Ahlener Tageblatt / Die Glocke ,
07.05.2005 :
60 Jahre nach dem Kriegsend / Als ein Flugblatt vom Himmel fiel
Von Rudolf Rademacher
Ahlen (at.) Als Rolf Freist am 9. Mai 1945 das "Hamburger Nachrichten-Blatt" aufhob, das da eben zu Hunderttausenden vom Himmel geflattert war, wusste der 16-jährige Ahlener bereits, was das Extrablatt der alliierten Militärregierung verkünden würde. "Der Krieg ist vorüber!" prangt es in dicken Lettern auf der großen Zeitungsseite, mit der Amerikaner und Briten die deutsche Bevölkerung über das Ende des Zweiten Weltkrieges informierten.
Freist hat das Extrablatt damals mitgenommen und bewahrt das Original noch heute sorgsam auf. "Erfahren haben wir vom Kriegsende schon am Tag vorher", sagt der heute 77-jährige Freist. Die Nachricht von der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands sei von Mund zu Mund gegangen in der Unterkunft in Hamburg, wohin es den jungen Soldaten in den Kriegswirren des Mai `45 verschlagen hatte. Damit war auch für ihn und seine Kameraden das Kapitel Krieg endgültig beendet. Doch die Gefühle waren gemischt, wie Freist im Rückblick auf die Tage in der Hansestadt erzählt. "Natürlich waren wir froh, dass der Krieg endlich vorbei war, der Beschuss der Stadt, die Angriffe der alliierten Bomber endlich aufhörte." Am schlimmsten seien aber die Tiefflieger gewesen, "da träume ich heute noch von". Andererseits seien sie auch enttäuscht gewesen von der Kapitulation. "Wir waren doch so erzogen worden, zu kämpfen und zu siegen."
Die Nazi-Propaganda war bei dem Jugendlichen nicht wirkungslos geblieben. Mit 16 Jahren war der Junge vom Ahlener Haspelweg im Januar 1945 zum Reichsarbeitsdienst in Börstel bei Soltau eingezogen worden. "Es waren einige Ahlener dabei. Fritz, der Sohn von Dr. Hercher, oder Werner Elkendorf, der später Prokurist bei Linnemann war", fallen dem 77-Jährigen ein paar Namen ein. In der Lüneburger Heide wurde seine Gruppe bei Rodungsarbeiten eingesetzt. Bis im März der Marschbefehl kam. "Wir kriegten belgische Gewehre in die Hand gedrückt, die waren länger als manche meiner Kumpels", erinnert sich Freist. Ein paar Schießübungen, ein wenig Ausbildung, dann ging es gen Osten, als letztes Kanonenfutter an die Front. Jeder habe neben dem Gewehr auch eine Panzerfaust getragen. Aber die wären eh unbrauchbar gewesen. "Der Unteroffizier, der die Zünder hatte, hatte sich abgesetzt."
07./08.05.2005
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