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Lippische Landes-Zeitung , 08.04.2005 :

Zwei Mann auf acht Quadratmetern / Gericht hält diese Art der Haft in Detmold für unzulässig

Detmold (te). Können zwei Häftlinge gemeinsam in einer 8,8 Quadratmeter großen Zelle einsitzen, in der die Toilette ohne Abluft im Raum steht und nur durch eine kleine "Schamwand" abgetrennt ist? Für das Oberlandesgericht Hamm ist klar: Diese Art der Unterbringung verstößt gegen die Menschenwürde. Damit hat die chronisch überbelegte Detmolder Justizvollzugsanstalt (JVA) jetzt ein Problem.

Denn ein Häftling der JVA Detmold hat sich beschwert und damit vor dem Oberlandesgericht Recht bekommen. Der Mann war für einen Monat mit einem anderen Gefangenen gemeinsam in einer solchen Zelle untergebracht. Für das Oberlandesgericht verstieß die Art der Unterbringung gegen Artikel 1 des Grundgesetzes auf Achtung der Menschenwürde und Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention auf Schutz vor Folter und erniedrigender Behandlung.

Die sanitären Verhältnisse seien unzureichend, und dem einzelnen Gefangenen verbleibe kaum noch Raum zur Wahrung der Privat- und Intimsphäre (Aktenzeichen: 1 Vollz (WS) 147/04).

Wenn JVA-Leiter Friedrich Waldmann auch nicht von "menschenunwürdig" reden will, so räumt er ein, dass die Doppelbelegung allerdings am Rande der Zumutbarkeit sei. Am Montag bespricht Waldmann mit dem Baudezernenten des Landesjustizvollzugsamts in Detmold, wie die WCs abgetrennt werden können. Auch über die Überbelegung soll diskutiert werden. 160 Haftplätze hat die JVA an der Bielefelder Straße, davon 129 in Einzelräumen. Aber 180 Gefangene müssen derzeit untergebracht werden. Das bedeutet, dass Waldmann auch Einzelzellen mit zwei Männern in "Notgemeinschaften" belegen muss.

Zwar hat jeder Häftling nach dem Vollzugsgesetz Anspruch auf eine Einzelzelle, aber in Anstalten, die vor 1976 gebaut wurden, ist eine gemeinschaftliche Unterbringung weiter erlaubt. Grundsätzlich habe dies das Gericht auch nicht in Frage gestellt. Zumal in Detmold alle, die eine Einzelzelle wollen, auf eine Warteliste kommen und somit eine Gleichbehandlung gewährleistet werde. "Der Großteil unserer Gefangenen kommt damit gut klar und fühlt sich nicht sonderlich belastet", sagt Waldmann.

Doch neue Haftplätze ließen sich nicht von heute auf morgen schaffen. Überbelegung, Geldmangel, ständig wechselnde Unterbringungszahlen und eine veränderte Unterbringungsauffassung bildeten ein Dilemma. Und auch draußen gebe es ja genug Probleme, die gelöst werden müssten. "Wir tun das, was in unserem Rahmen möglich ist", sagt Waldmann.

Unterstützung findet er damit bei Frank Blumenkamp, dem Pressedezernenten des Landesjustizvollzugsamtes. In neueren Anstalten seien alle Sanitärbereiche abgetrennt, in älteren wie Detmold (Baujahr 1961) bemühe man sich um Nachbesserungen. Bis dahin werde versucht, jeweils die größten Räume für Notgemeinschaften zu nutzen und sie zeitlich zu beschränken.

Jede weitere Beschwerde werde als Einzelfall geprüft, sichert Waldmann zu. Stehe aber kein Einzelplatz zur Verfügung, bleibe als Alternative nur die Verlegung in eine andere Anstalt und damit die Zerstörung der örtlichen Beziehungen. Rechtlich besteht die Möglichkeit, Schmerzensgeld einzufordern, wenn eine irreguläre Haftunterbringung vorliegt. Aber bisher, so Waldmann, habe noch kein Gericht in dieser Situation Schmerzensgeld verhängt.


detmold@lz-online.de

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