Deister- und Weserzeitung ,
15.03.2005 :
Serie 60 Jahre Kriegsende / Das letzte Aufgebot kam in Hameln nicht mehr zum Einsatz / Für den "Volkssturm" gab es kaum noch Männer und Material
Von Wolfhard F. Truchseß
Hameln. Als den Nazi-Ideologen nach der Niederlage von Stalingrad klar wurde, dass der deutsche Mehrfrontenkrieg trotz aller Durchhalteparolen mit einer Niederlage enden würde, ordnete Adolf Hitler am 18. Oktober 1944 mit einem "Führer-Erlass" die Bildung des "Volkssturms" an. Alle "waffenfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren" sollten zum letzten Aufgebot für die Verteidigung werden und den Vormarsch der bereits an den Grenzen Deutschlands angelangten Alliierten aufhalten.
Dem Volkssturm-Erlass vorausgegangen waren so genannte Wehrappelle, bei denen auch im Weserbergland der Gauleiter Lauterbacher versuchte, noch vorhandene kampfesfähige Männer zu finden und die Bevölkerung auf den von Joseph Goebbels ausgerufenen "totalen Krieg" einzuschwören. In Hameln fand dieser "Wehrappell" am 18. Juni 1944 im damaligen Hindenburg-Stadion statt, an dessen Stelle sich heute der Bürgergarten befindet.
Nur einen Tag nach Veröffentlichung des Volkssturm-Erlasses rief die NSDAP zu einer Großkundgebung in Hameln unter dem Motto "Lieber tot als Sklav!" auf. Gauleiter Lauterbacher proklamierte den "Gausturm" Südhannover-Braunschweig, dem auch die Rattenfängerstadt zugerechnet wurde. Dass es mit Ausbildung und Bewaffnung des von Bürgermeister Busching geführten Volkssturm-Bataillons nicht weit her war, stellte sich schnell heraus. Was großspurig als Tross- und Reitereinheit, als Pionier-Sturmbootkompanie, als Transportkolonne und Nachrichtenzug geführt wurde, hatte kaum funktionierende Gewehre zur Verfügung. Für die Ausrüstung sollte die Bevölkerung spenden. Dabei besaß sie selbst kaum noch Überflüssiges und hatte bei den Winterhilfssammlungen bereits abgeliefert, was zu entbehren war.
In Hameln kam diese bedauernswerte Truppe militärisch zur Abwehr der Amerikaner nicht zum Einsatz. Einige Volkssturmmänner sollen auf Industriegrundstücken Wache geschoben haben, andere lagen an Panzersperren oder gingen auf Patrouille durch die Stadt. Der eine oder andere Gruppenführer zeigte sich aber auch einsichtig und schickte seine Leute nach Hause. Ein Bataillon aber wurde Ende Januar 1945 noch zusammenbefohlen und an die Ostfront geschickt.
Kurz bevor die Amerikaner Hameln einnahmen, sammelten im Lipperland in den Dörfern um Lügde NS-Funktionäre noch 150 mehr Kinder als Jugendliche ein und schickten sie - immer zwei auf einem Fahrrad - am Nachmittag des Ostersonntag nach Hameln, "um sie vor dem Feind zu schützen", wie es damals hieß. Am Abend in Hameln angekommen, wurden sie dem Volkssturm zugeteilt - zur Überraschung der wenigen dort anwesenden älteren Herren. Aber der Spuk dauerte nur eine Nacht. Am Morgen wurden die jungen Leute wieder nach Hause geschickt.
Lesen Sie morgen: Der Bombenangriff vom 14. März 1945.
redaktion@dewezet.de
|