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Lotta - Antifaschischiste Zeitung aus NRW , 15.10.2001 :

Das "Collegium Humanum" in Vlotho / Ein Veranstaltungshaus für RechtsextremistInnen aus Ostwestfalen, der gesamten BRD und dem europäischen Ausland

AntifaschistInnen aus Ostwestfalen haben nach dem Tod des "leidenschaftlichen Nationalsozialisten" und Spiritus Rector des "Collegiums", Werner-Georg Haverbeck, im Oktober 1999 gehofft, dass die Aktivitäten der extremen Rechten dort ein Ende finden würde. Leider ist das Gegenteil der Fall. Sei gut zwei Jahren nutzen unterschiedliche Gruppen der extremen Rechten dieses Haus als Veranstaltungsort. Das "Collegium" knüpft damit an seine Bedeutung in den 80er und frühen 90er Jahre an, als in ihm bundesweite Treffen der extremen Rechten stattfanden.

Das Spektrum der heutigen Besucher reicht vom sogenannten "Neurechten Intellektuellen" bis hin zum Nazi-Skinhead. Organisieren die einem im "Collegium" geschichtsrevisionistische Vorträge, in denen die Ideologie des Nationalsozialismus beworben wird, besuchen die anderen Nazi-Rockmusik –Konzerte.

Die Geschichte des "Collegiums"

Das "Collegium" wurde 1963 als Verein auf Initiative von Prof. Dr. Werner-Georg Haverbeck gegründet. 1968 erwarb der Verein eine alte Volksschule in Vlotho an der Weser, die zur "Heimvolkshochschule" ausgebaut wurde. Das "Collegium" selbst bezeichnete sich als „Akademie für Umwelt und Lebensschutz“. In einer Selbstdarstellung hört sich das so an: "Das "COLLEGIUM" HUMANUM ist eine Bürgerinitiative des freien Geisteslebens, getragen durch einen eingetragenen Verein, von Mitgliedern unterschiedlicher Herkunft und Berufsausübung. Es ist unabhängig, parteipolitisch neutral und überkonfessionell. Das "COLLEGIUM" HUMANUM bemüht sich um eine vorurteilslose Urteils- und Bewusstseinsbildung gegenüber allen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit mit dem Ziel, durch die Begegnung aller Menschen eines guten Willens der geistigen Erneuerung zu dienen." In einer sehr eigenwilligen Weise ist diese Selbstdarstellung sogar korrekt. Tatsächlch trafen sich im "Collegium" scheinbar sehr unterschiedliche Gruppierungen. Im Vorfeld der Gründung der Partei "Die Grünen" trafen sich hier Zirkel, um die bevorstehende Parteigründung zu erörtern. Fast zeitgleich fand ein Seminar statt, bei dem der Gründer des "SS-Ahnenerbes", Hermann Wirth, zu Gat war. Einige Jahre später, im Oktober 1984, traf sich in den Räumen des "Collegiums" das "Komitee zur Vorbereitung des 100. Geburtstags Adolf Hitlers". Entsprechend des damaligen Images des "Collegiums" tarnte man das Treffen ehemaliger ANS/NA-Funktionäre um Michael Kühnen als "Seminar über Umweltfragen und Naturreligionen".

Wie solch scheinbar sich widersprechende Tagungen zusammenpassen, erklärt sich, wenn man weiß, dass es innerhalb der Partei der "Grünen" bis in die 80er Jahre einen Flügel gab, der eindeutig zur extremen Rechten zu zählen war. Erst mit dem Auszug des rechten Flügels und der Gründung der "Ökologisch Demokratische Partei", von der sich Anfang der 90er Jahre wiederum die "Unabhängigen Ökologen Deutschlands" nach rechts abspalteten, hatten sich demokratische Kräfte in den "Grünen" letztendlich durchgesetzt. Nicht zuletzt sei erwähnt, dass die älteste deutsche Umweltschutzorganisation, "Der Weltbund zum Schutz des Lebens – Deutschland" (WSL/D), personell und räumlich aufs Engste mit dem "Collegium" verknüpft ist. Dieser WSL/D vertritt weder alternative noch linke Positionen, vielmehr ist die älteste deutsche Umweltschutzorganisation eindeutig Teil der extremen Rechten.

Übervater des "Collegiums" und eine Erklärung für das schillernde Bild dieser Tagungsstätte war bis zu seinem Tod Werner-Georg Haverbeck, SA-Mann der ersten Stunde, leutender Mitorganisator der NSDAP-Massenaufmärsche und späterer NS-Propaganda-Funktionär für Südamerika, den Hermann Wirth während des NS zum Doktortitel verhalf. Seine zweite Karriere startete der Anthroposoph Haverbeck in der Friedens- und Ökologiebewegung, jetzt bereits Professor für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Bielefeld. AntifaschistInnen beobachteten, dass Haverbeck seine letzten Lebensjahre seit Mitte der 90er darauf verwandt, den rechten Nachwuchs aus der ehemaligen DDR zu schulen; ein Umstand, der die Entwicklung seit 1999 bereits vorausahnen ließ.

Einen Abriß dieser Entwicklung, in der das "Collegium" zu einer wichtigen Stätte für Veranstaltungen der regionalen, bundesweiten und sogar europäischen extremen Rechten geworden ist, mag nachstehende Aufzählung geben.

Das "Collegium" heute – Eine Auswahl der
Veranstaltungen der extremen Rechten im "Collegium":

Im wesentlichen sind es vier Strömungen der extremen Rechten, die das "Collegium" seit zwei Jahren als Veranstaltungsort nutzen.

1. Völkische "Nationalrevolutionäre" aus der Szene um die Zeitung "wir selbst – Zeitschrift für nationale Identität"

Am Wochenende vom 07. bis 08.10.2000 traf sich diese Szene, die auf das Engagement von NPD-Aktivisten zurückgeht, zu einem Liederabend im "Collegium". Erwartet wurden bis zu 150 Besucher, deren deutsche Identität sich an völkischem Lied"gut" erbauen konnte. Kultur ist in dieser Szene nicht ein Mittel, mit dem Brücken zwischen den Menschen unterschiedlicher Herkinft gebaut werden können, sondern dient ihnen ausschließlich der Zementierung, ja teilweise erst der Errichtung dieser Unterschiede. Sie reden vom "Ethnopluralismus", der es gebiete, dass Menschen, die man als verschiedenen Völkern zugehörig betrachtet, sich voneinander separieren. Wohin die Ideologie des Ethnopluralismus führt, hat der Zerfall Jugoslawiens eindringlich vor Augen geführt. Ehemalige Nachbarn, denen es über Jahrzehnte egal war, dass sie angeblich so unterschiedlichen Völkern angehören, bringen sich nun gegenseitig um.

2. Nazi-Rockmusiker aus dem Umfeld des verbotenen "Blood & Honour"-Netzwerkes

Am 31. März 2001 fand im "Collegium" ein weiteres Konzert statt. Blanker rassistischer Hass stand im Mttelpunkt dieses Abends. Ihn predigten "Sleipnir" aus Gütersloh, dessen CD "Mein bester Kamerad" 1998 wegen volsverhetzenden Inhalts beschlagnahmt wurde. Anschließend tratt die schottische Band "Nemisis" auf. Deren Lead-Singer, Jamie Hunter, ist Herausgeber des schottischen "Blood & Honour"-Magazins "Highlander". Andere "Nemisis"-Mitglieder haben Kontakt zur britischen Nazi-Terrorgruppe "Combat 18" und sind Mitglieder der schottischen Sektion der "British National Party", die klar nationalsozialistisch ausgerichtet ist. Deklariert wurde das Konzert als eine "private Feier", die ein junger Mann aus Vlotho um den "Hausmeister" des "Collegiums", Ralf Steinke handelt. Neben den Räumen des "Collegiums" kümmert er sich auch um die Wohnung des international bekannten Holocaust-Leugners Udo Walendy aus Vlotho, der momentan eine Haftstrafe wegen Leugnung des Holocausts absitzt. Die Polizei beschränkte sich am 31. März darauf, die Anreise der Nazis zum "Collegium" zu überwachen. Eingeschritten wurde nicht, gleichwohl es mehr als offensichtlich war, dass dieses Konzert zumindest im Zusammenhang mit dem "Blood & Honour"-Netzwerk stand.

3. "Neue Rechte" des europaweiten Netzwerkes "Synergies Europèens"

Regelmäßig trifft sich die deutsche Sektion dieses Netzwerkes im "Collegium". Kern dieser sich als "Synergon Deutschland" bezeichneten Gruppe sind junge Neofaschisten aus dem Umfeld des Verlages "Zeitenwende" aus Dresden und der sächsischen Schweiz, dessen führende Personen Sven Henkler und Steffen Behnke sind. Ihr Mentor war seit 1993 Werner-Georg Haverbeck, von ihm bekamen sie in Vlotho die Fundamente ihrer faschistischen Ideologie vermittelt, die darauf abzielt, ein "Reich Europa" zu gründen, dessen Machtzentrum selbstverständlich Deutschland sein soll. Wenn sich diese Gruppierung im "Collegium" trifft, treten verurteilte Auschwitzleugner, wie der Schweizer Bernhard Schaub auf, der auf einer Tagung vom 4. bis 6. Mai 2001 unter falschem Namen über den Mussolini-Berater und Rassisten Julius Evola referierte. Auf derselben Tagung, die den Titel "Nonkonform – Vergessene Geistimpulse europäischer Tradition im 20. Jahrhundert" trug, versuchte sich ein anderer Referent, nämlich der anthroposophisch ausgerichtete Haverbeck-Biograf Andreas Ferch, an der Rehabilitation des NS-Ideologen Alfred Rosenberg.

Vom 15. bis 19. August 2001 fand die bislang letzte Tagung dieses Spektrums im "Collegium" statt. Großmundig mit einer Liste von 17 internationalen Referenten der "Neuen Rechten" als eine europaweite "Sommerakademie – Synergies Europèens" angekündigt, blieb das Treffen auf einen engeren Personenkreis von ca. 40 Neofaschisten aus Frankreich, Belgien, der Schweiz und Deutschland beschränkt. Zu sehr scheint man in diesem Spektrum in interne Differenzen verstrickt zu sein. Setzten die Haverbeck-Schüler um den Verlag "Zeitenwende" auf eine krude Mischung anthroposophischer, heidnischer und christlicher Religionsansätze als kulturelles Fundament für ein "Reich Europa", favorisieren die Reste des "Thule-Seminars" aus Kassel strikt neuheidnische Ansätze. Im Gegensatz zu diesen beiden kulturell-religiösen Ansätzen steht die Position der "Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft" (DESG) aus Hamburg, der dritten Säule des "neurechten" Spektrums im "Collegium". Hier orientiert man sich auf die pseudowissenschaftliche Geopolitik, mit der bereits im Nationalsozialismus die deutsche Vormachtstellung in Europa und schließlich der ganzen Welt untermauert werden sollte.

Regelmäßiger Gast auf den Treffen der "Neu-Rechten" ist der Nazischläger und ehemalige Funktionär der verbotenen "Nationalistischen Front", Meinhard Otto Elbing aus Bielefeld, der bei der ideologischen Schulung der ostwestfälischen militanten Nazikader eine Schlüsselfigur ist und sich unter anderem im "Collegium" sein "geistiges" Rüstzeug abholt.

4. Veranstaltungen des braunen Umfelds Frau Ursula Haverbeck-Wetzels

Frau Haverbeck-Wetzel, die Witwe Georg-Werner Haverbecks, äußerte einst, dass sie nicht bereit ist, sich von Adolf Hitler zu distanzieren. Entsprechend gestalten sich die Tagungen, zu denen sie im "Collegium" einlädt. So fand am 23. Mai 2001 eine Tagung im "Collegium" statt, bei der der Referent Josef Schüßlburner, Autor in diversen Zeitungen der extremen Rechten, der Frage nachging, wie das deutsche "Volk wieder Herr im eigenen Haus werden kann". Ausrichter dieser Tagung war die "Deutsche Aufbau-Organisation", eine rechtsextreme Sammlungsbewegung um den ehemaligen grünen "Friedensforscher" Alfred Mechtersheimer. Dieser entwickelte sich schon vor einigen Jahren zur Führungsfigur der extremen Rechten.

Weiter fanden Tagungen aus dem rechten Umfeld der sogenannten Vertriebenenverbände im "Collegium" statt. Eine dieser Tagungen wurde am Wochenende 8. – 9. September 2001 zum Thema "Böhmen" durchgeführt. Es sprach ein Referent des "Witikobundes". Wenn man weiß, dass der "Witikobund" eine Sammlungsbewegung ehemaliger Nationalsozialisten aus der Tschechoslowakei ist, dürfte es nicht schwer fallen, sich den Tenor dieser Tagung vorzustellen. Was den Personenkreis, der mit diesem Thema angesprochen werden soll, anbelangt, ist ebenfalls Schlimmstes zu befürchten. Der Witikobund dient zur Zeit als Auffangbecken junger "Vertriebener" aus der "Jungen Landsmannschaft Ostpreußen", die auf Betreiben des bayerischen Innenministers Beckstein wegen rechtsextremistischer Umtriebe als Jugendorganisation der "Landsmannschaft Ostpreußen" aus den offiziellen Vertriebenenverbänden ausgeschlossen wurde. Nun finden sie sich im Witikobund wieder, im dem CSU-Parteikollegen Becksteins führende Positionen bekleiden.

Es dürfte deutlich geworden sein, wer sich im "Collegium" die Klinke in die Hand gibt und welche Bedeutung diese Tagungsstätte für die extreme Rechte hat. Grund genug für AntifaschistInnen, die "Heimatvolkshochschule" im Auge zu behalten und dem Treiben dort möglichst schnell Einhalt zu gebieten.


lotta@koma.free.de

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