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Lippische Landes-Zeitung , 04.05.2005 :

Das Wunder von Ehrsen / Das Dorf entging vor 60 Jahren laut einem Augenzeugenbericht nur knapp einer Katastrophe

Bad Salzuflen. Die deutschen Großstädte - auch Bielefeld seit dem Großangriff vom 30. September 1944 - lagen zum Kriegsende vor 60 Jahren größtenteils in Schutt und Asche. Über Bad Salzuflen und seine Ortsteile flogen die alliierten Bomberverbände zum Glück nur hinweg, ohne ihre Tod bringende Fracht abzuwerfen. Doch es gab Ausnahmen - und eine hätte fast das Dorf Ehrsen vernichtet.

Vor Frühjahr 1945 waren nach den Recherchen von Stadtarchivar Franz Meyer lediglich an der unteren Walhallastraße und in der Neuen Straße/Ecke Schlageterstraße (Schülerstraße) drei Wohnhäuser durch Bomben, die als "Notabwürfe" niedergingen, zerstört worden. Doch der 30. März 1945 hätte ein schwarzer Tag für ganz Ehrsen werden können. Dies belegt sehr eindrucksvoll ein Augenzeugenbericht, den Meyer erst vor wenigen Monaten von dem jetzt in Herzogenrath lebenden Helmut Bröker erhalten hat.

Bröker, der ursprünglich in der Lemgoer Straße 56 zu Hause war, berichtet: "Am Karfreitag (30. März 1945) machte ich mich gegen 13.30 Uhr zu Fuß auf den Weg nach Schötmar, um mich mit Freunden zu treffen.

Wenige Minuten nach Verlassen des Hauses beobachtete ich einen feindlichen Jagdbomberverband. Er bestand aus 3 oder 4 Flugzeugen vom Typ "Lightning" (das waren Maschinen mit einem Doppelrumpf). Die Flugzeuge flogen, aus Richtung Süden kommend, in einer Höhe von etwa 2.000 Meter entlang der Bergkette Vierenberg-Obernberg. Im Gebiet des Obernberges gerieten die Maschinen unter Flakbeschuss ( ... ). Um den vor dem Verband detonierenden Geschossen ( ... ) auszuweichen, machten die Flugzeuge eine scharfe Linkskurve und steuerten nunmehr aus Richtung Walhalla das Dorfgebiet von Ehrsen an.

Gut ein Dutzend Bomben

Als die erste Maschine des Verbandes den Bereich des Lohhofes erreicht hatte, sah ich ( ... ), wie von diesem Flugzeug größere Gegenstände abgeworfen wurden. Diese hielt ich zunächst für `Lametta-Pakete`, wie sie zwecks Irreführung der Flakabwehr laufend abgeworfen wurden. Innerhalb von Sekunden wurde mir ( ... ) jedoch klar, dass es sich bei den gut ein Dutzend `Gegenständen` um Bomben handelte. Es wurde für mich höchste Zeit, entweder im Haus Kahmann (Lemgoer Straße) oder aber im Straßengraben Deckung zu suchen. Ich wusste, dass Haustüren nur selten verschlossen wurden und so entschied ich mich zur Flucht in das Haus Kahmann. ( ... )

Mit wenigen Sätzen erreichte ich die Tür zum Keller. Als ich in den Keller hinabsprang, ertönte von draußen ein ohrenbetäubender Lärm. In diesen Lärm mischten sich laute Schreckensrufe der Familie Kahmann, die noch am Mittagstisch saß.

Nach einigen Minuten verließ ich den Keller und das Haus Kahmann, um mir ein Bild von der Lage zu machen. Auch andere Leute kamen aus ihren Häusern, um das Geschehene zu registrieren und die entstandenen Bombenschäden festzustellen. Diese waren glücklicherweise nicht sehr groß und bestanden in abgedeckten Dächern, zersprungenen Fensterscheiben und Rissen in den Wänden; hervorgerufen durch den Luftdruck der explodierenden Bomben. ( ... )

Nach meiner Schätzung wurden ( ... ) bis zu 20 Bomben abgeworfen. Von diesen landete der weitaus größte Teil in den Wiesen von Nacke. Welch` ein Glück! ( ... ) Der Dorfkern von Ehrsen entging nur knapp einer Katastrophe.

Hätte der Bomberpilot seine Tod bringende Fracht nur wenige Sekunden früher ausgelöst, so wären ( ... ) die Bomben im Zentrum des Dorfes eingeschlagen. Es hätte sicherlich Tote und Verletzte gegeben." So weit der Bericht von Helmut Bröker.


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