Helmut Brinkmann ,
17.03.2005 :
72 Jahre nach dem Beginn der Katastrophe: Der Aufschwung der NPD in der sich entsolidarisierenden Berliner Republik
Erstaunliches konnten interessierte Beobachter am 60sten Jahrestag der Zerstörung Dresdens durch die Alliierten feststellen: in großer Eintracht und Schulter an Schulter bewegten sich bislang völlig zerstrittene "Größen" der extremen Rechten in der ersten Reihe des anachronistischen Demonstrationszuges. Unter ihnen sahen wir Gerhard Frey, Verleger der Deutschen Wochenzeitung und Finanzier der Deutschen Volksunion (DVU), Franz Schönhuber, ehemaliger Chef der Republikaner (REP) und Holger Apfel, Fraktionschef der NPD im sächsischen Landtag). Zusammen mit diesen Vorderleuten bewegten sich ca. 7.000 Neonazis, Faschisten, Deutschnationale, oder wie immer sich die extreme Rechte nennen mag, durch die ostdeutsche Metropole. Der hier demonstrierte Schulterschluss war keine Tagesfliege. Im Gegenteil, immer stärker spricht sich die Szene ab und organisiert sich gemeinsam. Dabei kann eine Partei sich als Führungsorganisation festigen: die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Im Folgenden soll kurz dargestellt werden, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Dazu ein Blick in die Geschichte der NPD.
Von der DRP zur NPD
In Jahren direkt nach 1945 waren Postfaschisten in unterschiedlichen Parteien aktiv. Im Wesentlichen waren dies die Deutsche Gemeinschaft (DG), die Deutsche Reichspartei (DRP) und die Sozialistische Reichspartei (SRP). Übrigens hatte auch die Freie Demokratische Partei (FDP) damals einen starken Block rechtsextremer Parteimitglieder. Da die SRP relativ offen nationalsozialistisches Gedankengut vertrat, wurde sie 1952 verboten. Verschiedene Führer tauchten dann in anderen Organisationen wieder auf. Allgemein gelang es jedoch der Nachkriegsdemokratie, breiteste Bevölkerungsteile in den demokratischen (und wirtschaftlichen) Aufbau zu integrieren. Ab 1966 jedoch, in einer volkswirtschaftlich depressiven Phase, konnte die einige Jahre zuvor gegründete NPD (erster Vorsitzender von Thadden) in sieben Landtage einziehen. Nur knapp scheiterte sie an der 5% Hürde bei den Bundestagswahlen 1969 (4,3%). Hauptthema jener Jahre war auf der einen Seite die konsequente Bekämpfung der Ostpolitik der sozialliberalen Koalition. Dazu betrieb die Partei eine vehemente Kritik an der Studentenbewegung in jenen Jahren. Dies bescherte der NPD 1969 1,42 Millionen WählerInnen. Trotz dieses Eindringens in eigentlich konservative Wählerschichten begann ab 1970 ein stetiger Zerfallsprozess der Partei, der sich in radikalem Mitgliederschwund und Verlust der Landtagsmandate niederschlug.
Der "zweite Frühling"
Bis 1989, eigentlich bis 2000 dümpelte die NPD mit mageren Wahlergebnissen dahin. Ihren "zweiten Frühling" erlebt die Partei erst richtig in diesen Tagen, auch wenn mit Armin Pfahl-Traughber ein namhafter Beobachter diesen ab 1996 datiert, mit der Ernennung von Udo Voigt zum neuen Parteivorsitzenden. Mit ihm hat sich zwar die Zahl der Mitglieder konsolidiert, richtig aufwärts geht es jedoch meines Erachtens erst seit diesem Jahrtausend. Die NPD hat es geschafft, vor allem im Osten als Partei der Opposition gegen Sozialabbau wahrgenommen zu werden. Artikel diesbezüglich in ihren Zeitungen oder auf ihrer Website könnten genauso auch von linken KritikerInnen des Hartz IV-Gesetzes oder der Gesundheitsreform stammen. Sozialstrukturell setzt sich die aktive Mitgliedschaft in der NPD wie folgt zusammen: neben verarmten KleinbürgerInnen sind Facharbeiter überproportional in der NPD vertreten. Im Umfeld hat es die Partei geschafft, attraktiv für Teile der rechten Skinhead-Szene und für gewaltbereite Neonazis zu sein, speziell durch die Jugendorganisation, die "Jungen Nationaldemokraten" (JN). Die besondere Gefährlichkeit der NPD resultiert daraus, dass sie es wie keine andere rechtsextreme Partei oder Gruppierung schafft, einen angeblich normalen Neonazismus mit der Thematisierung nationalsozialistischer Politikangeboten zu verbinden. Trotz der offenen Rückbeziehung auf den deutschen Faschismus bis 1945 erreicht die Partei bekanntlich mit 9,8% der Stimmen bei den sächsischen Landtagswahlen ein besseres Ergebnis als die dortige SPD. Thematisch setzte die Partei auch hier im Wahlkampf auf eine Kritik des Kapitalismus, sie kritisiert die eindeutig zu Lasten Deutschlands beantwortete Schuldfrage des 2. Weltkriegs, indem sie Opfer- und Täter-Verdrehung betreibt.
Zwei Kulturen der Entsolidarisierung
Verschiedene Autoren begreifen den Rechtsextremismus mit seinen Akteuren und Strukturen als eine Kultur der Entsolidarisierung. Die extreme Rechte fördert einen regelrechten Hass auf MigrantInnen, körperlich oder geistig/seelisch Andere und Menschen mit einer abweichenden sexuellen Orientierung. Da es momentan zu einem Aufschwung dieser Entsolidarisierung kommt, ist m.E. verknüpft mit eine zweiten, von den Eliten dieser Republik durchgesetzten Entsolidarisierung. Wo, um günstigere Beitragssätze zu ermöglichen, die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten bröckelt, wo, um Lohnnebenkosten zu senken, die Solidargemeinschaft der Arbeitenden mit den Arbeitslosen zerbröckelt, da wundert es nicht, wenn die extreme Rechte diese "geistige Situation" zum einen radikalisiert und zum Andren angeblich bekämpft. Es muss den radikaldemokratischen, den gewerkschaftlichen und kirchlichen Kräften ihrerseits gelingen, den Sozialdarwinismus der Zweidrittel- gegen die Eindrittel-Gesellschaft (so bezeichnete es Jürgen Habermas) in die Schranken zu weisen.
Obrigkeitsstaatliche Maßnahmen, wie sie in Verbotsanträgen zum Ausdruck kommen, scheinen mir ein eher Hilflosigkeit ausdrückendes Mittel zu sein. Es gilt, die NPD offensiv zu stellen in der politischen Auseinandersetzung. Dabei muss vor allem versucht werden, ihrer Kultur eine Kultur der Solidarität entgegen zu setzen.
|