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Neue Westfälische , 04.05.2005 :

Haus mit Vergangenheit / Geschichte jüdischer Landbevölkerung im Freilichtmuseum

Von Martina Schäfer

Detmold/Höxter. Eigentlich ist es ein unscheinbares Fachwerkhaus, wie es unzählige in der Region gibt. Aber das Haus Uhlmann aus Ovenhausen im Kreis Höxter weckt das Interesse von Wissenschaftlern unterschiedlicher Couleur. Das Haus, das 1803 erbaut wurde, ist eines der letzten erhaltenen jüdischen Wohn- und Geschäftshäuser in Westfalen. Bis 1941 war es ununterbrochen in jüdischem Besitz.

Durch eine spektakuläre nächtliche Aktion (Translozierung) kam das Gebäude vor viereinhalb Jahren mit einem Schwertransporter ins Westfälische Freilichtmuseum in Detmold, wo es nun aufwendig restauriert wird. Dort, vor den Toren der Residenzstadt, haben die Wissenschaftler die Möglichkeit, mehr über die Lebens- und Wohnkultur im Haus sowie seiner Bewohner zu erfahren.

Unter Federführung des Bauhistorikers Heinrich Stiewe begann das Forschungsprojekt "Die vergessenen Nachbarn. Juden auf dem Lande in Ostwestfalen", an dem Volkskundler, Historiker, Bau- und Literaturwissenschaftler beteiligt sind. Ziel ist es, die Geschichte der jüdischen Landbevölkerung zwischen dem ausgehenden 18. und dem frühen 20. Jahrhundert zu recherchieren. "Denn nur so ist es möglich, das Dorf Ovenhausen und das Haus Uhlmann in einen größeren Kontext zu stellen", verdeutlicht Heinrich Stiewe. Berühmtheit hatte das Haus schon im 19. Jahrhundert erlangt: Annette von DrosteHülshoff setzte ihm in der "Judenbuche" (1842) ein literarisches Denkmal und machte auf das Zusammenleben zwischen Christen und Juden auf dem Lande aufmerksam.

Ähnlich wie in anderen Dörfern gehörten die jüdischen Familien zwar zu den geachteten Nachbarn, blieben aber aufgrund der bekannten Vorurteile gegenüber Juden vom Vereinsleben weitgehend ausgeschlossen. Die letzten jüdischen Bewohner des Hauses, die Uhlmanns, waren zwar im Dorf beliebt, aber als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, waren auch sie den braunen Schergen ausgeliefert.

1941 wurde die Familie nach Riga deportiert und wahrscheinlich in Auschwitz ermordet. Ihr Haus an der Hauptstraße von Ovenhausen stand nach einer kurzen Phase als Friseurladen leer, es diente als Abstellraum und verfiel. Nun wird es vom Westfälischen Freilichtmuseum aus seinem "Dornröschenschlaf" erweckt. Voraussichtlich 2007 werden sich die Pforten des Uhlmann`schen Hauses im "Paderborner Dorf" öffnen.


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