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Westfalen-Blatt / Zeitung für Werther , 12.09.2018 :

Erste Mahnwache an der Petri-Kirche

150 Versmolder bekennen sich zu einer bunten Stadt

Von Ulrike von Brevern

Versmold (WB). "Es tat so gut, so viele Menschen hinter sich zu haben!" zog Pfarrerin Anja Keppler am Montagabend ein äußerst zufriedenes und gleichzeitig erleichtertes Fazit der ersten Mahnwache unter dem Motto "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Versmold ist bunt" an der Petri-Kirche.

Bis zu 150 Menschen und damit deutlich mehr als von den Veranstaltern erwartet beteiligten sich im Rahmen der Mahnwache an einem spontanen Zug. Der Unterstützerkreis Asyl der Kirchen, unterstützt vom DRK und dem Haus der Familie laden in den nächsten Wochen regelmäßig montags um 19 Uhr zur Mahnwache an der Petri-Kirche ein. An vier zentralen Standorten in Versmold machen die Initiatoren zudem mit Bannern auf ihr Anliegen aufmerksam.

Entstanden ist die Idee als Reaktion auf die Ereignisse in Chemnitz, berichtet DRK-Vorsitzende Ursula Engelking. Dabei war es Zufall, dass die Veranstaltung auf den Jahrestag der Einrichtung der Flüchtlingsunterkunft in Versmold fiel, die Stadt und Unterstützerkreis vor drei Jahren richtig forderte. "Die Stimmung in unserem Land wird immer schwieriger", hielt Pfarrerin Keppler fest und sprach von einem "Knoten im Bauch", der sich spätestens angesichts der Bilder aus Chemnitz und der Reaktionen darauf bei vielen Menschen bemerkbar mache. Die Aufforderung beim monatlichen Friedensgebet vor einer Woche, "genau jetzt" etwas zu tun, "hat vielen von uns aus dem Herzen gesprochen".

Dass rechte Parolen auch in Versmold keineswegs der Vergangenheit angehören, beschrieb Touristenführer Karl-Heinz Galling und nannte als Beispiel entsprechende Schmierereien im Versmolder Bruch. Teilnehmer der Demonstration betrachteten mit Abscheu, dass nationalistisches Gedankengut zunehmend offen verbreitet werde. "Man fragt sich am Frühstückstisch schon, ist das noch unser Land?", bekannte Keppler.

"Wir wollten nicht gegen etwas protestieren, sondern für etwas", begründete Engelking für die Initiatoren die Wahl des Demonstrationsmottos und verwies auf den 70. Geburtstag des Grundgesetzes in diesem Jahr. "Mit dem ersten Artikel des Grundgesetzes weiß man wofür und womit man argumentieren kann." Galling betonte die Bedeutung des Rechtsstaats.

Manch Demonstrationsteilnehmer wünschte sich indes mehr politische Konfrontation. So bezweifelte SPD-Ratsfrau Melanie Märlander, dass Argumente "diese Leute" erreichten. Andererseits gab es Befürchtungen, dass durch die Mahnwache "Rechte erst gerufen" würden. "Dann ist das Unheimliche nicht mehr heimlich", konterte Keppler und warb für Dialog an den Rändern.

Auf Anregung von Versmolds ehemaligem Bürgermeister Thorsten Klute, der in den ersten Reihen mitlief, kam die Mahnwache angesichts der vielen Teilnehmer in Bewegung. Negative Reaktionen registrierten die Teilnehmer nicht, von den Gästen der Eisdiele neben dem Schweinebrunnen erhielten sie spontanen Applaus.

Viele Demonstrationsteilnehmer, zu denen auch Vertreter aus Kultur und Politik gehörten, zeigten sich froh darüber, endlich Gelegenheit zu haben, sich gemeinsam zu einem bunten Versmold bekennen zu können. "Ich bin von der Unterstützung vollkommen überwältigt", zog Dagmar Kölkebeck vom Haus der Familie am Ende eine Bilanz. "Da bekommt man schon eine positive Gänsehaut."

Bildunterschrift: Mehr als 150 Menschen beteiligten sich am Montagabend in Versmold an einem Demonstrationszug, den der Unterstützerkreis Asyl der beiden Kirchen gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz und dem Haus der Familie initiiert hatte.

Bildunterschrift: Zum Abschluss stellt eine Frau Kerzen am Engel hinter der Petri-Kirche ab.


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