Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock ,
06.03.2005 :
60. Jahrestag der Befreiung / Internationale Gedenkveranstaltung am 2. April 2005 um 16.00 Uhr auf dem Friedhof
Eine Veranstaltung vom Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock und dem Vorbereitungskreis des jährlichen Antifa-Workcamps in Zusammenarbeit mit dem DGB Bielefeld
Am 2. April 1945 wurden die Gefangenen des Kriegsgefangenlagers Stalag 326-VK/K endlich befreit. Diesen Tag wollen wir gemeinsam mit den Überlebenden am 02.04.2005 um 16.00 Uhr feiern.
Die Gedenkrede hält Dr. Anatoli Popow, ehemaliger Botschaftsrat der UdSSR in Bonn und Mitarbeiter des Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock.
Anschließend gibt einige persönliche Worte von Dimitr Orlow, ehemaliger Gefangener und Teilnehmer der Befreiung des Lagers am 2. April. Er gehört auch zu den Erbauern des Denkmals, das bereits am 2. Mai 1945 eingeweiht wurde. Wie auch die anderen Überlebenen möchte er gerne an diesem Denkmal die ursprüngliche rote Fahne wieder sehen. Mal sehen, ob das was wird ...
Während der Veranstaltung werden über Videobeamer kurze Videoausschnitte und Bilder der Befreiung zu sehen sein. Diese wurde von der US-Armee am Tag der Befreiung am 02.04.1945 gefilmt.
Nach der Gedenkveranstaltung gibt es noch die Möglicheit, im Seminarraum der Gedenkstätte auf dem Gelände der Polizeischule mit den Überlebenden über ihre persönlichen Erfahrungen zu sprechen. Das wird eine der letzten Gelegenheiten überhaupt sein, mit den Zeitzeugen über ihre Erfahrungen in deutscher Gefangenschaft zu sprechen.
Es fährt ein kostenloser Bus um 14.30 Uhr beim DGB, Marktstraße 10 in Bielefeld. Anmeldung unter bielefeld@dgb.de oder 0521 - 964080. Abfahrt in Stukenbrock gegen 18.00 Uhr.
Wer am 2. April keine Zeit hat aber trotzdem gerne etwas von den Zeitzeugen erfahren möchte, kann am 07.04. zu unserer Veranstaltung in der Bürgerwache am Bielefeld Siegfriedplatz kommen. Um 19.30 Uhr wird Dimitr Orlow etwas über das Lager erzählen und für eure Fragen zur Verfügung stehen.
An dieser Stelle distanzieren wir uns ausdrücklich von der sogenannten zentralen Gedenkfeier der Dokumentationsstätte und des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge am 1. April. Kein Vergeben, kein Vergessen! Deutsche Täter sind keine Opfer!
Unsere Pressemitteilung:
"8.610 vor Hunger wahnsinnig gewordene Gefangene, wie Tiere in Dreck und Elend gehalten", berichtete der US-Kriegsberichterstatter John Mecklin, als er zusammen mit der US-Armee am 2. April 1945 im Stalag 326 in Stukenbrock eintraf. 65.000 Gefangene hatten das Lager seit 1941 nicht überlebt, ihre Körper wurden auf dem heutigen Sowjetischen Soldatenfriedhof in 36 Massengräbern verscharrt. 60 Jahre Befreiung von Stukenbrock – zusammen mit den letzten drei Überlebenden des Lagers soll es am Samstag, 2. April, um 16 Uhr eine Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof geben. Veranstaltet wird diese vom Antifaschistischen Kreisplenum Gütersloh und dem Arbeitskreis "Blumen für Stukenbrock".
Als die US-Amerikanischen Panzer am 2. April 1945 auf das Lager zu rollten, entwaffneten sowjetische Lagerinsassen die deutschen Wachmannschaften. Bis zum endgültigen Kriegsende am 8. Mai blieben die ehemaligen Gefangenen in Stukenbrock, wo sie ihre ermordeten Kameraden und Genossen begruben und den Friedhof anlegten. Sie errichteten ein zehn Meter hohes Denkmal und fertigten Granittafeln mit Inschriften an. Der Friedhof ist einer der größten seiner Art in Deutschland. In den Jahren 1960 bis 1963 wurden auf diesem Friedhof fast alle bis dahin verstreut im Regierungsbezirk Detmold begrabenen sowjetischen Kriegstoten in 788 Einzelgräbern zugebettet. Insgesamt sind die Namen von 666 Toten bekannt. Interessant ist, dass der Friedhof und das Lager von Stukenbrock lange unbekannt waren, erst 1967 wurde er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Noch heute sucht man den Namen Stukenbrock und die dort begangenen Verbrechen vergeblich in den Schulbüchern. Auch Entschädigungen für die haben die ehemaligen Häftlinge nie erhalten.
60 Jahre nach der Befreiung warnen das Antifaschistische Kreisplenum Gütersloh und der Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock vor dem Vergessen, das Stalag 326 soll stets eine Mahnung sein an alle Menschen, sich immer daran zu erinnern, welche Verbrechen in der Zeit von 1933 bis 1945 von Deutschen begangen wurden. Die internationale Gedenkveranstaltung, die am Tag der Befreiung, am Samstag, 2. April, auf dem Friedhof stattfindet steht ganz im Zeichen der letzten Überlebenden. Die Gedenkrede hält Dr. Anatoli Popow, ehemaliger Botschaftsrat der UdSSR in Bonn und Mitarbeiter des Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock. Einige persönliche Worte gibt es dann von Dimitr Orlow, ehemaliger Gefangener und Teilnehmer der Befreiung des Lagers am 2. April. Er gehört auch zu den Erbauern des Denkmals, das bereits am 2. Mai 1945 eingeweiht wurde. Sein Wunsch besteht darin, dass bis zur Feierstunde das Denkmal durch die Behörden unseres Landes wieder so hergestellt wird, wie sie es nach ihrer Rückkehr in die Heimat hinterlassen haben. Die Überlebenden hatten auf den Obelisken eine rote Fahne aus Glasplastik gesetzt, als Staatssymbol der UdSSR. Während des kalten Krieges wurde die jedoch auf Anordnung der Landesregierung durch ein orthodoxes Kreuz ersetzt. Bis heute ist die Forderung der Überlebenden tabu, die rote Fahne wieder zu errichten.
Fotos aus dem Lager und Szenen der originalen Befreiung, gefilmt von einem Berichterstatter der US-Armee werden während der Gedenkfeier gezeigt. Danach gibt es die Möglichkeit, mit den ehemaligen Gefangenen des Lagers zu sprechen.
Kritik äußert die Vorbereitungsgruppe an der Veranstaltung der Gedenkstätte, auf dem Gelände der Polizeischule. Hier ist vom 31. März bis zum 1. April eine Tagung geplant, am 1. April soll es ebenfalls eine Gedenkveranstaltung geben. Überschrieben ist die Tagung mit "Gefangenschaft und Heimkehr sowjetischer und deutscher Kriegsgefangener". Diese Gleichsetzung von deutschen und sowjetischen Opfern ist jedoch gefährlich, sie verharmlost die Verbrechen des Faschismus und entlastet die deutschen Täter und Täterinnen.
Weitere Informationen über das Lager:
Im Juli 1941 brachten deutsche Offiziere mehr als 7.000 sowjetische Kriegsgefangene nach Stukenbrock, dort mussten sie das Lager aufbauen. Anfangs schliefen sie unter freiem Himmel oder in selbstgebauten Erdhöhlen und hatten nur Laub und Rinde von den Bäumen zu essen. Ausgelegt für 100.000 Menschen gingen bis 1945 etwa 300.000 Menschen durch das Arbeitslager. Das Stalag 326 war einerseits Durchgangslager für den Einsatz in Stahlwerken und im Ruhrbergbau, andererseits versorgte es den Regierungsbezirk Minden und das Land Lippe mit Arbeitskräften. Der ehemalige russische Offizier Viktor Michailowitsch Asarow erzählte von seinen Monaten, die er in Stukenbrock verbrachte und als die schlimmsten seines Lebens in Erinnerung hat: "Bei der Verteidigung von Sewastopol war ich in Gefangenschaft geraten. Als Offizier wurde ich durch viele KZ geschleppt. Ich habe viele Gräueltaten erlebt, aber das Stukenbrocker Lager ist mir als ganz besonders grausam in Erinnerung. ( … ) Rechtlosigkeit der sowjetischen Gefangenen, unerträgliche Bedingungen, Hunger, Kälte, die schlechtesten sanitären Umstände, die man sich denken kann, Erschießungen, das völlige Fehlen von Rechten und Regelungen in moralischer Hinsicht oder das stundenlange Stehen auf dem Appellplatz. ( … ) Das Essen bestand aus Steckrüben, ein Viertel davon war Sand, von dem es in dem Lager genug gab. Selbstverständlich konnte es ein Mensch nicht lange aushalten, der zwei oder drei Wochen dieses Essen bekam. Aber die SS schoss auch auf Gefangene, die nach Gras suchten oder nach etwas anderem Essbaren und dabei in die Nähe des Stacheldrahtes kamen.“ Menschen aus verschiedenen Ländern wie der Sowjetunion, Polen, Jugoslawien, Italien und Frankreich kamen als Kriegsgefangene nach Stukenbrock und 65.000 kamen durch Krankheit, Misshandlung und die schwere Zwangsarbeit ums Leben.
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