WebWecker Bielefeld ,
06.04.2005 :
Jubelprogramm mit ernsthaften Tönen
Von Manfred Horn
Es ist ja durchaus schwierig, dieses Erwachsenwerden: Viele sehen es als Fortschritt an, weil die Flausen der Jugend vorüber sind. Endlich wird sich in aller Seriösität und Ernsthaftigkeit den wirklichen Problemen gestellt. Das Welthaus Bielefeld wird in diesem Jahr 25 – und ist zum Glück immer noch nicht ganz erwachsen geworden.
Sicher, der Unterschied zu den Anfängen ist sichtbar: Heute gibt es im Welthaus eine professionelle Geschäftsführung und einen berufsmäßigen Fundraiser. Aber immer noch finden Hausversammmlungen statt, die entscheiden. Immer noch gibt es politische Stellungnahmen nicht nur zur großen Welt draußen, sondern auch beispielsweise zur Sozialpolitik in Deutschland.
1980 fing alles an mit dem Haus an der August-Bebel-Straße, und war zunächst mit eng mit Solidaritätsarbeit bezogen auf Afrika und Lateinamerika verknüpft. Im gleichen Jahr zog die "BUKO-Pharmakampagne" als Untermieter ins Haus, und ist es bis heute. 1987 dann kaufte der Verein das Haus. 1980 betrug der Jahresetat des Welthauses, damals noch unter dem Label "Dritte Welt Haus", ganze 79.000 DM, heute sind es über 700.000 Euro. Hinzukommen aktuell noch mal 500.000 – 800.000 Euro, die das Welthaus für seine Auslandsprojekte bekommt. Eine Summe, die dann, nach Abzug der Verwaltungskosten, in Form von Projektarbeit weitergegeben wird.
Jahrelang war die Europäische Union der große Geldgeber, der stagnieren die Mittel aber, gleichzeitig werden immer mehr Anträge von Nichtregierungs-Organisationen gestellt. Auslandsprojekte heißt auch, die Opfer der Flut in Südasien zu unterstützen. Zwar gibt es keine eigene Projektgruppe zu Mullaittivu, aber das Welthaus bietet sein Know-How an. So nimmt es am runden Tisch der Stadt teil, ein Mitarbeiter war bei der Delegationsreise Ende Februar mit vor Ort. Und das Welthaus hat ganz aktuell eine Broschüre herausgebracht, wie aus solchen Katasthrophen gelernt werden kann. Eine weitere speziell zu Mullaittivu soll noch im April folgen. Mit seinen Bildungsmaterialien hat sich das Welthaus längst einen nationalen Ruf erworben, sie werden bundesweit von Bildungseinrichtungen angefordert.
Inzwischen arbeiten 16 Menschen im Welthaus mit lebenserhaltendem Gehalt. Bildung, Kultur, Projekte und Lobbyarbeit sind dabei die Schwerpunkte. "Das Welthaus ist schon einmalig", ist Ulrike Mann, Geschäftsführerin, stolz. Denn mit den großen Nichtregierungsorganisationen ist das Haus nicht vergleichbar, zu breit aufgefächert ist die Arbeit. Aber unter den Kleinen ist das Welthaus schon groß. "Klein sein und trotzdem Dynamik entfalten", gibt Mann als Motto vor. "Vielleicht ist es ja so: Wer klein ist, bleibt kreativ."
Einen Eindruck von der vielfältigen Arbeit bietet das Welthause im Jubiläumsjahr. Programmatisch steht zunächst die Kampagne "Gerechtigkeit jetzt!" im Vordergrund, ein durchaus kritischer Beitrag zur weltweiten Liberalisierung von Handelsstrukturen. Denn offene Grenzen gibt es nicht wirklich, auch nicht für Waren. Durch hohe Subventionen werden einheimische Produkte gestützt, Produkte aus ärmeren Ländern haben es schwer, auf den Markt zu kommen. Eröffnet wird die Kampagne mit einem Besuch der grünen Verbraucherschutz-Ministerin Bärbel Höhn am Freitag, 8. April. Höhn wird auf den Jahnplatz kommen. Das Thema des Welthauses dort: "Fairschenk Blumen". Es wird darum gehen, unter welchen Bedingungen weltweit Blumen angebaut werden, um hier zum Beispiel zum Valentinstag in der Vase zu stehen.
Im Bildungsbereich werden in den kommenden Wochen eine ganze Reihe von Veranstaltungen zur Kolonie "Deutsch Südwestafrika" im Vordergrund stehen. Das deutsche Kaiserreich verfügte über diese Kolonie, die schwarze Bevölkerung musste darunter leiden. Vor einhundert Jahren ereignete sich im heutigen Namibia der Herero-Aufstand, der von den deutschen Besatzern blutig niedergeschlagen wurde. Eine Ausstellung wird auch nach Bielefelder Bezügen zum Kolonialgebiet fragen. Dazu hat ein Historiker vier Schautafeln zusammengestellt (der WebWecker wird in der kommenden Woche gesondert zu der Veranstaltungsreihe berichten).
Das Jubiläumsprogramm beginnt am
Freitag, 8. April: "Fairschenk Blumen". Aktion auf dem Jahnplatz mit Bärbel Höhn. 14 – 16 Uhr.
Sonntag, 10. April: "Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben." Gottesdienst mit Präses Alfred Buß, 10.30 Uhr in der Altstädter Nicolai-Kirche.
Montag, 11. April: "Zucker, für wen süß, für wen bitter?". Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Landwirtschaft, Industrie und Entwicklungspolitik. Haus der Kirche, 19 Uhr.
Dienstag, 12. April: Alternative Stadtführung unter dem Thema "Konsummensch". Ein Rundgang zu Bielefelder Filialen nationaler und internationaler Konzerne. Treffpunkt Altstädter Nicolaikirche, Rundgänge um 15.30 Uhr und 18 Uhr.
Mittwoch, 13. April: "So fern – so nah." Abschlussveranstaltung des zweijährigen Jugend- und Bildungsprojekts. Offener Kanal auf dem GAB-Gelände, 18 Uhr.
Mittwoch, 13. April: "Auf der Suche nach der guten Schule." Entwicklungen im Bildungswesen Mosambiques. Vortrag von Felix Mulhanga, Mosambique. Welthaus, 20 Uhr.
Dienstag, 19. April: "Erinnert Namibia! Mission, Kolonialismus und Freiheitskampf." Ausstellungseröffnung im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Erinnern und Verantworten." Haus Dankort, Quellenhofweg 25, Bethel, 17 Uhr.
Weitere Veranstaltungen folgen bis September. Das Programm finden sie dann hier im Veranstaltungskalender des WebWeckers oder direkt auf den Seiten des Welthauses:
www.welthaus.de
webwecker@aulbi.de
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