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Lippische Landes-Zeitung , 12.12.2003 :

Gericht pro Bleiberecht / Der Fall Muhsin Sit

Detmold/Münster. Anfang Dezember hat das Oberverwaltungsgericht in Münster die Bundesrepublik Deutschland dazu verurteilt, Muhsin Sit die Stellung eines Flüchtlings gemäß Ausländergesetz ("Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter") zu gewähren. Das teilte jetzt ein Sprecher des Internationalen Beratungszentrums (ibz) in Detmold mit.

Da keiner der übrigen Verfahrensbeteiligten beabsichtige, einen Antrag auf Zulassung der Revision zu stellen, sei davon auszugehen, dass das Urteil rechtskräftig werde. Das OVG habe es in der mündlichen Verhandlung als erwiesen angesehen, das Sit in der Türkei politisch verfolgt und mehrfach schwer gefoltert wurde. Weil aus Sicht des Senats bei einer Rückkehr in die Heimat eine erneute politische Verfolgung wahrscheinlich sei, habe das OVG ein uneingeschränktes Bleiberecht für den zehnfachen Familienvater aus Lippe bejaht - und damit auch für seine Angehörigen.

Ein Gutachter analysierte: "Die im Heimatland erlittene Gewalt-und Foltererfahrungen verursachten bei Herrn Sit eine 'Posttraumatische Belastungsstörung' mit begleitender Suizidgefährdung." Das ist das Ergebnis eines psychologischen Gutachtens, welches das Gericht in Auftrag gegeben hatte. Es bestätigte abschließend alle vorhergehenden ärztlichen Bescheinigungen, die der Stadt Detmold zuvor vorgelegt worden waren.

Aus der Sicht des ibz hatte die Stadt Detmold sich bei der Behandlung der Familie Sit im vergangenen Jahr ein moralisches Armutszeugnis ausgestellt (die LZ berichtete). Das ibz erinnert in diesem Zusammenhang an die Vorführung des Ehepaares beim Türkischen Konsulat im Münster im Mai vergangenen Jahres. Mitarbeiter Diether Kuhlmann: "Trotz fachärztlicher Bescheinigung einer konkreten Suizidgefährdung hielt die Ausländerbehörde an der Vorführung fest, in deren Folge Herr Sit einen Selbstmordversuch unternahm. Diesen überlebte er nur dank einer rechtzeitigen Einlieferung in eine Klinik." Das ibz fordert als Mindestkonsequenz aus dem OVG-Urteil" die Stadt auf, sicherzustellen, "dass in Detmold nie wieder ein Asylsuchender gegen eindeutigen fachärztlichen Befund zu einer Botschaftvorführung gezwungen wird".


Detmold@lz-online.de

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