Deister- und Weserzeitung ,
07.05.2005 :
Es war eine bedingungslose Kapitulation / Am 8. Mai 1945 übernahmen die Alliierten die Regierungsgewalt in Deutschland auf allen Ebenen
Von Bernhard Gelderblom
Hameln. Am 7. Mai 1945 unterzeichnete Generaloberst Jodl im Hauptquartier General Eisenhowers die bedingungslose Kapitulation. Im Dewezet-Bericht vom 8./9. Mai heißt es dazu: "Für Deutschland wurde die Kapitulationsurkunde von Generaloberst Jodl unterzeichnet. General Eisenhower war bei der Unterzeichnung nicht zugegen. Unmittelbar nach der Unterzeichnung empfing General Eisenhower Generaloberst Jodl und Friedburg. Er fragte, ob sie die Bestimmungen der Deutschland auferlegten bedingungslosen Kapitulation begriffen hätten und ob die Bestimmungen durchgeführt würden. Sie antworteten bejahend. Nach der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde erklärte Generaloberst Jodl: Durch diese Unterzeichnung sind das deutsche Volk und die deutsche Wehrmacht den Siegern auf Gedeih und Verderb in die Hand gegeben!"
Damit übernahmen die Alliierten die Regierungsgewalt in Deutschland auf allen Ebenen. Von nun an wird es keine Macht in Deutschland geben, die nicht von ihnen delegiert ist. Der totale Krieg, der von einem totalitären Regime gewollt war, endete in totaler Entäußerung.
Ob damit das deutsche Reich rechtlich zu bestehen aufgehört hatte, blieb unklar. Faktisch und machtpolitisch existierte es nicht mehr. Jede neue Form von staatlicher Souveränität bedurfte der Genehmigung durch die Besatzungsmächte. Es war vor allem Roosevelt, der auf der berühmten Formel von der bedingungslosen Kapitulation bestanden hatte. Roosevelt: "Es muss dem deutschen Volk in seiner Gesamtheit gründlich in den Kopf hinein, dass die ganze Nation in eine hemmungslose Verschwörung gegen die Gesetze der modernen Zivilisation verstrickt ist."
Stalin hatte zunächst ganz anders gedacht. In seinem Tagesbefehl vom 23. Februar 1942 heißt es: "Es wäre lächerlich, die Hitlerclique mit dem deutschen Volk und dem deutschen Staat zu identifizieren. Die Geschichte zeigt, dass die Hitler kommen und gehen, während das deutsche Volk und der deutsche Staat bleiben."
Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 einigten sich die Großen Drei auf die Formel von der "bedingungslosen Übergabe" (unconditional surrender). Die Anti-Hitler-Koalition setzte sich zum Ziel, "den deutschen Militarismus und Nazismus zu zerschlagen". Es war nun aber nicht damit getan, den militärischen Sieg vorzubereiten. Man musste sich auch darüber klar werden, wie das besiegte Deutschland behandelt werden sollte. Doch darüber herrschte im Kreis der Siegermächte große Unsicherheit. Die Zerstückelung Deutschlands und seine Aufteilung in mehrere kleinere Staaten stand lange im Zentrum vor allem der amerikanischen Diskussion, wurde dann aber wieder fallen gelassen. Gebietsabtretungen im Osten waren vorgesehen, doch war man sich uneinig hinsichtlich ihres Ausmaßes. Die Ausrottung der Wurzeln des Faschismus galt als gemeinsame Aufgabe der Besatzungsmächte, doch herrschten nur vage Vorstellungen, wie sie zu bewerkstelligen war.
Eine Wiedergutmachung war ebenfalls ein allgemein anerkanntes Prinzip, doch war das Interesse hieran ganz unterschiedlich stark ausgeprägt. Aus verständlichen Gründen bestand vor allem die Sowjetunion darauf.
Gemeinsam war allen Siegermächten die Überzeugung, dass ein besserer Schutz vor der deutschen Gefahr gefunden werden müsse als nach dem Ersten Weltkrieg. Den Alliierten ging es nicht nur um die Niederringung des Nationalsozialismus. Mit dem Kampf bis zur bedingungslosen Kapitulation zielten sie auf die dauerhafte Beseitigung der deutschen Macht und der Tradition des deutschen Machtstaates, die diesen Nationalsozialismus so gefährlich gemacht hatte.
Am selben Tag, an dem die deutsche Kapitulation verkündet wird, bringt die Dewezet einen Aufruf von Major P. Lynden-Bell, dem Militär-Gouverneur des Stadtkreises Hameln und des Landkreises Hameln-Pyrmont an die Hamelner Bürger, in dem er die Bevölkerung aufruft, jetzt den Alliierten Behörden zu helfen, "wieder ein gesundes und sauberes Deutschland aufzubauen. Alle gerecht denkenden Bürger müssen sich zu diesem Zweck auf lokaler und regionaler Basis zusammenfinden, ohne irgendwelche Hilfe von draußen abzuwarten. Je früher und besser dieses getan wird, um so eher wird der Krieg als Ganzes vorüber sein und können die ersten Schritte getan werden, um Deutschland wieder an den ihm gebührenden Platz als Mitglied der Weltgemeinschaft zu setzen. Hameln, den 8. Mai 1945. gez. P. Lynden-Bell, Major und Militär-Gouverneur des Stadtkreises Hameln und des Landkreises Hameln-Pyrmont."
Mit der bedingungslosen Kapitulation war klar, dass für die Gestaltung der Zukunft die Besatzungsmacht der allein entscheidende Gestaltungsfaktor war. Es wird aber auch das Dilemma deutlich, vor dem die Alliierten standen. Einerseits wollen sie eine nachhaltige Schwächung Deutschlands, andererseits einen demokratischen Neuaufbau. Lynden-Bells Aufruf enthält diesen Gedanken, "ein gesundes und sauberes Deutschland aufzubauen", in ganz vorsichtiger Form.
Dass der deutsche Machtstaat in die ungeheure Katastrophe des Jahres 1945 geführt hatte, bot die Chance zu einer grundlegenden Neuorientierung. Sie lag in einer Demokratisierung der deutschen Bevölkerung. Es lag nun an den Deutschen, die Demokratie innerlich anzunehmen und zu praktizieren. Zunächst taten sich die Deutschen damit sehr schwer. Nationalistische Begeisterungfür Hitler war umgeschlagen in politische Apathie. Nur wenige waren bereit, politische Verantwortung zu übernehmen. Die überwiegende Mehrheit fühlte sich nicht befreit, sondern besiegt und allenfalls darüber erleichtert, dass der Krieg vorbei war. Dass in der Niederlage auch eine Chance steckte, sollte erst ganz allmählich begriffen werden.
Lesen Sie am Montag: Gefangenschaft in Frankreich und am Ural.
07./08.05.2005
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