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Neue Westfälische , 02.02.2002 :

Kaderschmiede der Rechtsextremisten / Im "Collegium Humanum" in Vlotho werden Neonazis für den Straßen-Kampf geschult / Treff der "intellektuellen Faschisten"

Von Oskar Emm

Vlotho/Bielefeld. So ein Aufmarsch muss gut vorbereitet sein. Aus dem gesamten Bundesgebiet reisen die NPD-Sympathisanten heute nach Bielefeld, um durch den Osten der Stadt zu marschieren. Das verlangt eine ausgeklügelte Logistik und stramme Disziplin. Die nötige Wissensbasis für das Gelingen einer Demonstration lernen die Organisatoren regelmäßig auf "Unterführerschulungen" im "Collegium Humanum". Das ist ein Veranstaltungsort der extremistischen Rechten im ostwestfälischen Vlotho.

Die NPD, Anmelder der heutigen Demonstration in Bielefeld, könnte allein aus Ostwestfalen kaum 100 Anhänger für einen Marsch mobilisieren. Die Partei ist daher auf Mithilfe der "Freien Kameradschaften" angewiesen. Das sind regionale und lokale Sammelbecken von Neonazis. Um auf eine Teilnehmerzahl von über 1.000 zu kommen, ist es nötig, die Gleichgesinnten aus ganz Deutschland nach Bielefeld zu lotsen. In der Regel werden um die 30 Sammelpunkte in der Republik eingerichtet. In Bussen geht es anschließend weiter in eine Stadt nahe des Demonstrationsortes, in diesem Fall könnten das Hamm oder vielleicht Hannover sein. Von dort aus bringt die Bahn die Teilnehmer ans Ziel.

Nun warten auf die Ordner und Organisatoren der Rechtsextremisten die nächsten Aufgaben: Sammeln zum geordneten Abmarsch und aufpassen, dass die Teilnehmer die Demonstration nicht gefährden durch (zu offensichtliche) verfassungsfeindliche Parolen oder andere Straftaten. Damit dieser Ablauf gewährleistet werden kann, bilden die führenden Rechtsextremisten gezielt so genannte "Unterführer" aus. In Ostwestfalen hat sich das Collegium Humanum für solche Aktivitäten mittlerweile etabliert. Nach Informationen von Szenebeobachtern pauken die Neonazis in Vlotho regelrecht Schulfächer. Demnach stehen zum Beispiel "Verschlüsselungstechniken", "Polizeifunk abhören", "Geländeübungen" (auch Wehrsport genannt) und "Deutsche Geschichte" auf dem Stundenplan. "Am Ende müssen die Teilnehmer Abschlussprüfungen ablegen, bei denen sie auch durchfallen können", berichten Kenner der Naziszene. Regelmäßige Teilnehmer dieser Schulungswochenenden – mindestens drei hat es 2001 gegeben – sind die bekannten Bielefelder Neonazis Bernd Stehmann und Meinhard Otto Elbing. Beide gehören zur mittleren Ebene der Hierarchie innerhalb des rechtsextremen Spektrums. Sie treten als Ordner bei Aufmärschen in ganz Deutschland in Erscheinung. Stehmann hat sich zudem einen Namen als Herausgeber eines Nazi-Skinhead-Magazins gemacht, das auch im Haus des Collegium Humanums verkauft wird. Dieser Verein ist 1963 auf Initiative von Prof. Werner Haverbeck (t) gegründet worden. Haverbeck war im Dritten Reich Leiter der "Reichsmittelstelle für Volkstumsarbeit". Er gehörte zum persönlichen Stab von Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess. 1974 wurde der zeitweise an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Fachhochschule Bielefeld tätige Professor Präsident des "Weltbunds zum Schutz des Lebens – Bundesverband Deutschland" (WSL-D). Dieser Verein beschäftigt sich vornehmlich mit einem völkischen Rassismus. Der WSL-D wird vom Verfassungsschutz NRW als rechtsextrem eingestuft.

Das ländlich gelegene Vereinshaus Collegium Humanum wird von unterschiedlichen Gruppierungen des rechten Randes als Seminar-, Schulungs- und Kultur-Veranstaltungsort genutzt. So spielte dort im März vergangenen Jahres der Gütersloher Musiker "Sleipnir", dessen CD "Mein bester Kamerad" 1998 wegen volksverhetzenden Inhalts beschlagnahmt wurde. Anschließend trat die schottische Band "Nemisis" auf. Deren Sänger ist Herausgeber des schottischen "Blood & Honour"- Magazins. Die Nazirock-Organisation Blood & Honour wurde in Deutschland im Jahr 2000 verboten.

Im Collegium gehen auch die so genannten "Neuen Rechten" ein und aus. Im August 2001 verbreiteten laut gesicherten Informationen mehr als ein Dutzend Referenten unter anderem aus Frankreich, Belgien, der Schweiz und Deutschland ihre Denkansätze während eines "Sommerseminars".

Der ehemalige Leiter des Bielefelder Staatsschutzes, Ulrich Ettler, nannte diese intellektuellen Rechtsideologen "gefährlicher als Skinheads", da sie leichter andere Menschen verführen könnten. Dafür sind sie da. Im Collegium Humanum, der Nazi-Kaderschmiede, bekommt der Rechtsextremist sein ideologisches und geistiges Rüstzeug für den angestrebten "Endsieg".

02./03.02.2002
redaktion@neue-westfaelische.de

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