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WebWecker Bielefeld , 06.04.2005 :

"Wir machen die Party!"

In der Party-Szene Bielefelds hat 'Ladyshake' inzwischen einen Namen gemacht. Seit rund zwei Jahren veranstalten sie regelmäßig Partys und Konzerte im AJZ. Dabei wird nicht nur immer viel Wert auf eine 'andere' Musik gelegt sondern auch auf ein optisches Ambiente: Dieses thematisiert gesellschaftliche Normen und sexualisierte Herrschaftsverhältnisse.

Es ist den neun 'Frauen, Ladies, Queers' jedoch nicht nur wichtig hegemoniale Sichtweisen auf Geschlecht und Körper als etwas konstruiertes und herrschaftsförmiges sichtbar zu machen. Es geht ihnen auch darum, selbst Raum einzunehmen und die festgefügten Bilder in dieser Gesellschaft im Allgemeinen wie in der Party-Welt im speziellen zu brechen. Die Musik, die sie auf ihren Partys auflegen, ist aus Sicht von Ladyshake in der normalen Party-Szene deutlich unterrepräsentiert. Das liege ihrer Meinung nach aber nicht am Können oder an der Tanzbarkeit von Gruppen wie 'Le Tigre' oder 'Rhythm King and her friends'. Der Grund sei, dass Partykultur immer noch eine Männerdomäne ist. Es sind eben vor allem lässige Jungs, die die Platten drehen und coole Rocker, die auf der Bühne schwitzen.

Die Riot-Girrl Bewegung aus der inzwischen die Ladies geworden sind, entstand Anfang der 90iger Jahre in den USA aus einem ähnlichen Dilemma. Frauen und Mädchen aus der dortigen Punk-Szene wollten es nicht mehr hinnehmen, dass die MacherInnen der Subkultur überwiegend Jungs waren und fingen an sich unter dem Motto "female self-empowerment" selber zu organisieren und zu vernetzen. 'Queer' war früher ein Schimpfwort für Schwule, Leseben und alle anderen die sich nicht den "normalen" Geschlechterrollen anpassen. Inzwischen wurde der Begriff von eben diesen Menschen umbesetzt. Er bezeichnet grob alles, was von dem Konzept der Zweigeschlechtlichkeit und der Heterosexualität abweicht und diese sowie die damit verbundenen Zuschreibungen in Frage stellt. 'Queer' kann ein Mensch sein oder ein Synonym für eine Praxis oder ein Label. Von gewöhnlichen GleichstellungspolitikerInnen über PartyPeople bis zu Linksradikalen beziehen sich verschiedenste Gruppen auf diesen Begriff und füllen ihn jeweils anders.

Die Protagonistinnen von 'Ladyshake' verstanden sich am Anfang als Ladies. Der fasst in ihrem Sinne alle Menschen die sich nicht als männlich verstehen. Inzwischen haben sie ihre Selbstdefinition zu Frauen/Ladies/Queers präzisiert.

Karl Mosh sprach mit zwei der Ladies über ihr Konzept und die manchmal schwierige Umsetzung.

WebWecker: Was ist Ladyshake eigentlich genau?

Ladyshake: Wir sind neun Frauen, Ladies, Queers. Wir organisieren seit Anfang 2003 Partys, und seit letztem vergangenem Jahr auch Konzerte im AJZ Bielefeld. Im Unterschied zu anderen Gruppen im AJZ besteht Ladyshake ausschließlich aus Frauen, Ladies und Queers. Wir haben das auch bewusst so gewählt weil wir der Unterrepräsentation von Frauen, Ladies, Queers in den Bereichen in denen wir agieren mit Ladyshake etwas entgegensetzten wollen. Wir machen die Partys nicht um uns finanziell zu bereichern und engagieren auch keine Leute die sie für uns gestalten. Wir legen sehr viel Wert auf das selber machen, da stecken viele eigene Ideen und eigenes Interesse drin. Wir machen uns auch viele Gedanken über das was wir tun. Das verstehe ich auch unter dem d.i.y. Gedanken. Wir wollen mit unseren Partys und Konzerten Ladies ein Forum bieten.

WebWecker: Was habt ihr bis jetzt gemacht?

Ladyshake: Wir haben bis jetzt vier Partys und zwei Konzerte gemacht. Wir haben uns viel getroffen und viel diskutiert. Als Beispiel ist mir unsere vorletzte Party noch am präsentesten. Da ginge es um feministische und queere Sichtweisen auf das Thema 'Körper'. Wir überlegen uns am Anfang wer zu welchem Gebiet dieses Themas was machen will. Eine hat dann was zu Thema 'Transgender' gemacht, es gab was zu Thema 'Essstörungen', zum Thema 'Körper-Normen' und zu dem was als Selbstverletzung bezeichnet wird gab es auch ein paar Bilder. Wir sammeln Bildmaterial für die Deko, machen eine Slide-Show, also Bilder die wir an die Wände projizieren, und suchen Filmmaterial. Das sind dann oft Ausschnitte aus Filmen in denen es beispielsweise um Transgender geht. Ein wichtiger Punkt ist natürlich die Musik. Die Plattenteller stehen auf der Bühne um das Musik auflegen mehr in die Party zu integrieren. Und um auch sichtbar zu machen das nur Ladies auflegen.

WebWecker: Ihr seht euch nicht als isolierte Gruppe sondern verortet euch in einer Szene?

Ladyshake: Wir wollen Raum schaffen für Frauen, Ladies, Queers und versuchen mit dem was wir machen natürlich auch diese Szene anzusprechen. Der Vernetzungsgedanke ist uns wichtig. Auf unseren Partys arbeiten wir viel mit Bildern und Visuals die hauptsächlich auch aus diesem Kontext und aus dieser Szene kommen. Bei den Konzerten wollen wir Ladies-Bands ein Forum bieten. Einigen aus der Gruppe ist es auch wichtig eine Plattform für Bands zu bieten die noch relativ unbekannt sind. Auf unsrem nächsten Konzert mit 'Lesbians on Ecstasy' tritt beispielsweise 'Stockholm' auf. Das war die Schlagzeugerin der 'Push Ups', die jetzt mit Gitarren und Elektrosound bei unserem Konzert ihren zweiten Auftritt hat. Für mich persönlich ist es ausgeschlossen eine Jungens-Band einzuladen es sei den sie verorten sich ganz klar in einem Queeren Kontext. Wir sehen unsere Arbeit auch als politische Arbeit obwohl sie auf den ersten Blick vielleicht für viele einfach nur Kultur ist. Für uns ist Kunst und Politik kein Wiederspruch.

WebWecker: Ihr wollt Räume schaffen und nehmen. Was habt ihr an der hegemonialen Partykultur auszusetzen und was stellt ihr dieser entgegen?

Ladyshake: Es war uns zu Anfang ein Anliegen 'unsere' Musik zu hören, tanzen zu können und selber aufzulegen. Wir empfanden es als Dilemma das auf Partys Bands die zum Beispiel aus der Riot-Girrrl Bewegung hervorgegangen kaum gespielt wurden. Es fällt auf das in der hiesigen Party-Szene fast nur männlich DJs auflegen. Bei den Bands ist das ähnlich. Das hat uns total angepisst und wir haben beschlossen der Kultur die wir sehen wollen einen Rahmen zu schaffen. Wir achten drauf, dass wir das auf unseren Partys einhalten. Man muss jedoch ehrlicherweise sagen das wir mit den letzten Partys eher unzufrieden waren. Auf der ersten Party waren wirklich noch überwiegend Frauen, Gäste da, die sich sehr offensichtlich für unser Konzept interessiert haben. Aber gerade nach der letzten Party hatten wir das Gefühl, dass das Konzept nicht mehr richtig greift. Wir werden die nächsten Male versuchen unser Konzept noch deutlicher zu machen. Wir versuchen gesellschaftliche Realitäten hauptsächlich durch unsere Visuals zu brechen, indem wir zum Beispiel feministische und queere Sichtweisen aufzuzeigen. Teilweise benutzen wir auch sehr körperliche Bilder wo uns dann vorgeworfen werden kann, wir würden Sexismus reproduzieren. Für uns drücken diese Bilder dann zum Beispiel Aneignung und Selbstbestimmung aus. In manchen Bildern wird das sexistische Bild ironisiert überzeichnet, und dadurch kommt es zu einer Brechung. Letztendlich weiß man natürlich nie was die Augen, die sich so ein Bild anschauen, sehen und empfinden. Uns ist bewusst das man eine sexistische Lesart nie ausschließen kann.
Manchmal nehmen wir Bildmaterial wo es nicht viel zum ruminterpretieren gibt sondern eine ganz klar, beispielsweise lesbische Aussage rüberkommt. Wenn wir Bilder von Magersucht oder Selbstverletzungen nehmen, machen wir das nicht um zu schocken oder die Leute mit extravaganten Visuals zu beglücken, sondern um was mitzuteilen. Man kann natürlich lange drüber diskutieren inwieweit das Konzept aufgeht. Wir kriegen viele gute Rückmeldungen und natürlich gehen auch viele hin die einfach nur Party machen wollen und sich dafür überhaupt nicht interessieren. Aber das ist in einem bestimmten Rahmen auch in Ordnung.

WebWecker: Warum macht ihr eure Veranstaltungen im AJZ?

Ladyshake: Wir haben uns das AJZ als Raum bewusst ausgesucht weil wir uns dort wegen dem unkommerziellen Anspruch und der Selbstverwaltung wohl fühlen. Wir machen zum Teil schon sehr lange was im AJZ und schätzen die selbstverwalteten Strukturen dort. Ich würde das Partykonzept aber auch gerne in anderen Räumen ausprobieren.

WebWecker: Was plant ihr für die Zukunft?

Ladyshake: Unsere nächste Veranstaltung ist am 12. April unter dem Motto 'Lesbians on Extasy'. Das sind vier Frauen/Lesben aus Montreal die das erste mal auf Europa-Tour sind und eins ihrer wenigen Konzerte in der BRD im AJZ spielen. Sie machen elektronische dancefloor Musik mit Metal-Einflüssen. Zu ihrem Konzept gehört es, klassische lesbische Hymnen in ein neues Gewand zu packen.
Außerdem beteiligen sich viele aus der Gruppe als Einzelpersonen an den Vorbereitungen des ersten Bielefelder Ladyfests, welches im Herbst stattfinden wird. Das Konzept des Ladyfests entspricht ja auch sehr unserem Gruppen-Gedanken.

Auf den folgenden Seiten kann man nicht nur viele spannende Links und Infos zu Bands finden sondern auch eher theoretische Texte über die Riot-Girrl Bewegung oder über das breite Thema 'Queer-Politics':

Ladyshake: http://sites.knup.de/ladyshake/
Ladyfest Bielefeld: http://sites.knup.de/ladyfestbielefeld/
Ladyfest Europe: http://www.ladyfesteurope.org/
Netzprojekt aus der Riot-Girrl-Ecke: http://www.megapeng.net/
AJZ Bielefeld: http://www.ajz-bielefeld.de/


webwecker@aulbi.de

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