Bielefelder Flüchtlingsrat ,
14.03.2005 :
Forderungen an die Nordrhein-Westfälische Landesregierung und die zuständigen Kommunen bezüglich der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes
Die Erfahrungen der letzten 2 Monate nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes lassen die Probleme und Verschlechterungen für Flüchtlinge deutlich werden. Neben unserer grundsätzlichen Kritik an der auf rigide Selektion und Abschottung ausgerichteten Intention des Zuwanderungsgesetz möchten wir deshalb hiermit konkrete Forderungen an die zuständigen Behörden in Nordrhein-Westfalen stellen. Wir fordern die Verantwortlichen eindringlich auf, die bestehenden Spielräume für eine humanitäre Auslegung des Gesetzes zu nutzen.
Eine wesentliche Kritik von Politikern und Fachleuten richtete sich gegen die sogenannten Kettenduldungen. Flüchtlinge wie z.B. die Minderheitenangehörigen aus Kosovo erhielten trotz der für sie bestehenden Bedrohung im Herkunftsland seit vielen Jahren nur Duldungen. Es wurde ihnen nicht nur jegliche Unterstützung zur Integration in diese Gesellschaft verweigert. Restriktionen wie die Residenzpflicht, jahreslanges Leben in Flüchtlingsheimen und die kaum zu erhaltende Arbeitserlaubnis haben "Geduldete" systematisch an den untersten Rand der Gesellschaft gedrückt. Aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis wurde und wird den hier aufgewachsenen "geduldeten" Jugendlichen nach der Schulzeit sowohl eine Ausbildung als auch die Arbeitaufnahme verwehrt.
- Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, müssen ein sicheres Aufenthaltsrecht erhalten.
- Die vorher angekündigten Möglichkeiten des § 25 (5) zur Abschaffung der sogenannten Kettenduldungen müssen genutzt werden!
Ungeachtet bestehender Gefahren und trotz gravierender politischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme im Herkunftsland wird unterstellt, dass eine freiwillige Ausreise - z.B. in den Kosovo, Irak und nach Afghanistan - möglich sei. Diese Unterstellung führt im neuen Zuwanderungsgesetz zu gravierenden aufenthaltsrechtlichen sowie sozial- und arbeitsrechtlichen Nachteilen und zum Teil sogar zu einschneidenden Verschlechterungen. Die allgemeine Gefahrenlage im Herkunftsland, die Dauer des Aufenthalts in Deutschland und die Integration in die bundesdeutsche Gesellschaft sind laut Erlass des Innenministeriums des Landes NRW vom 28.02.2005 für die Frage der Zumutbarkeit der "freiwilligen" Ausreise nicht relevant.
- Die Frage der Möglichkeit einer "freiwilligen" Rückkehr in das Herkunftsland muss die Verhältnisse dort und die Dauer des Aufenthalts in Deutschland angemessen berücksichtigen. Die Frage der Zumutbarkeit der Rückkehr darf allgemeine humanitäre Grundsätze nicht ignorieren.
Nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes sind die Ausländerbehörden für die Erteilung der Arbeitserlaubnis an AusländerInnen die entscheidende Instanz. Es zeichnet sich eine rigide Praxis und die Verhängung grundsätzlicher Arbeitsverbote ab. Schon die Vorrangprüfung, bei der geprüft wird, ob für den potentiellen Arbeitsplatz kein arbeitsloser Deutschen, EU-Ausländer und Ausländer mit Arbeitsberechtigung zur Verfügung steht, führt zum einem faktischen Ausschluss vom Arbeitsmarkt. Ausreisepflichtigen Personen wird aktuell sogar bei schon langjährig bestehendem Arbeitsverhältnis ein Arbeitsverbot erteilt, wobei ihnen unterstellt wird, sie verhinderten "mutwillig" ihre Abschiebung oder könnten "freiwillig" in ihr Herkunftsland zurückkehren.
- Asylsuchende und Menschen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, dürfen nicht per Gesetz von der Arbeitsaufnahme ausgeschlossen werden.
Vielen Flüchtlingen wird infolge eines Widerrufsverfahrens ihre Anerkennung als politische Verfolgte entzogen. Betroffen von Widerrufsverfahren sind derzeit insbesondere Flüchtlinge aus dem Irak, Afghanistan und Kosovo, da dort der ursprüngliche staatliche Verfolger beseitigt wurde. Flüchtlinge, die mit einem vermeintlich sicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland gelebt haben, sind plötzlich von einer vollziehbaren Ausreisepflicht, dem Druck zur "freiwilligen" Ausreise und Abschiebung bedroht. Zwar kann die Ausländerbehörde nach dem Entzug des Flüchtlingsstatus weiter eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Doch zeichnet sich die Tendenz ab, dass eher zu Lasten der Flüchtlinge entschieden und die Möglichkeiten eines von Flüchtlingsstatus unabhängigen Aufenthaltsrecht kaum genutzt werden. Es ist zu befürchten, dass nur wenige herausragend gut integrierte Personen die Chance auf eine Aufenthaltsperspektive erhalten.
- Die Ausländerbehörden sollten dazu angehalten werden, ihren Ermessensspielraum für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zugunsten der Menschen zu nutzen. Es ist dringend notwendig, dass die Landesregierung humanitäre Grundsätze als Leitlinie für die Entscheidungen der Behörden vorgibt.
Humanitäre Grundwerte dürfen nicht rein finanziellen und ökonomischen Interessen geopfert werden.
Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen haben die Möglichkeit nach 7 Jahren eine Niederlassungserlaubnis zu beantragen. Im Gesetz ist vorgegeben, dass dabei auch Duldungszeiten angerechnet werden können. Es soll jedoch nur ein kleiner Teil der Duldungen angerechnet werden. Dadurch werden Menschen, die viele Jahre z.B. wegen eines Krieges im Herkunftsland hier geduldet waren, aber keine Befugnis erhielten, erneut benachteiligt, obwohl der § 26 (4) ankündigte, erleichterte Bedingungen zu schaffen, um einen unbefristeten Titel zu erhalten.
- Wir fordern deshalb die Ausländerbehörden und die Landesregierung auf, bei den Anrechnungszeiten in § 26(4) alle Duldungszeiten anzurechnen, damit Menschen, die schon so viele Jahre hier leben, eine wirklich gesicherte Lebensperspektive entwickeln können.
Seit dem 01.01.2005 sind die Duldungspapier verändert und mit neuen Zusätzen versehen worden. So steht dort jetzt: "Kein Aufenthaltstitel!", "Der Inhaber/die Inhaberin genügt mit dieser Bescheinigung nicht der Pass- und Ausweispflicht." Mit diesem Papier, das den Flüchtlingen oft jahrelang als einziger Identitätsnachweis dient, haben viele enorme Probleme im Alltag, z.B. bei Ausweiskontrollen, der Eröffnung eines Bankkontos etc.
- Wir fordern deshalb die Ausländerbehörden und die Landesregierung auf, die negativ wirkenden Veränderungen und Zusätze im Duldungspapier zurückzunehmen. Sie dürfen nicht diskriminierend wirken und zu einer noch stärkeren gesellschaftlichen Ausgrenzung führen.
- Wir fordern alle Ausländerbehörden und die Landesregierung auf von der diskriminierenden Gutscheinpraxis eindeutig abzusehen. Menschen, die viele Jahre bei uns leben, nur Gutscheine und ein kleines Taschengeld zu geben, stellt eine erhebliche Verletzung der Menschenwürde und –rechte dar. Gutscheine dürfen kein Strafinstrument von Ausländerbehörden und Sozialämtern sein.
- Wir fordern alle Beteiligten auf, sich für eine wirkliche Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Flüchtlinge einzusetzen!
Ich unterstütze die Forderungen:
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