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Deister- und Weserzeitung , 16.04.2005 :

Zum Klüt strömte lange kein Gas und Wasser / Die Sprengung der Weserbrücken und ihre Folgen / Die Harrison-Bridge hielt nur wenige Monate

Von Bernhard Gelderblom und Wolfhard F. Truchseß

Hameln. Die Sprengung der Hamelner Brücken hatte lang anhaltende katastrophale Folgen. Bis in den Mai hinein war deswegen im gesamten Stadtgebiet die Versorgung mit Wasser, Gas und Strom unterbrochen. Während im östlich der Weser gelegenen Teil Hamelns bald normale Zustände eintraten, war das Klütviertel noch länger von Gas und Wasser abgeschnitten. Dort half man sich notdürftig mit Gartenpumpen und Petroleumlampen. Es war die Stunde der nachbarlichen Solidarität.

Wer die Weser überqueren wollte, brauchte Mut. Karla Redeker, welche das Kriegsende als Kind erlebte, schrieb dazu in ihrem Tagebuch: "Dienstag, den 10. April war ich mit zwei Nachbarinnen zum ersten Mal drüben. Wir mussten mit einem Paddelboot fahren, die Brücke war ja kaputt, an zwei Stellen gesprengt. Es war dann doch nicht so viel kaputt in der Stadt, wie wir uns vorgestellt hatten. Die meisten Einwohner waren während der Tage im Wald gewesen. Mittwoch gab es schon ein Motorboot, das die Leute übersetzte. Später waren es dann größere Schiffe.

Irgendwann wurde ein Behelfssteg über die kaputte Brücke gebaut. Von hier über das Schleusentor, auf der Schleusenmauer entlang, eine Treppe am Brückenpfeiler hoch, eine Hühnerleiter runter bis kurz übers Wasser, ein ebener Steg und eine Hühnerleiter hoch zum nächsten Brückenpfeiler, dann weiter auf dem stehen gebliebenenöstlichen Brückenteil" (der 2004 abgerissen wurde).

Es war lange nicht daran zu denken, dass die Brücke repariert werden konnte. Ungefähr 300 Meter unterhalb der Brücke nahm in Höhe des Stadtkrankenhauses eine Fähre ihren Betrieb auf. Erst im Februar 1946 wurde eine hölzerne Notbrücke gebaut, die parallel zur zerstörten Brücke über das Werder führte.

Günter Brackhahn berichtet, dass sein 15 Jahre alter Bruder Karl-Wilhelm schon am 9. April die Brücke kletternd und sich an hängenden Leitungen sichernd vom Klütviertel aus überquert habe. Ein amerikanischer Soldat habe ihn auf dem intakten Brückenteil zwar gestoppt, dann aber doch in den Ostteil der Stadt wechseln lassen.

Die Sprengung der Brücke scheint im Übrigen genau berechnet gewesen zu sein. In einer Art Protokoll vom 1. April 1945 heißt es zu der geplanten Maßnahme: "Auf der Brücke sind auf der Westseite von der Wesermühle nach dem Brückenkopf 24 Zentner Sprengstoff eingebaut, es ist vorgesehen, 2 Trennschnitte, davon dererste von der Mündung der Brücke Schleusendurchfahrt bis zum ersten Pfeiler. Erfolg: Brückenteil sackt total in die Schleusenausfahrt und macht dadurch auch die Schleuse für die Durchfahrt unbrauchbar. Zweiter Trennschnitt bis zum nächsten starken Pfeiler. Erfolg: Brückenteil sackt nach der Ostseite der Stadt zugekehrt in die Weser ab, wodurch bei den Sprengungen nur die Reste der Brückenpfeiler zu einem gewissen Teil übrig bleiben. Eine Sprengung der Ostseite ist nicht vorgesehen ... Rücksprache über diese Maßnahme ist noch notwendig."

Wie schwer es war, von einem Weserufer aufs andere zu gelangen, schildert auch Albrecht Krause, dessen Vater Eigentümer der Concordia-Werke war: "Meinem Vater, der durch eine Fernglasbeobachtung vom Klüt wusste, dass seine Firma erheblich beschädigt war, gelang es nicht, die Weser zu überqueren, da die Militärbrücken zunächst für Zivilisten gesperrt waren. Er war Mitglied des RCOR des Gymnasiums und so versuchten wir beide ein Ruderboot zu Wasser zu bringen. Der Versuch scheiterte, da alle Boote von Parteiwürdenträgern oder von der Wehrmacht zerschossen waren."

Ohnehin war die Bewegungsfreiheit der Bürger stark eingeschränkt. Die Hamelner durften sich zunächst nicht weiter als sechs Kilometer von der Stadtgrenze entfernen. Zunächst nur für militärischen Bedarf begannen am 9. April amerikanische Pioniere zwischen Fischbecker Straße und der heutigen Breslauer Allee mit dem Bau einer hölzernen Notbrücke über die Weser. Sie erhielt zu Ehren des Generals der 30. US-Division den Namen Harrison-Brücke. Sie hatte aber nicht lange Bestand. Bei dem verheerenden Hochwasser des Jahres 1946 brach sie krachend zusammen und verabschiedete sich in Richtung Norden.

Dass die Bevölkerung durch Zerstörungen von deutscher Hand nicht noch stärker in ihrer Bewegungsfreiheit gehindert war, lag daran, dass nicht alle geplanten Sprengungsmaßnahmen beim Anrücken der Amerikaner durchgeführt worden waren. In dem Protokoll vom 1. April waren unter anderem noch die folgenden Objekte zur Zerstörung aufgelistet: Alle Eisenbahnbrücken über Hamelner Straßen, die Straßenbrücke Richtung Klein Berkel, die Steilwand am Ohrberg und die Steilmauer vor der Ortschaft Hehlen.

Lesen Sie morgen: DPs in Hameln und ihre Rückführung in die Heimat.

16./17.04.2005
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