Westfalen-Blatt ,
01.10.2019 :
Arzt muss Waffen abgeben
Gericht hält Mediziner wegen NPD-Mitgliedschaft für unzuverlässig
Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Ein Arzt und Jäger aus Bielefeld muss seine sechs Schusswaffen und die Waffenbesitzkarte abgeben. Das hat das Verwaltungsgericht Minden gestern klargestellt.
Der Sportmediziner (73) war nach eigenen Angaben vor etwa 50 Jahren in die Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) eingetreten. Zuletzt fiel er den Behörden als Ringarzt beim "Kampf der Nibelungen" auf, der größten Kampfsportveranstaltung der rechtsextremen Szene in Deutschland. Unter anderem deshalb fehlt ihm nach Ansicht des Bielefelder Polizeipräsidiums die vom Waffengesetz geforderte Zuverlässigkeit. Die Behörde widerrief die 2010 erteilten Waffenerlaubnis und wurde jetzt vom Verwaltungsgericht bestärkt.
Der Verfassungsschutz hat den Bielefelder seit Jahren auf dem Schirm. Er war Vize-Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Unna-Hamm und wurde als Kandidat für die Landtagswahl 2010 aufgestellt. Die NPD schickte ihn als Delegierten zu Landes- und Bundesparteitagen. 2012 soll er auf einer Veranstaltung des inzwischen verbotenen "Nationalen Widerstands Dortmund" die Begrüßung übernommen haben, 2014 wurde er bei einem Liederabend des rechtsextremen Liedermachers Frank Rennicke gesehen.
2010 bekam der Arzt, der einen Jagdschein besitzt, seine Waffenbesitzkarte. Zuletzt besaß er legal eine Pistole, einen Revolver, zwei Repetiergewehre, eine Bockdoppelflinte und eine Selbstladebüchse. Wegen der politischen Aktivitäten widerrief die Waffenbehörde die Erlaubnis 2018 und forderte den Arzt auf, die Waffen zu zerstören oder zu verkaufen.
Der Bielefelder klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht. Zum Prozess kam er nicht, er ließ sich von dem auf Waffenrecht spezialisierten Anwalt Dr. Hans Scholzen aus Düsseldorf vertreten. Der sagte, sein Mandant habe nichts getan, weswegen man seine Zuverlässigkeit in Frage stellen müsse. "Er war zwölf Jahre bei der Bundeswehr, und die wusste um die NPD-Mitgliedschaft. Das war kein Problem." Als Mediziner habe der er später am betriebsärztlichen Dienst des Militärischen Abschirmdienstes teilgenommen. "Er wurde sicherheitsüberprüft. Es gab keine Probleme."
Die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei reicht laut Rechtsprechung für ein Waffenverbot nicht aus. Im Juni hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden: Waffenrechtlich unzuverlässig sei, wer "aktiv, insbesondere durch Wahrnehmung von Parteiämtern oder Mandaten" verfassungswidrige Bestrebungen einer Partei unterstütze. Das sieht das Verwaltungsgericht Minden im aktuellen fall als gegeben. Dazu sagte Anwalt Dr. Scholzen, sein Mandant habe als kleiner Vize-Kreisvorsitzende überhaupt nicht die Macht gehabt, etwas durchzusetzen. Die Richterin erklärte jedoch, sie werde der Linie des Bundesverwaltungsgerichts folgen und die Klage abweisen.
Der Mediziner sagte dem Westfalen-Blatt, er sei nicht mehr in der NPD. "Ich bin eingetreten, weil ich die Wiedervereinigung wollte. Vor eineinhalb Jahren bin ausgetreten. Ich erlebe in meinem Umfeld viele Ausländer, die gut für unsere Gesellschaft sind und stolzer auf Deutschland als mancher andere." Er selbst habe als Kind eines US-Soldaten Ausgrenzung erlebt: "Mich haben sie Bastard genannt." Damit wolle er nichts mehr zu tun haben.
80 Waffenscheine eingezogen
NRW will in Zukunft Informationen erheben, wie viele Rechtsradikale legal Waffen besitzen - als Jäger oder Sportschützen. Im Fall so genannter Reichsbürger gibt es diese Zahlen schon: 80 "Reichsbürgern" wurden die Waffenscheine entzogen, 40 weitere Verfahren sind eingeleitet, 42 werden noch geprüft. Der Verfassungsschutz geht von 3.200 Reichsbürgern in NRW aus, 100 von ihnen werden der rechtsextremen Szene zugerechnet.
_______________________________________________
NRW rechtsaußen, 09.04.2010:
NRW: Kaum Überraschungen auf rechten Landeslisten
Düsseldorf. Die extrem rechten Parteien NPD, "Republikaner" und "pro NRW" setzen auf den ersten Plätzen ihrer Landeslisten für die Landtagswahl am 9. Mai weitgehend auf erfahrene Kräfte. Überraschungen gibt es wenige, dafür die eine oder andere Vorstrafe.
NPD
Auf der NPD-Liste weisen gleich die beiden Erstplazierten Vorstrafen wegen Volksverhetzung auf: der Landesvorsitzende Claus Cremer (Jahrgang 1979) aus Bochum, wo er auch dem Stadtrat angehört, sowie sein Stellvertreter Stephan Haase (1968), Ratsmitglied aus Lüdenscheid. Auf dem dritten Platz folgt der von der DVU zur NPD gewechselte Dortmunder Stadtrat Axel Thieme (1949). Ingo Haller (1973), Kreistagsmitglied in Düren und stellvertretender Landesorganisationsleiter der Partei, ist auf Platz 4 zu finden. Sein Dürener Kreisverband ist selbst für NPD-Verhältnisse besonders eng mit der parteifreien Neonazi-Szene liiert. Etwas überraschend war die Nominierung des Mediziners Dr. Günther Hartwig (1946) auf Platz 5. Als Wohnort gibt er Bielefeld an - aktiv ist er aber unter dem Label des Kreisverbands Unna / Hamm. Aufgefallen ist er bisher vorwiegend durch die zahlreichen Kommentare, die er auf extrem rechten Internetplattformen hinterließ.
Auf Platz 6 zu finden ist Helmut Gudat (1957), Kreistagsmitglied in Heinsberg und Beisitzer im NPD-Landesvorstand. Siebter auf der Liste ist Timo Pradel (1971), Landesorganisationsleiter, Kreistagsabgeordneter im Märkischen Kreis und Stadtrat in Iserlohn. Auf den Plätzen 8 bis 10 folgen Willibert Kunkel (1950), Kreisvorsitzender in Aachen und Stadtrat in Stolberg, Manfred Aengenvoort (1944) aus Oberhausen, der auf Bundes- und Landesebene Schiedsgerichten der Partei vorsaß, sowie Gunter Kretzschmann (1951), der in Viersen dem Stadtrat und dem Kreistag angehört.
Elfter auf der NPD-Liste ist Thorsten Crämer (1975), Kreistagsmitglied im Ennepe-Ruhr-Kreis, vorbestraft wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch. Einzige Frau auf der 18 Namen umfassenden Liste ist Marion Reinert (1976) auf Platz 16. Anders als bei zurückliegenden Wahlen finden sich keine "parteifreien" Neonazis auf der NPD-Liste.
"Republikaner"
Von "altgedienten" Funktionären geprägt ist auch die Liste der "Republikaner". Angeführt wird sie von der Landesvorsitzenden Ursula Winkelsett (Jahrgang 1962) aus dem münsterländischen Senden. Ihr folgt der REP-Bundes- und Landesschatzmeisters Ralf Goertz (1965) aus Erkelenz. Dr. Jürgen Heydrich (1933) aus Köln, Mitglied des Bundesvorstands und nach dem Abgang anderer REP-Funktionäre Winkelsetts letzter verbliebener stellvertretender Landesvorsitzender, ist auf Listenplatz 3 zu finden. Vierter ist Andreas Weber (1962), REP-Abgeordneter in der Städteregion Aachen. Bis Platz 10 folgen Arnd Schubeus (1967), Stadtrat in Herne und Beisitzer im REP-Landesvorstand, Dr. Dietrich Fischer (1930) aus Bad Salzuflen, Wolfgang Pohlmann (1940), Stadtrat in Wuppertal und Landesschriftführer, sein Wuppertaler Parteifreund Thomas Kik (1965), der stellvertretender Landesschriftführer der Partei ist, Mirco Hornig (1973) aus Gelsenkirchen sowie Volker Marsch (1956), Stadtrat in Porta Westfalica. Fischer und Marsch wurden eigentlich dem Lager von Ex-Landesvize Ulrich Manes zugerechnet, der die Partei inzwischen verlassen und bei "pro NRW" angeheuert hat.
"pro NRW"
Bekannte Namen sind auf der "pro NRW"-Liste auf den ersten zehn Plätzen zu finden. An der Spitze der "pro Köln"- und "pro NRW"-Vorsitzende Markus Beisicht (Jahrgang 1963), der dem Leverkusener Stadtrat angehört, und die "pro Köln"-Fraktionsvorsitzende Judith Wolter (1978), die auch als geschäftsführende stellvertretende Vorsitzende von "pro Köln" und Schatzmeisterin von "pro NRW" fungiert. Auf Listenplatz 3 wurde Kevin Garteh Hauer (1978) gewählt, Stadtrat in Gelsenkirchen und stellvertretener Vorsitzender von "pro NRW". Ihm folgt Markus Wiener (1976), Stadtrat in Köln und dort Geschäftsführer der Fraktion, außerdem stellvertretender Vorsitzender von "pro Köln" und Generalsekretär von "pro NRW".
Auf den Plätzen 5 und 6 sind zwei weitere "pro NRW"-Vize zu finden: Roland Micklich (1953), Stadtrat in Leichlingen und Kreistagsabgeordneter im Rheinisch-Bergischen Kreis, sowie Daniel M. Schöppe (1974), Stadtrat iun Dormagen und Kreistagsmitglied im Rhein-Kreis-Neuss. Auf den weiteren Plätzen bis 10 stehen Fabian Thies (1982), Stadtrat in Lemgo und Vorstandsmitglied von "pro NRW", Bernd M. Schöppe (1972), Stadtrat in Köln, Vorstandsmitglied bei "pro Köln" und Schriftführer bei "pro NRW", Udo Schäfer (1954), Kreistagsmitglied im Oberbergischen Kreis und "pro NRW"-Vorstandsmitglied, sowie Susanne Kutzner, Stadträtin in Leverkusen und ebenfalls Vorstandsmitglied bei "pro NRW".
Auf hinteren Plätzen folgen weitere interessante Kandidaten:
* auf Platz 13 der Bochumer Rechtsanwalt Andre Picker (1962), der von der Neonazi-Szene im östlichen Ruhrgebiet als Rechtsvertreter besonders geschätzt wird und in zumindest einem nachweisbaren Fall auch bei einer "Rechtsschulung" von Neonazis als Referent aufgetreten ist. Picker gehört auch dem "pro NRW"-Vorstand an.
* auf Platz 16 "pro NRW"-Vorstandsmitglied Tobias Ronsdorf (1989), Stadtrat in Radevormwald: Von ihm kursiert ein Foto, das ihn vor einer Reichskriegsflagge und einer Fahne mit dem Keltenkreuz zeigt.
* auf Platz 19 Heinz-Kurt Täubner (1944), der in den 80er Jahren der militant neonazistischen "Schwarzen Front" angehört haben soll. Der Kölner Stadtanzeiger dokumentierte ein Foto, das ihn bei einer Hitler-Geburtstagsfeier zeigen soll, vor ihm eine Schale mit Hakenkreuz, hinter ihm Kerzen mit Hakenkreuzen.
* auf Platz 22 der Bonner Stadtrat Nico Ernst (1982), der bis vor wenigen Jahren noch im Umfeld der Neonazi-Kameradschaft Rhein / Ahr und für die Kölner NPD aktiv war. (ts)
_______________________________________________
Am 30. September 2019 klagte das 73 Jahre alte "NPD"-Mitglied Günther Hartwig (aus Bielefeld) vor dem Verwaltungsgericht Minden wegen der Rücknahme seiner Waffenbesitzkarte (Aktenzeichen: 8 K 1025/18).
_______________________________________________
www.bielefeldstelltsichquer.wordpress.com
www.facebook.com/BielefeldStelltSichQuer
www.mobile-beratung-owl.de
|