Lippische Landes-Zeitung ,
30.10.2001 :
Fall Schnelle wird neu verhandelt / Staatsanwalt hält an Vorwurf der Volksverhetzung fest
Von Hartmut Salzmann
Detmold. Der Fall Hendrik Schnelle muss neu verhandelt werden – und zwar vor dem Detmolder Landgericht. Oberstaatsanwalt Diethard Höbrink erklärte gestern auf Anfrage, dass er Berufung gegen den Freispruch vom Vorwurf der Volksverhetzung einlegen werde. Der parteilose Ratsherr Schnelle, früher CDU, hatte am 14. September unbestraft das Amtsgericht verlassen dürfen, obwohl richterlich festgestellt worden war, dass er sich menschenverachtend zu Schwarzen und Homosexuellen geäußert hatte.
Rückschau: Schnelle soll im Februar 1998 in einer Gaststätte gesagt haben: "Wir als weiße Rasse sind höher gestellt und mehr wert als die Schwarzen. Die Schwarzen haben nichts auf die Beine gestellt." Im Herbst 1998 dann die Verbalattacke gegen Homosexuelle: Man müsse alle Schwulen vergasen wie damals die Juden.
Mit der Begründung, die Anti-Schwulen-Sprüche hätten den "engen Teilnehmerkreis der Gaststätte" nicht verlassen, sah Richter Martin van der Sand den Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt. Zudem hätten sich die Äußerungen vom Februar 1998 auf Schwarze allgemein bezogen, nicht auf die in Deutschland lebenden. Das Urteil zog bundesweite Proteste nach sich.
"Der Richter hat Feststellungen getroffen, die wir so nicht teilen können", sagte Staatsanwalt Höbrink gestern auf Anfrage. Er ist sehr wohl der Auffassung, dass sich Schnelles Parolen konkret gegen Schwarze in Deutschland gerichtet haben. Seine Begründung: Eine Belastungszeugin hat laut Höbrink in der Kneipe zu Schnelle gesagt, dass sie eine Beziehung mit einem dort anwesenden Schwarzen gehabt habe. Daraufhin seien die Aussagen gefallen. "Es ist also davon auszugehen, dass sich Herr Schnelle auf diesen Schwarzen bezogen hat und damit auch auf die in Deutschland lebenden", so der Staatsanwalt.
Auch bei der Bewertung von Schnelles Äußerungen zu Homosexuellen widerspricht Höbrink Richter van der Sand: "Diese Äußerungen sind in einer gut besuchten Kneipe getroffen worden. Es ist also damit zu rechnen, dass andere Gäste das mitbekommen haben." Der Staatsanwalt geht davon aus, dass dadurch der öffentliche Friede gestört wurde – neben dem Angriff auf die Würde bestimmter Teile der Bevölkerung eines der juristischen Merkmale der Volksverhetzung.
Die Akten sind zur Berufungskammer des Landgerichts Detmold gegeangen. Diese muss nun einen Termin für die Neuverhandlung ansetzen. Laut Staatsanwalt Höbrink werden Schnelle selbst sowie alle Zeugen noch einmal vernommen werden.
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