Bad Oeynhausener Kurier / Neue Westfälische ,
04.05.2005 :
Britischer Zeitzeuge erinnert sich / Stadtbibliothek hält Stephen Spenders Buch "Deutschland in Ruinen" bereit
Von Heidi Froreich
Bad Oeynhausen. Cornelia Lindhorst-Braun ist sich sicher: "Dieser Zeitzeuge ist in den Gedenkveranstaltungen zum 60-jährigen Kriegsende noch nicht erwähnt worden." Die Leiterin der Stadtbibliothek war schließlich in die Vorbereitungen der meisten miteingebunden und sie hat einen Beweis "schwarz auf weiß". Das Buch "Deutschland in Ruinen" des bekannten britischen Autors Stephen Spender wurde im November 2001 letztmals ausgeliehen, hat seitdem das Regal ihrer Bibliothek nicht verlassen.
Spender, am 28. Februar 1909 in London geboren und am 15. Juli 1995 dort auch gestorben, hat als britischer Kulturoffizier von Mai bis Oktober 1945 drei Reisen durch Deutschland und Frankreich unternommen. "Ich hatte den Auftrag, etwas über das Leben und Denken der deutschen Intelligenz zu erfahren und zu erkunden, ob es überhaupt noch literarische Talente gab, die überlebt hatten", umreißt Spender sein Anliegen im Vorwort des "Reiseberichtes".
Auf seiner Reise durch das Rheinland machte Spender, der in den 30er Jahren einer Gruppe poetischer Propagandisten des Marxismus angehörte und sich vom Kommunismus nach der Rückkehr aus dem Spanischen Bürgerkrieg abwandte, auch in Bad Oeynhausen Station.
Als einen "weitläufigen Kurort aus dem neunzehnten Jahrhundert voller hässlicher Villen" nimmt er die Stadt wahr, die sich im Juli 1945 in das Hauptquartier der 21. Armeegruppe verwandelt hat: "Überall sind militärische Hinweisschilder in die naive Märchenlandschaft für Erwachsene gepflanzt, als habe ein Zensor über die Bilder eines Kinderbuchs seine Ermahnungen geklebt. Am Ende einer Allee herrlicher seltener Bäume sieht man Anschläge, die jedem Soldaten, der die Stadt verlassen will, um hinaus in die vermutlich von Werwölfen heimgesuchte Umgebung zu gehen, die strenge Frage stellt: "Are you armed?" (Haben Sie ihre Waffe bei sich?)
Feine Beobachtungsgabe und den kritischen Blick eines Menschen, der sich selbst im Spanischen Bürgerkrieg den Gefährdungen durch eine totalitäre Ideologie ausgesetzt hatte, beweist Spender auch, als er Begegnungen mit der Bad Oeynhausener Bevölkerung schildert: "An einem Nachmittag war ich im Park und setzte mich neben ein Paar auf eine Bank. Sie gehörten zu den wenigen noch deutschen Einwohnern Bad Oeynhausens. Ich bekam mit, dass es in ihrem Gespräch um einen Heiratsantrag ging. Völlig unrealisitisch diskutierte das Paar, wie man man nach geschlossener Trauung die Flitterwochen verbringen würde. Einen Mercedes-Benz wollten sie sich kaufen und reisen. Nach Neapel würden sie fahren und sich dann nach Südamerika einschiffen. Das Außerordentliche an dieser Unterhaltung war, dass sie ohne auch nur einen Hauch von Schuldbewusstsein geführt wurde. Dass es da materielle Schwierigkeiten gab, war ihnen bewusst, aber kein Gedanke daran, dass sie vielleicht nicht überall willkommen sein würden, wo sie hinfahren wollten, trübte ihren Traum, einem Deutschland zu entkommen, wo alles so unwirtlich war."
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