Lippische Landes-Zeitung ,
24.01.2002 :
Sechs Monate für Schnelle / Volksverhetzung: Detmolder Ratsherr verurteilt
Detmold (mah). Sechs Monate Haft auf Bewährung wegen Volksverhetzung, dazu 60 Sozialstunden – so lautet das Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren gegen den Detmolder Ratsherrn Hendrik Schnelle (früher CDU). Vorsitzender Richter Rudolf Hartl sah es – wie schon die erste Instanz – als erwiesen an, dass sich der 25-Jährige abfällig über Schwarze und Schwule geäußert hat. Im Gegensatz zum Amtsgericht kam die Strafkammer jedoch zum Schluss, dass Schnelles Äußerungen in Kneipen zumindest teilweise volksverhetzend und somit strafbar waren.
Verurteilt wurde Schnelle für den Satz, man müsse die Schwulen vergasen wie früher die Juden. "Herr Schnelle musste wissen, dass seine Äußerungen in der Kneipe an die große Glocke gehängt werden", sagte Hartl. Schnelle war damals wie heute stellvertretender JU-Vorsitzender, und "dies ist ja auch schon was". Dass die Zeugin – damals Juso-Mitglied – sich erst im Vorfeld der Kommunalwahl 1999 an die Öffentlichkeit gewandt habe, sei reiner Zufaff gewesen.
Die beleidigenden Äußerungen Schnelles über Schwarze waren nach Ansicht des Gerichtes nicht volksverhetzend – sie seien im Kreise seiner Freunde gefallen, und die Zeugin, eine Kellnerin, sei nicht politisch aktiv gewesen. "Da fehlte der Vorsatz", urteilte der Richter. Also: Keine Volksverhetzung. Er nannte das Urteil daher einen "Teilerfolg" für Schnelle.
Das Verfahren war auf Antrag der Staatsanwaltschaft aufgerollt worden, weil Staatsanwalt Diethard Höbrink der Argumentation des Amtsgerichtes nicht gefolgt war. So wurden alle Zeugen der September-Verhandlung erneut gehört. Dazu kam eine weitere Frau, die bezeugte, dass sich Schnelle beim Karneval in Berlebeck abfällig über Schwarze geäußert habe.
Zeugen glaubwürdig
Schnelle selbst wies die Anschuldigungen vehement von sich. "Sätze wie diese sind kontraproduktiv und dumm. Wenn jemand behauptet, ich habe mich so geäußert, ist das schlichtweg gelogen." Ähnlich äußerten sich seine Freunde. Themen wie Gleichstellung der homosexuellen Ehe oder der wirtschaftliche Unterschied zwischen Afrika und Europa seien diskutiert worden, jedoch auf sehr sachlichem Niveau. "Solche Äußerungen kann man sich in der JU gar nicht leisten", betonte ein Mitglied aus Schnelles Abendgesellschaft.
Auch die Belastungszeuginnen blieben bei ihren Aussagen. Sie wurden von der Kammer als glaubwürdig eingestuft. "Entscheidend ist: Es gibt nicht den leisesten Grund dafür, dass die Zeuginnen sich so etwas ausdenken. Wir haben drei Äußerungen, die sich ungefähr auf einer Linie befinden", so der Richter. Daher seien auch offensichtliche Widersprüche in den Aussagen der jungen Frauen – etwa zum weiteren Kontakt mit Schnelle nach den Kneipenabenden – nicht entscheidend.
Diese Widersprüche hatte Schnelles Rechtsanwalt Jürgen Mankratz in den Mittelpunkt seines Plädoyers auf Freispruch gestellt. Er hatte zudem argumentiert, dass immerhin fünf aus der Kneipenrunde sich nicht an die Aussagen erinnern könnten: "Es ist zudem absolut unglaubwürdig, wenn eine Zeugin sich daran erinnern will, dass Herr Schnelle sich beim Karneval in Berlebeck abfällig über Schwarze geäußert haben soll, andererseits aber keine Vorstellung mehr von seinem Kostüm hat." Immerhin sei Schnelle damals als Punk gegangen – mit bunten Haaren und Symbolen der Antifaschisten auf dem T-Shirt. "Im Zweifel für den Angeklagten", betonte der Anwalt.
Staatsanwalt Höbrink zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: "Die Argumentation ist vertretbar." Mankratz kündigte an, Rechtsmittel zu prüfen. Ein drittes Wiedersehen vor Gericht ist wahrscheinlich. Bürgermeister Friedrich Brakemeier als Ratsvorsitzender forderte Schnelle erneut auf, sein Mandat niederzulegen.
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