Bielefelder Flüchtlingsrat ,
09.04.2005 :
Redebeitrag zur Auftaktveranstaltung der Kampagne
"(Z)entrale (A)usländer (B)ehörde abschaffen!"
Liebe PassantInnen, liebe BesucherInnen,
als Mitglied des Bielefelder Flüchtlingsrates möchte ich als erstes sagen dass wir uns sehr darüber freuen, dass es endlich mal wieder eine Demonstration gegen Abschiebung und soziale Ausgrenzung in Bielefeld gibt.
Oft werde ich von Flüchtlingen gefragt, wo die Öffentlichkeit ist, die Abschiebungen, gekürzten Sozialleistungen und all die anderen Ungerechtigkeiten gegen Flüchtlinge anklagt. Es ist verdammt wichtig, dass wir, die einen sicheren Status hier haben an dieser Stelle Position beziehen. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass Flüchtlinge und MigrantInnen immer weiter ausgegrenzt werden!
Seit dem 01.01.2005 ist das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft und die Situation hat sich entgegen den Ankündigungen der rot-grünen Regierung nicht verbessert! An vielen Punkten gibt es sogar deutliche Verschlechterungen was die Rechte von Flüchtlingen betrifft.
Nach außen wurde und wird das Zuwanderungsgesetz gerne als ein Richtungswechsel hin zu einem weltoffenen Einwanderungsland Deutschland präsentiert. Eigentlich aber entspricht das Zuwanderungsgesetz neoliberalen Marktinteressen und sortiert nach Nützlichkeit. Eine wirkliche Verbesserung im Flüchtlingsschutz ist auch mit dem Zuwanderungsgesetz nicht zu erwarten.
Es gibt viele verschiedene Aspekte, die an dem Zuwanderungsgesetz zu kritisieren sind, ich möchte an dieser Stelle aber einen Punkt ganz besonders heraus greifen. Und zwar geht es mir um die Situation von Menschen mit sogenannten Kettenduldungen.
In den offiziellen Bekundungen haben PolitikerInnen aller Couleur, v.a. aber von rot-grün bekundet, dass sie mit dem Zuwanderungsgesetz die Kettenduldungen abschaffen wollen.
In Deutschland leben 230.000 Flüchtlinge mit einer sogenannten Duldung. Eine Duldung ist kein richtiger Aufenthaltsstatus, sondern nur eine, wie es im Amtsdeutsch heißt "Aussetzung der Abschiebung". Trotzdem leben 150.000 der Flüchtlinge mit Duldung schon seit über 5 Jahren mit diesem Status in der BRD, viele auch schon seit 10 und mehr Jahren. Von einem vorübergehenden Aufenthalt kann da wohl nicht mehr die Rede sein. In Bielefeld sind von dieser Situation vor allem Roma aus Kosovo und Flüchtlinge aus dem Irak betroffen. Sie können nicht abgeschoben werden, weil die Situation in ihrem Heimatland weiter zu unsicher ist, haben im Asylrecht aber nie einen Aufenthaltsstatus erhalten, bzw. die Innenministerkonferenz hat eine Bleiberechtslösung immer wieder ausgeschlossen.
Menschen, die seit so vielen Jahren hier leben, sind hier zu Hause und sollten endlich einen Aufenthaltsstatus erhalten. Von dem proklamierten Ziel der Abschaffung der Kettenduldung ist bisher aber auch in NRW nichts zu merken!
Alle hier Anwesenden, die nie mit einer Duldung gelebt haben, sollten sich mal für einen Moment vorstellen was es bedeuten würde,
- wenn sie über Jahre hinweg permanent in der Angst vor Abschiebung leben; und vergessen Sie nicht, dass sie Ihr Land nicht aus Abenteuerlust verlassen haben, so wie einige von uns hier mal für einige Zeit in Frankreich, England, Indien oder anderswo gelebt haben. Sie sind geflohen vor Krieg, Verfolgung und Armut.
- Stellen Sie sich vor, Sie müssen alle ein bis drei Monate zur Ausländerbehörde, um ihre Duldung zu verlängern.
- Stellen Sie sich vor, Sie leben in einem Container, zusammen mit zwei anderen Flüchtlingen, deren Heimatsprache, sie vielleicht gar nicht kennen, und dies wiederum auch nicht für ein paar Wochen und Monate, sondern über Jahre.
- Stellen Sie sich vor, Sie erhalten 75 Prozent der Sozialhilfe und das vielleicht auch nur in Gutscheinen. Sie wissen nicht, wie sie die Fahrt zum Arzt bezahlen müssen, weil das Sozialamt es nicht für erforderlich hält, dass sie einen Facharzt aufsuchen.
- Stellen Sie sich vor, Sie sind von allen zusätzlichen Leistungen, wie Kindergeld, Erziehungsgeld ausgeschlossen.
- Stellen Sie sich vor, Sie haben bis Ende 2004 noch eine Arbeit gehabt, die sie viele Jahre gemacht haben, vielleicht eine Fleischfabrik, wo Sie 8 Stunden in einer kalten Halle stehen. Und nun nimmt man Ihnen die Arbeitserlaubnis weg. Sie erhalten nur gekürzte Sozialleistungen und haben kein Anrecht auf Arbeitslosengeld.
- Stellen Sie sich vor, Ihre Kinder sind hier geboren, sprechen die Sprache der Heimat ihrer Eltern kaum und sollen nun mit dem 18 Geburtstag alleine dorthin zurückkehren.
- Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihre Freunde in einem anderen Bundesland besuchen oder sie wollen an einer politischen Veranstaltung dort teilnehmen und die Ausländerbehörde verweigert Ihnen die Reisegenehmigung mit den Worten für diesen Besuch lägen keine zwingenden Gründe vor.
- Stellen Sie sich einfach vor, es wird Ihnen ständig vermittelt, dass sie hier nicht erwünscht, sondern nur geduldet sind.
Das ist der Alltag von Flüchtlingen mit einer Duldung!
Viele werden daran krank und ich kann Ihnen aber auch sagen, dass ich großen Respekt davor habe, mit wie viel Kraft und Überlebenswillen viele Flüchtlinge ihre Situation immer wieder neu angehen.
Neulich hat mir ein Flüchtling, der seit 10 Jahren hier in Deutschland lebt und für seine Rechte kämpft, gesagt: "Wir Flüchtlinge sollen hier zermürbt werden, ich habe viel Kraft, aber irgendwann ist meine Kraft alle."
Und deshalb müssen wir zusammen kämpfen für ein Bleiberecht und gleiche soziale Rechte von Flüchtlingen!
fluechtlingsrat-bi@web.de
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