Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische ,
07.05.2005 :
Rechte Versammlung / Interne Wahlveranstaltung von NPD und Vertretern "Freier Kameradschaften" im Hotel Mügge in Helpup
Bielefeld/Oerlinghausen (cla). Rund 70 Mitglieder der nationalistischen NPD und der so genannten "Freien Kameradschaften" sowie interessierte Bürger aus OWL haben sich am Mittwochabend zu einer internen Wahlveranstaltung im Hotel Mügge in Helpup getroffen. Auf der Straße demonstrierten etwa 40 Vertreter antifaschistischer Gruppen. Auch die lippische Polizei war mit etlichen Einsatzkräften zugegen. Die Rechten verließen um 23.20 Uhr unbehelligt das Hotel.
Die NDP hatte bereits am Nachmittag in Bielefeld um Wählerstimmen geworben. Abends lotsten Partei-Mitglieder Sympathisanten vom Brackweder Bahnhof nach Helpup. Das konspirative Treffen war jedoch weder der Polizei noch den antifaschistischen Gruppen verborgen geblieben.
Im Hotel Mügge schwörte Udo Voigt, der Bundesvorsitzende der NPD, die Teilnehmer auf die Wahl ein. Darunter war auch Thomas Wulff alias "Steiner", der "seit Jahrzehnten im militanten Spektrum aktiv" ist, wie Mitglieder des antifaschistischen Netzwerks "Courage gegen Rechts" aus Bielefeld mitteilten.
Wulff hat sich seinen Beinamen nach dem SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Felix Steiner gegeben. Er war Chef der verbotenen neonazistischen Organisation "Nationale Liste" und wurde im Dezember 1995 wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zu einer Haftstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Gesehen wurde während der NPD-Veranstaltung auch Thomas Guttsche, Vorsitzender der NPD im Kreis Minden-Lübbecke. Nach Auffassung der linken Antifaschisten aus Bielefeld hat er mit den "Freien Kameradschaften" schon immer zusammengearbeitet und insofern in Ostwestfalen-Lippe eine "Scharnierfunktion" übernommen.
Gerade diese Allianz war für die Antifaschisten am Mittwoch brisant: Die "Freien Kameradschaften" hätten sich aus Gruppen und Parteien - etwa der Nationalen Front (NF), der Wikingjugend, der Nationalen Offensive (NO), der Nationalen Alternative (NA) - gebildet, als diese verboten wurden, ihre Mitglieder hätten zum Teil jahrelange Haftstrafen abgesessen.
"Das Bündnis zwischen der Partei und den `Freien Kameradschaften` war uns immer klar, trat aber so lange nicht offen zutage, wie das Verbotsverfahren gegen die NPD lief", so ein Mitglied von "Courage gegen Rechts", das namentlich nicht genannt werden möchte. Die jetzige Allianz spreche dem Bundesverfassungsgericht Hohn, meinte der Mann.
Als "unerträglich" empfand auch der Vorsitzende des jüdischen Bethauses Detmold die Versammlung. Bei den Besuchern handele es sich um gewaltbereite Gruppen, so der junge Mann, der ebenfalls namentlich nicht genannt werden möchte. Und die dürften "durch den Staat gedeckt" operieren.
Die Staatsmacht sieht sich allerdings in dem Dilemma, es hier mit einer nicht verbotenen Partei zu tun zu haben. Einzig die Werbeveranstaltung in Bielefeld, in deren Verlauf Wulff megaphonverstärkt eine dreiviertel Stunde lang zum Volk sprach, könnte wegen der Lautstärke strafrechtlich relevant sein, das wird jetzt von der Staatsanwaltschaft geprüft.
Claus Cremer, stellvertretender NPD-Landesvorsitzender, trat während der Versammlung am Mittwoch kurz vor die ansonsten verschlossene Hoteltür. Mitglieder der NPD, der Jungen Nationaldemokraten, der "Freien Kameradschaften" und Bürger, die an NPD-Ständen in Bielefeld, Minden, Rheda-Wiedenbrück und Lübbecke "rekrutiert" worden seien, würden von Voigt auf den Wahlkampf eingeschworen, bestätigte er.
Krawalle gebe es nicht, versprach Cremer, so lange die Besucher der NPD-Versammlung nicht von antifaschistischen Gruppen, den "Störern", wie Cremer sie nannte, angegriffen würden. "Die Polizei weiß, von uns geht keine Gewalt aus." Die Antifaschistischen hatten allerdings auch keine Ambitionen, sich zu prügeln: Sie skandierten "Nie wieder Deutschland", offenbar als Reaktion auf das am Mittag verteilte NPD-Flugblatt "Deutschland den Deutschen", außerdem "Nazis raus" und "Ihr seid ein Karnevalsverein". Bis zum Haus wagte sich niemand.
Gänzlich verschwunden waren die linken Demonstranten, als die Rechten um 23.20 Uhr - im Pulk und damit offensichtlich für einen möglichen Kampf gewappnet - aus dem Haus traten: Er habe ihnen erzählt, dass die Rechten längst durch den Hinterausgang verschwunden seien, witzelte ein Polizist.
07./08.05.2005
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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