Bombentrichter gefahren. Wenige Kilometer westwärts rücken die amerikanischen Truppen vor. Denen soll das Fahrzeug nicht in die Hände fallen. Und weil zur Bergung nicht genug Zeit bleibt, muss es verbrannt werden. Eine Aufgabe, die dem damals 18-jährigen Soldaten Heinz Wallmeyer und zwei weiteren Kammeraden zufällt. So werden sie von ihrer Einheit getrennt Die sollen sie anschließend wieder suchen. Doch dabei kommen die drei jungen Soldaten an Sendenhorst vorbei. "Da bin ich einfach nach Hause gegangen," lacht Heinz Wallmeyer. "Der Krieg war doch eh verloren," winkt er ab. "Das war offensichtlich." Nach einem kurzen Versteckspiel in der mittlerweile von den US-Truppen besetzten Martinusstadt wird Wallmeyer festgenommen. "Bei Haus Siekmann saß der Ami und hat mir einen vor die Füße gegeben," schmunzelt er. "Ich hab sofort die Hände hochgenommen. Außerdem hatte mir mein alter Herr vorher die Waffen abgenommen und ein weißes Taschentuch gegeben. So kam ich unversehrt in Gefangenschaft."

Auf einem Dreiachser geht es erst Richtung Münster, dann nach Rheinberg und schließlich in die französische Hafenstadt Cherbourg. "Hier wurden wir sortiert, bekamen Nummern und lagen mit 200 Mann in einem Zelt." Wenig später schließlich kommt der Aufruf und Heinz Wallmeyer wird auf ein so genanntes Liberty Schiff verladen. Das fährt zunächst zur englischen Küste und schließt sich einem riesigen Geleitzug inklusive Kreuzern und Flugzeugträgern an. "Wo willste hin," erinnert sich Wallmeyer, dass ihm, dem vom schweren Seegang der Überfahrt "so richtig schlecht" ist, plötzlich jemand auf die Schulter klopfte: Clemens Schmedding. Damit sind es schon zwei Sendenhorster, die sich als Kriegsgefangene auf dem Weg nach Amerika befinden. Vor genau 60 Jahren, am 8. Mai 1945, laufen sie schließlich in den Hafen von New York ein und erleben hier, wie wenig später die Raketen in den Himmel steigen. Amerika feiert die deutsche Kapitulation mit einem Siegesfeuerwerk. "Da hatten wir schon Angst," schmunelt Wallmeyer "Aber nicht, weil wir den Krieg verloren hatten, sondern, dass sie uns sofort wieder zurück bringen. Wir wollten doch Amerika sehen." Und das sollten sie. Allerdings nicht in New York. Denn zunächst dampft das Schiff weiter nach Boston. Hier geht es an Land und dann mit einem Pullmann-Zug drei Tage und Nächte Richtung Chicago. "Auf einmal hält der mitten in der Prärie", erzählt Wallmeyer und reißt die Augen auf. "Scotts-Bluff, Nebraska. Mitten im Indianerland. Hier war ein riesiges Gefangenen-Lager aufgebaut." Da verlieren sich dann Schmedding und Wallmeyer. Denn für letzteren geht die Reise nach einer guten Woche weiter zu einem Außenposten in Wyoming. Hier soll Wallmeyer den Farmern helfen. Und während er bei 30 Grad Zuckerrüben hackt, sprechen ihn zwei Zivilisten mit großen Sombreros auf münsterländisch-platt an. "Der eine war Josef Speckner", erinnert sich der 78-Jährige noch genau. "Der war in den 20er-Jahren mit den Padres aus Gerleve rübergekommen. Jetzt suchte er jemanden aus der Heimat, der ihm auf dem Hof helfen sollte." Speckner spricht mit der Lageleitung und so verbringt der junge Sendenhorster den Sommer/Herbst `45 auf dessen Farm.

"Eine herrliche Zeit - direkt am Fuße der Rockys, bei den Indianerreservaten - eine der schönsten Zeiten meines Lebens", schwärmt er heute. Zusätzlich ist es eine lehrreiche Zeit. Denn Wallmeyer soll den zehnjährigen Sohn des Farmers auf dem Trecker mitnehmen, damit dieser ein paar Worte deutsch lernt. Ganz unbemerkt wird der Lehrer dabei zum Schüler und spricht hinterher fast fließend englisch. Doch die Sprachkenntnisse sollten perfektioniert werden. Schließlich geht die Reise noch weiter. Nach dem Sommer zunächst an die Westküste der Vereinigten Staaten. Vier Tage und Nächte nach San Francisco, wo die Gefangenen wieder auf ein Schiff verladen werden. "Der Krieg mit Japan war jetzt auch aus", erklärt Wallmeyer. "Und die Schiffe sollten zurück auf die Europa-Strecke. Deswegen hat man uns in den Westen gebracht und von da mitgenommen, um nicht leer zu fahren." Im März 1946 schließlich geht es dann zunächst durch den Panama-Kanal, hin zu den britischen Inseln. "Irgendwo in Mittelengland" wird in einem Lager - wo Wallmeyer mit Bernhard Fascies sen. einen weiteren Sendenhorster trifft - Station gemacht, ehe es für ihn weniger später nach Dorchester an die Südspitze der Insel geht.

07./08.05.2005
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