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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 10.03.2005 :

Als Hitlerjunge im Löscheinsatz / Zeitzeuge Heribert Wrenger erinnert sich an schweren Bombenangriff

Paderborn (NW). Heute vor 60 Jahren herrschte in Paderborn gegen 12 Uhr Fliegeralarm. Heribert Wrenger erinnert sich an die Löscharbeiten nach dem Angriff amerikanischer Bomber auf den Westen und Süden Paderborns sowie auf das Bahnhofsviertel, der 70 Menschen den Tod brachte:

"Zu zehnt verließen wir 14- bis 15-jährigen Jungen der Hitlerjugend-Feuerwehr den Schutzraum unter dem Rathaus. Entwarnung war noch nicht erfolgt, aber trotzdem liefen wir zum Feuerwehrhaus am Liboriberg, wo wir wurden verschiedenen Löschgruppen der Freiwilligen Feuerwehr zugeteilt wurden. Ich fuhr mit der ersten Gruppe zur Firma Marmeladenfabrik Stute, damals in der Pipinstraße.

Diese Firma war, wie es damals hieß, ein wehrwirtschaftlicher Betrieb. Und diesen galt es als erstes zu retten. Wir hatten bei dieser Einsatzfahrt großes Glück. Durch den Rauch und Staub hatten wir zu spät bemerkt, dass auf der Kreuzung Leostraße/Ludwigstraße ein Bombentrichter war. Der Fahrer bremste das schwere Fahrzeug noch stark ab und dann krachten wir durch und über den Bombentrichter hinweg auf die Ludwigstraße.

Gut, dass wir Stahlhelme auf dem Kopf trugen. Kurz darauf hatten wir die Firma Stute erreicht. Der Brand war noch im Entstehen, so dass wir ihn nach etwa einer bis anderthalb Stunden löschen konnten. Danach haben wir übrigens die ersten Fruchtsäfte unseres Lebens trinken dürfen.

Die nächsten Brandstellen waren an der unteren Borchener Straße in der Nähe des Bahnübergangs (heute Unterführung bzw. Synagoge) Außerdem brannten Häuser der Brauerstraße und Wollmarktstraße. Eine mühsame Plackerei war das Verlegen der Schläuche von der Herz-Jesu-Kirche, wo sich der unterirdische Löschwasserbehälter befand, über die Bahnhofstraße, Borchener Straße/Bahnübergang bis zur Wollmarktstraße.

Einige Häuser löschten wir recht schnell, bei den meisten dauerte es wegen der Größe des Brandherdes auch Stunden. Bis in die Nacht hatten wir zu tun. Es lausig kalt. Wir Jungen hatten ja nur unsere Uniform, keinen Mantel. Dann gab es plötzlich Fliegeralarm. Wir suchten Schutz im Brauereikeller an der Borchener Straße.

Da es nach einer halben Stunde immer noch ruhig blieb, liefen wir wieder zur Brauerstraße. Anwohner baten uns, die in den Kellern befindlichen Sachen herauszuholen. In einem Haus bin ich nach Anweisung der Bewohner durch die Haustür in den Keller gegangen. Über mir brannte die erste Etage. Durch die Kellerfenster habe ich den Bewohnern die Sachen gegeben. Fast fertig mit der Arbeit, stürzte plötzlich das hölzerne brennende Treppenhaus in den Keller. So schnell bin ich noch nie durch ein Kellerfenster geflüchtet.

Am Sonntagmorgen, 11. März, habe ich noch kleine Brandherde abgelöscht. Als ich nach rund 24 Stunden Einsatz nach Haus kam, bekam ich von meinen Eltern die Nachricht, dass fünf meiner Verwandten im Bunker der Firma Köthenbürger an der Klöcknerstraße durch eine Luftmine zu Tode gekommen waren."


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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