Mindener Tageblatt ,
07.05.2005 :
Als Kriegsgefangene im Lager Rheinberg / Sieben Barkhauser von Amerikanern verhaftet
Porta Westfalica-Barkhausen (rkm). Verwundung in Russland, Lazarett und Genesung in der Heimat und dort überrollt von amerikanischen Truppen. Das schien nach Kriegsende der absolute Glücksfall für einen Soldaten aus Barkhausen zu sein.
Der Krieg hatte damit offenbar für ihn ein glückliches Ende gefunden, vor allem, wenn er wieder zu Hause angekommen war. Doch viele mussten erkennen, dass es ein trügerischer Frieden war, wenn plötzlich amerikanische Soldaten kamen und den früheren Soldaten suchten. Wenige Minuten später, man konnte sich kaum verabschieden, fuhr ein Jeep mit dem jungen Mann davon, und mehrere Monate hörte die Familie nichts.
Die Hoffnung, dass ihm nunmehr in der Gefangenschaft nicht mehr Schlimmes zustoßen könne, tröstete ein wenig. Doch die Angehörigen hatten die Situation völlig falsch eingeschätzt. Es waren sieben Barkhauser, die verhaftet wurden, nachdem sich die Front schon Berlin näherte.
Die Amerikaner hatten in den Rheinwiesen große Lager für Kriegsgefangene errichtet. Das waren riesige Felder ohne jegliche Bebauung, umgeben von Stacheldrahtzäunen. Der Erdboden war das Bett und der Himmel die Decke. Den Gefangenen blieb nur die Möglichkeit, sich Pappdeckel zu organisieren und mit Hilfe von Konservendosen oder Essbestecken Fuchsbauten zu graben, die einigermaßen Schutz vor der Witterung boten. Oft mussten morgens die toten Kameraden aus den eingestürzten Löchern geborgen werden.
Waschgelegenheiten fehlten. Kleidung konnte weder gewaschen noch gewechselt werden. Latrinen, über Gruben gelegte Balken, wurden meist in der Nähe der Zäune angelegt, so dass die diesbezüglichen Verrichtungen von außen einsehbar waren. Während der ersten Zeit gab es weder Nahrung noch Wasser. Später wurde Trinkwasser aus dem Rhein oder einem Bach geschöpft und erhielt einen sehr starken Chlor-Zusatz.
Der Bevölkerung war bei Todesstrafe verboten, die Gefangenen mit Nahrung zu versorgen. Dann bekamen die Gefangenen aus den US-Vorräten Eipulver, Milchpulver, Kekse, Blockschokolade und Kaffeepulver, jedoch noch immer zu wenig Wasser, so dass zu dem Hunger schwere Darmerkrankungen hinzukamen. Für das Öffnen von Konservendosen stand kein Werkzeug zur Verfügung. Es konnte auch keine Speise erwärmt werden. Die Todesrate war enorm hoch.
Die Gefangenen wurden weder bei der Einlieferung noch während des Aufenthaltes registriert. Sie hatten keinerlei Verbindung zur Außenwelt, Postverkehr fand nicht statt. So hat mancher Soldat den Krieg heil überstanden, um unter unmenschlichen Bedingungen im Lager Rheinberg den Tod zu finden oder auf der Flucht erschossen zu werden.
Die Barkhauser jungen Männer, ehemals Soldaten, kamen nach einigen Monaten zurück, abgemagert, doch sie lebten. Sie hatten in Rheinberg die wohl schwerste Zeit ihres Lebens überstanden, eine Zeit, die einige von ihnen als schlimmer empfanden als den Russlandfeldzug. Sie waren Kameraden mit einer besonderen Vergangenheit geworden.
Noch viele Jahre trafen sie sich an jedem Sonntagvormittag und wanderten gemeinsam auf den Portaberg. Und dabei beschäftigten sie sich auch mit der Frage, wer sie denn wohl verraten haben könnte. Und wie Mosaiksteine fügten sich einzelne Ereignisse zusammen und führten zu Erkenntnissen, die sie nicht laut aussprachen, denn dabei gewesen ist niemand, als eine weibliche Person nach einem Streit mit einem dieser kurz darauf Verhafteten wütend zu den "Amis" in den Kaiserhof gegangen ist.
07./08.05.2005
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