Schaumburger Zeitung ,
06.04.2005 :
"Beeindruckendes Beispiel der Begräbniskultur" / Nach Empörung von Angehörigen: Jüdischer Friedhof wird dieses Jahr saniert / Dokumentation geplant
Obernkirchen (rnk). Rückblickend war es ein Glücksfall, dass Ruth Filler aus Neuseeland vor einem Jahr ihren auf dem jüdischen Friedhof begrabenen Vater Philipp Adler besuchte. Die Frau war nach dem Besuch so empört über den Zustand des Friedhofes, dass sie beim Jüdischen Landesverband Alarm schlug. Und dieser wiederum gab dann der Stadt Obernkirchen in einem Bereich, in dem die Städte und Kommunen, in denen die jüdischen Friedhöfe liegen, normalerweise keinen Einfluss haben, grünes Licht: Der Friedhof soll jetzt saniert werden, der Landesverband der jüdischen Gemeinden gibt Mittel in Höhe von 16.000 Euro, das Land Niedersachsen und die Stadt Obernkirchen beteiligen sich mit 6.000 Euro.
Der Friedhof enthält 108 Grabsteine, deren Aufstellungsdatum von 1758 bis in die heutige Zeit reicht - er wird noch immer benutzt. Viele Grabsteine und Grabsteineinfassungen sind aber stark beschädigt, teilzerstört oder umgefallen, nur rund 50 Grabsteine sind unzerstört erhalten geblieben, aber dennoch von der Verwitterung bedroht. Aber auch von außen mussten immer gewalttätige Beschädigungen oder gar Zerstörungen festgestellt werden. Doch trotz dieser Schäden stellen die Grabsteine und die Gesamtanlage des Friedhofes mit seiner außergewöhnlichen 250-jährigen Belegung ein wertvolles Exemplar der jüdischen Sepulkralkultur Niedersachsens dar, wie Dr. Günter Schlusche feststellt, der von 1988 bis 1991 ein vollständiges Inventar der Grabsteine des Friedhofes anlegte und der sich heute für die Sanierung stark macht. Sein Wort hat Gewicht, denn Schlusche ist der Baukoordinator der "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" in Berlin. Darüber hinaus seien die Grabsteine auch ein "bedeutendes sozial- und kulturgeschichtliches Dokument" der Ortsgeschichte Obernkirchens.
Zur Erhaltung dieses Kulturdenkmales sei eine fachgerechte Restaurierung "zwingend erforderlich", betont Schlusche in einem den Antrag unterstützenden Schreiben. Außerdem sei es notwendig, die bisher vorliegenden, überwiegend unveröffentlichten Materialien und Einzelstudien zur Geschichte des Friedhofs und der dort begrabenen Personen in einer Dokumentation zusammenzufassen und zu veröffentlichen.
Das allerdings kann noch dauern, Nahziel der Stadt ist der Beginn der Restaurierung in diesem Jahr. Denn in das sich langsam entwickelnde Tourismuskonzept der Stadt passt der jüdische Friedhof durchaus hinein: Er liegt im Uhlenbruch unterhalb der Alten Bückeburg an einem Hang an der Nordseite des im Bückeberg entspringenden und die Stadt durchquerenden Hühnerbachs und zugleich am Anfang des Skulpturenweges.
Das stadtnahe Naturschutzgebiet Uhlenbruch, einst angelegt, um den touristischen Wert der Stadt zu erhöhen (auch das Freibad hat aus diesem Grund seinen Platz dort), hat mit seinen historischen Bezügen hohen Erlebniswert. Weshalb thematisch orientierte Routen wie Bergbau- und Skulpturenweg oder der traditionelle "Spiegeleierweg" zum Kamm des Bückeberges dort verlaufen.
Und natürlich ist der Friedhof selbst einen eigenen Besuch wert: Er hat wegen des starken Gefälles des Geländes eine bemerkenswerte Topografie und ist durch einen zum Teil über 200 Jahre alten und sehr artenreichen Baumbewuchs geprägt, in dem sich angestammte naturräumliche Vegetation wie Eichen, Buchen oder Birken mit dem friedhofstypischen Bewuchs wie Eibe und Wacholder durchmischt.
Wahrscheinlich wurde der Friedhof in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erheblich vergrößert. Im Zug der Vergrößerung wurde auch der Eingang verlegt.
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