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04.05.2005 :
Kriegsende vor 60 Jahren / Wie ich den 8. Mai 1945 erlebte
Wie war das im Mai vor 60 Jahren, als der Krieg zu Ende war? Alle, die diesen Tag erlebt haben, erinnern ein Gemisch von Gefühlen, bestimmt von Sorge oder Angst vor einer ungewissen Zukunft. Viele waren noch Kinder, die eine eigene Perspektive haben. Jshr & Tag lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, alte Fotos sind privat und mit April oder Mai 1945 datiert.
Viele Fragen ohne Antwort
Ich war bereits Ende April aus dem Arbeitsdienst vorsorglich entlassen worden. Da saß ich nun in einem kleinen Dorf, 20 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt, zusammen mit meinen drei jüngsten Geschwistern, meiner Mutter und einer Großtante auf einem Bauernhof, auf den sich die Familie vor den Bomben geflüchtet hatte. Die bei unserer Bäuerin einquartierten Soldaten bereiteten sich bereits auf ihren Weiterzug vor. Pferde und Wagen wurden beladen und noch schnell ein Schwein geschlachtet. Dann ging`s fort. Eben waren sie weg, wurde es im Dorf lebendig. Die angelegten Vorratsmieten, gefüllt mit Mehl, Zucker, Speck, wurden spontan für die Dorfbevölkerung freigegeben. Der Ansturm war enorm. Dann kam die Meldung von der Kapitulation. Obgleich das Kriegsende abzusehen war, traf mich die Meldung doch hart. Wie geht es weiter, was machst Du jetzt. Viele Fragen ohne Antwort. Ein neuer Lebensabschnitt mit ungewisser Zukunft begann für uns alle.
Inge Ebeling
Freundlicher schwarzer Mann
Der Krieg war endlich am 8.Mai 1945 vorbei. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die Glocken läuteten von den Kirchtürmen. Für die einen war es der schwerste Zusammenbruch der deutschen Geschichte, für die anderen eine erlösende Befreiung.
Wir sahen in der Ferne die amerikanischen Panzer, Lastkraftwagen und Jeeps über unsere Straßen fahren. Amerikanische Soldaten saßen in Tarnkleidung und Helmen auf den Panzern und hatten die Maschinenpistolen nach allen Seiten gerichtet. Die Menschen hatten weiße Fahnen aus Bett- oder Tischtüchern aus den Fenstern gehängt, aber niemand ließ sich auf der Straße sehen. Ich sah zum ersten Mal einen "Neger", einen farbigen Soldaten. Er war riesig und hielt mir ein Kaugummi und eine Tafel Schokolade hin. lch wusste gar nicht, wie Kaugummi und Schokolade schmeckten. Diese Zeit war sehr bewegt. Ich erinnere mich, das Ratlosigkeit, Unordnung, Undurchsichtigkeit und eine große Ungewissheit herrschte.
Erika Löbbe
Auf eigene Faust nach Hause
Die Kapitulation holte mich bei einem Fußmarsch über den Großen Arber ein. Meine Truppe hatte sich bereits in alle Winde abgesetzt. Jeder versuchte, auf eigene Faut seinen Heimatort zu erreichen. Unterwegs schenkte mir ein gütiger alter Herr Zivilkleidung. Denn Vorsicht war geboten, um nicht noch im letzten Moment einkassiert zu werden. Ich hatte Glück und landete unversehrt bei meinem Onkel in Halle.
Fritz Ebeling
Weiße Fahne
Unser Heimatdorf Biemsen-Ahmsen war ein kleiner, stiller Ort an der lippischen Grenze. Mit der Ruhe war es vorbei, als die Autobahn A2 von Köln nach Berlin gebaut wurde und mitten durch die Gemeinde führte. Die Einwaihung war 1938. Ich war Schülerin, wir bekamen alle ein Hakenkreuzfähnchen und winkten.
Im Septemher 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus, nach sechs Jahren war alles vorbei. Inzwischen lagen die Orte in Schuft und Asche und viele hatten ihr Leben gelassen. Wir hatten den Krieg verloren, die Engländer rückten ein. Sie kamen über die A2. Unser damaliger Bürgermeister hieß Wilhelm Meier, er war mutig und wollte seine Gemeinde schützen. Wie wir vor sechs Jahren stand er nun wieder auf der Autobahn und hat gewunken. Diesmal aber ganz allein, mit einem weißen Kissenbezug, den Mutter Meier aus dem Schrank geholt hatte. In ihrer Angst rief sie hinter ihm her: "Mag hlews tänrer dat dru heukümst, süß sind se oll door!" (Mach bloß schnell, dass du hinkommst, sonst sind sie schon da).
Es war früh genug, der Gemeinde Biemsen-Ahmsen ist nichts geschehen.
Wera Wutke
Neue Stiefel
An den 8. Mai erinnere ich mich gut. Ich war 14 Jahre alt und stand auf der Straße, als zwei deutsche Schutzpolizisten mit einem Handwagen zu Fuß von Essen nach Wuppertal kamen. Sie schenkten mir ein Paar nagelneue Militärstiefel, die ich gut gebrauchen konnte. Sie hielten noch zwei Jahre lang. Außerdem schenkten sie mir den Handwagen, mit dem haben wir dann immer Brennholz aus dem Wald geholt.
Alfred Frielinghaus
Gefangenschaft
Am 8. Mai 1945 befand ich mich irgendwo in der damaligen Tschechoslowakei mit anderen Kameraden auf einem offenen Lkw in einer Kolonne, die sich auf der Flucht vor den nachdrängenden russischen Streitkräften auf dem Weg nach Norden befand. Ich war vor einem Monat 18 Jahre alt geworden. Plötzlich ein Stopp. Um uns herum standen viele Menschen, immer wieder waren Rufe zu hören: "Woyna kaputt!" (Der Krieg ist zu Ende!). Dann hieß es: Waffen abliefern. Ich konnte noch schnell mein Gewehr unbrauchbar machen, ehe ich es übergab. Eines Teils war ich froh, dass der Krieg nun ein Ende hatte, andererseits erwartete mich eine reichlich ungewisse Zukunft mit vielleicht jahrelanger Gefangenschaft. Sie begann bei den Amerikanern, die uns nach acht Tagen an die Russen überstellten. Glücklicherweise endete sie für mich schon Anfang September 1945.
Hellmuth Adam
Endlich Schluss
Ich war damals i6 Jahre alt. Meine Eltern hatten mich zur Vorsicht aufs Land zu Verwandten geschickt, damit ich nicht noch eingezogen würde. Als ich vom Kriegsende erfuhr, habe ich mich ungeheuer gefreut, denn nun konnte ich nach Hause zurück. Besonders froh war ich auch, dass die Bombardierungen aufhörten, denn ich hatte die Zerstörung der Eisenbahnbrücke in SchHdesche miterlebt Nun war endlich Schluss damit!
Wilhelm Horte
Nie wieder
Ich war sechs Jahre alt und habe nur gedacht: nie wieder Bombenalarm, keine Angst mehr haben müssen, nie wieder! Mehr konnte ich gar nicht denken.
Paula Schwebe
la.redaktion@lippe-aktuell.de
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