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Deister- und Weserzeitung , 31.03.2005 :

Wegen schwerkranker Mutter Dienst in Pyrmont / Internistin Ilse Gödde: Hier war im Grunde ein Gefühl von Leben / Einwohnerzahl verdoppelt

Von Ulrike Truchseß

Bad Pyrmont. Die Internistin Dr. Ilse Gödde hatte gerade zwei Semester Medizin in Göttingen studiert, als sie im Herbst 1944 zum Kriegsdienst verpflichtet wurde. Weil sie eine schwerkranke Mutter hatte, die bei Verwandten in Bad Pyrmont lebte, durfte Gödde in Pyrmont ihren Dienst leisten und wurde nicht an die Front versetzt. Immerhin wurden in der Lazarettstadt Bad Pyrmont 1945 fünftausend verwundete Soldaten, sowie 4.000 Kranke und Ausgebomte in 84 Häusern von zahlreichen Ärzten und rund 400 Schwestern medizinisch versorgt. Jedes Hotel einschließlich des Kurhotels und aller kleinen Gästehäuser war von den Nazis beschlagnahmt worden und hatten ein riesiges rotes Kreuz auf dem Dach. Das sollte den amerikanischen und britischen Piloten signalisieren, dass es sich hier um Lazarette handelte, die nach der Haager Kriegskonvention nicht bombardiert wurden.

Pyrmont war aufgeteilt in die Reservelazarette I und II. Die Zentrale oder Verwaltung der beiden Anlagen war im Liborius-Haus an der Lägerstraße untergebracht (heute leer stehend und heruntergekommen). Das Reservelazarett I wurde von Dr. Friedrich Glaser als Oberstarzt geleitet. Das Lazarett II unterstand Dr. van Lessen, einem Oberfeldarzt aus Uetze. Gödde: "Hier war im Grunde ein Gefühl von Leben."

Die verwundeten Soldaten gehörten der Wehrmacht an, darunter waren auch einige Letten, die auf der Seite der Deutschen kämpften. Die Schwerverwundeten kamen nach tagelangem Transport mit Lazarettzügen am Bahnhof an und wurden in Sanitätskraftwagen, so genannten Sankras, auf die verschiedenen Häuser verteilt. Auf der Friedrichshöhe war nach Angaben von Ilse Gödde die "Innere". "Dort gab es viele Gelbsucht-Patienten aus dem Osten und viele mit Magengeschwüren wegen Unterernährung. Auch Herzinsuffizienz- und Tuberkulose-Patienten wurden in Bad Pyrmont versorgt. Die Schwestern waren gegenüber der Friedrichshöhe im Haus Waltraud untergebracht. Wir vom Roten Kreuz führten ein Sold- oder Verwendungsbuch." Wo die geblieben sind, weiß Gödde nicht.

Die angehende Medizinerin assistierte damals Dr. Rühmkorf, einem Arzt, der seine Praxis südlich von Hannover hatte. Die beiden arbeiteten im ehemaligen Christlichen Hospiz, das zum Reservelazarett II an der Friedrichstraße gehörte. Dazu gehörten auch das Parkschlösschen sowie das ehemalige Haus Schückling, Bombergallee.

Das Hospiz hatte auch eine chirurgische Abteilung. Die Küche diente als OP. "Da haben wir operiert, es wurden Arme und Beine amputiert. Unter dem Verband kamen die Läuse raus. Wir mussten oft bei Kerzenschein operieren. Strom gab es nur selten oder er fiel mittendrin aus." Wie hoch die Zahl der verwundeten Soldaten war, die hier überlebten, kann Gödde nicht sagen. Sie weiß nur, dass die Verstorbenen auf dem Oesdorfer Friedhof am Haupteingang rechts beerdigt wurden.

Viele Soldaten kamen aus Pommern und Ostpreußen. "Die hatten keine Ahnung, ob ihre Familien noch lebten und blieben nach Kriegsende zur Nachsorge gern in Bad Pyrmont." Soldaten aus dem Westen dagegen wollten nach Kriegsende sofort den Heimweg antreten. Sofern sie es konnten und durften. Denn in jedes Lazarett kam eine amerikanische Kommission, die entschied, wer Kriegsgefangener war und wer entlassen wurde. "Vor jedem Lazarett stand ein amerikanischer Soldat unter Gewehr. Später ein englischer Posten", erinnert sich Gödde. In Hachmühlen habe es ein Kriegsgefangenenlager gegeben.


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