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Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 14.04.2005 :

Quellen zum Kriegsende / Neue Ausgabe der Ravensberger Blätter erschienen

Bielefeld (fb). Das Kriegsende vor 60 Jahren ist Thema der ersten Ausgabe der "Ravensberger Blätter" in diesem Jahr. Herausgeber ist der Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg, der dazu auch eine Reihe von Vorträgen anbietet.

Mit Quellen zum Ende des Zweiten Weltkrieges in und um Bielefeld befasst sich Martin Tabaczek. Es gebe nur zwei Komplexe, der Nachlass des Generals Kühlwein (1947 bis 48) im Stadtarchiv sowie in der sozialdemokratischen Freien Presse abgedruckte Aufsätze (1950).

Kühlwein, der in der Nazizeit militärische Karriere gemacht hatte, erhielt den bezahlten Auftrag, über die Ereignisse am Kriegsende zu schreiben, vom Historischen Verein. Seine Ermittlungen seien jedoch mit Vorsicht zu lesen: "Kühlwein wollte in der Regel nur Antworten von Gleichgesinnten", sagt Tabaczek und habe sie durch Fragen in die gewünschte Richtung lenken wollen.

Deutlich werde aber, dass die Leute froh waren, wieder ruhig zu schlafen. "Ein Empfinden von Befreiung hatten sie nicht." Erfahrbar sei, wie tief zum Beispiel der "Rassegedanken" auch zwei bis drei Jahre nach dem Krieg noch verankert war und wie die Befragten die Situation interpretiert sehen wollten.

Das Kriegsgedenken in Borgholzhausen ist Gegenstand eines Aufsatzes von Stadtarchivleiter Richard Sautmann. 1948 errichtete die evangelische Gemeinde auf ihrem Friedhof eine "Heldengedenkstätte" mit 24 Gräbern. Es sind SS-Angehörige, Soldaten, ausländische Soldaten und Zivilisten, die alle nicht aus Borgholzhausen stammten. "Die Helden waren ortsfremd", sagt Sautmann, verliert aber dabei nicht die Einheimischen aus dem Blick, die durch ihren Einsatz eine Zerstörung Borgholzhausens verhindert haben.

Die Toten könnten also Ersatzfiguren für die eigenen Kinder der Borgholzhausener gewesen sein, die im Krieg anderswo gefallen waren. Drei Jahre nach dem Krieg habe es ein deutlicheres Gefühl in der Bevölkerung gegeben, besetzt zu sein als befreit.

Hans-Jörg Kühne gibt eine erste Zusammenfassung seiner Recherchen über Flüchtlinge und Vertriebene in Ostwestfalen-Lippe. Demnächst soll daraus ein Buch werden. Dazu gab es eine kleine Serie in der Neuen Westfälischen. Er schildert anhand von Augenzeugenberichten Flucht und Vertreibung, Gefangenschaft und Zwangsarbeit für die Besatzer (und in der UdSSR), Ankunft im Westen und Integration. Zwar sei ihre Integration eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, eine Entschädigung für das erlittene seelische Leid habe es nicht gegeben.

Am Dienstag, 19. April, referiert Prof. Dr. Reinhard Vogelsang über "Die Zeit der Besatzung und des Wiederaufbaus" in Bielefeld um 19 Uhr im Stadtarchiv, Rohrteichstraße 19.


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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