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Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische , 07.05.2005 :

"Antideutsche" dürfen in der Bürgerwache / Einstweilige Verfügung ohne Anhörung

Von Arno Ley

Bielefeld. Das einstige politische Schema, nach der man nur eine rechte oder linke Schublade aufmachen musste, um politische Gruppierungen einzusortieren, hat seit dem Mauerfall an Aussagekraft verloren. Auf den Siegfriedplatz lädt für den "60. Jahrestag der Kapitulation Nazi-Deutschlands" am Sonntag eine "Gruppe 8. Mai" zur Kundgebung ein. Die Bürgerinitiative Bürgerwache fühlt sich von "einer kleinen politischen Sekte vor den Karren gespannt" und wollte ihr Räume im Haus sperren. Ein Amtsrichter hat anders entschieden.

"Die haben uns gesagt, sie wollen hier Filme vorführen", erinnert sich Ulrich Zucht vom Vorstand der Bürgerinitiative Bürgerwache an die Anmeldung der Veranstaltung. "Wir haben denen auch nicht den Raum gekündigt, weil wir etwas gegen die Filme hätten. Wir sind ein offenes Haus." Erst aus der Werbung der Gruppierung für die Veranstaltung habe man deren wahren Charakter erkennen können. "Niemand hatte uns gesagt, dass die Filmvorführung Teil einer Kundgebung ist."

"Sieg über Deutschland" ist die Veranstaltung überschrieben. "Krieg dem Antisemitismus" heißt es unter den Programmankündigungen. Der Bielefelder Sprecher der Veranstalter, Thomas Becker, ordnet sich und seine Mitstreiter von der "Gruppe 8. Mai" den so genannten "Antideutschen" zu, einer aus dem früheren linken Spektrum hervor gegangenen politischen Strömung, die jegliche Kritik am Handeln des Staates Israel als antisemitisch verurteilt, den Irakkrieg der USA für notwendig hält, ja weitergehend auch zum Kampf gegen den Iran auffordert.

"Sieg über Deutschland"

"Wer Krieg als Mittel der Politik befürwortet, hat in der Bürgerwache nichts zu suchen", sagt Zucht. "Wir treten für Völkerverständigung ein. Wir haben denen den Raum gekündigt, weil die Filmvorführung dazu dient, unseren Namen als Beiwerk zu einer diffusen politischen Veranstaltung zu missbraucht. Um es plakativ zu machen: Da könnte ja die NPD mit einem Kulturfest kommen und bei uns die Feuerzangenbowle vorführen wollen." Ein unverdächtiger Film könne doch nicht zum Freibrief werden, jeden herein lassen zu müssen.

Nach Beckers Angaben werde die 8. Mai-Veranstaltung von der Landeszentrale für politische Bildung unterstützt. Aus Düsseldorf war gestern keine Auskunft darüber zu bekommen. "Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Die wären sicherlich genau so überrascht, wenn sie das erfahren, wie die Leute von der Bürgerwache", meint Klaus Rees, Ratsherr für den Wahlkreis um den Siegfriedplatz. Als Mitveranstalter wird der Verein "Friedensbüro - Bildungswerk Lippe" genannt, von dem gestern keine Auskunft zu bekommen war. Auf dessen Internetseite ließ sich kein Hinweis auf das Treffen finden. Den Erfolg vor dem Amtsgericht verbuchte Becker, ohne dass die Bürgerwache zur Sache gehört wurde. Bei einem Streitwert von 60 Euro fürchtet Zucht, werde über den Widerspruch der Bürgerwache wohl erst nach der Veranstaltung entschieden werden.

07./08.05.2005
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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