Deister- und Weserzeitung ,
07.04.2005 :
Die Besetzung der Stadt Hameln durch die amerikanischen Soldaten / Kampflos von Süden her einmarschiert / Jedes Haus wurde durchsucht / Die Zeitzeugen Viebrock und Brockmann berichten
Von Bernhard Gelderblom
Hameln. Am frühen Morgen des 7. April 1945 drangen die Amerikaner von Süden her mit Panzern und Infanterie in Hameln ein. Kämpfe mit deutschen Verteidigern hat es nicht mehr gegeben. Haus für Haus wurde durchsucht, zahlreiche Soldaten in Gefangenschaft gebracht. Der Realschullehrer Johann Viebrock wohnte damals in der Erichstraße. Er schreibt über den Tag des Einmarsches der Amerikaner. Über seinem Bericht liegt eine große Trauer angesichts der schweren Schäden, welche die Stadt erleiden musste. Hier sein Bericht:
"Gegen Morgen (des 7. April) wurde bekannt, dass der Feind von Süden her in die Stadt eingedrungen sei und seine Truppen durch die Straßen nach Osten und Norden ausbreite. Ich hatte gegen vier Uhr längere Zeit am Waldsaume gestanden, auf die brennende Stadt geschaut und den Geschützkampf beobachtet, der immer noch anhielt. Hin und wieder antwortete auf unserer Seite ein Geschütz.
Das Schießen hörte nach und nach auf. Eine dumpfe, unheimliche Schwere lag auf der Erde und lähmte die Gedanken der Menschen, die schweigend im Kellerflur hockten oder vor dem Hause standen und auf die qualmende, lodernde Stadt starrten. Es war Kunde gekommen, dass die Amerikaner die Stadt besetzt hätten. Erst am Mittage und Nachmittage kehrten die geflüchteten Bewohner in kleineren Gruppen oder einzeln mit ihrer Habe auf Wagen und Fahrrädern zurück. Viele waren vor der Beschießung in den Stadtwald geflüchtet."
Über das Geschehen an diesem Tag berichtet auch der Gefreite Walter Brockmann, der in einer Schreibstube in der Linsingen kaserne eingesetzt war, in seinem Kriegstagebuch:
"Kurz nach Mitternacht kommt die Meldung, amerikanische Panzer befinden sich am Bahnhof. Der Gefechtsstand wird vom Hochzeitshaus in die Besmer-Teppichfabrik verlegt. Gegen 5 Uhr erscheint Hauptmann Glätzer mit der Mitteilung, seit 4.30 Uhr sei die Scharnhorstkaserne besetzt, fordert zum schnellen Aufbruch und Absetzen in Richtung Osten auf. Allgemeine Richtung: Festung Harz.
Um 7 Uhr erreichen Hauptfeldwebel Müller, Obergefreiter Fischer und ich die Linsingenkaserne. Das Stammpersonal, Stabsintendant, Zahlmeister usw., verlässt das Kasernengelände mit reichlich Gepäck. Offiziere sind nicht zu sehen. Am Kasernentor ist eine Rote-Kreuz-Fahne angebracht. Es wird gesagt, dass in den Kasernen verwundete,kranke und gehbehinderte Soldaten zurückbleiben; der beinamputierte Gerichtsoffizier Oberleutnant Albrecht würde das Kasernengelände übergeben.
Mit der größeren Gruppe aus der Linsingenkaserne erreichen wir Holtensen. Treffe dort eine Mitarbeiterin der Schreibstube und erhalte Frühstück. Als Panzergeräusch hörbar wird, löst sich die Gruppe auf. Treffen um 12 Uhr am Süntelturm ein, besteigen den Turm und sehen, wie über Hameln Rauchschwaden aufsteigen."
Unübersehbar schildert Brockmann die Auflösungserscheinungen beim deutschen Militär. Der Aufbruch von der Linsingenkaserne geschieht ohne jede Ordnung ("Offiziere sind nicht zu sehen").
Walter Brockmann hielt sich nach dem Abzug aus Hameln mit einigen anderen deutschen Soldaten mehrere Tage im Süntel hinter den amerikanischen Linien verborgen. Tags lagen sie in Verstecken, nachts marschierten sie. Obwohl es ihm gelang, Zivilkleider zu bekommen, geriet Brockmann doch in amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er aber mit Glück wieder freikam. Am 19. April 1945 erreichte er schließlich sein Elternhaus in Niederholsten.
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