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Die Glocke , 14.03.2005 :

14. März 1945 / Krieg rückt erschreckend näher

Von Doris Pieper

Gütersloh (gl). Es ist der Anfang vom Ende gewesen, das Ende des Zweiten Weltkrieges für Gütersloh und Umgebung: Am 14. März 1945 bombardierten Flieger der 8. US-Luftflotte die Dalkestadt. Vorrangig die Eisenbahnlinie war ihr Ziel. Doch tausende von Spreng- und Brandbomben richteten auch in der Umgebung schwere Schäden an. Der Bahnhof, die Post, die untere Berliner Straße, die Eickhoffstraße und die Blessenstätte wurden zerstört. 65 Tote waren die traurige Bilanz.

60 Jahre ist das heute her. Trotzdem werden sich viele Gütersloher noch daran erinnern, mehr oder minder genau, wie auch an die folgenden Tage in dem damals "wunderbar sonnigen März", wie ein Zeitzeuge zu berichten weiß. Ein Frühling voller Bangen um die Zukunft - und dem Willen zu Überleben - ging dem Einmarsch der Amerikaner zu Ostern, am 1. April, voran. "Die Glocke" veröffentlicht in den kommenden drei Wochen als Rubrik ein "Kriegstagebuch", in dem offizielle Verlautbarungen auf ganz persönliche Erinnerungen treffen. Das Material dazu stammt aus Archiven, Büchern, Aufsätzen oder Zeitungsartikeln und auch aus Interviews mit Güterslohern. Ingrid Böcker, Lucie Göhlsdorf und Hagen Kraak sind dabei die Ersten, die zu Wort kommen. Gespräche sind nur eine Möglichkeit, sich der Geschichte über persönliche Geschichten zu nähern. Wer davon mehr hören möchte, der sei auf ein Erzählforum mit Zeitzeugen hingewiesen, das der Heimatverein am 22. April im Gütersloher Stadtmuseum organisiert.

Geschichte auch für nachfolgende Generationen interessant und lehrreich zu machen, ist indes Aufgabe der Schulen. Das Evangelisch Stiftische Gymnasium zeigt einmal mehr, wie man es machen kann. Schon vor zehn Jahren, zum 50. Jahrestag des Kriegsendes, haben drei damalige Altschüler eine bis heute bemerkenswerte Sammlung an Berichten, Dokumenten und Bildern herausgegeben, die unter dem Titel "Gütersloh 1945" Bestand hat. Der derzeitige Geschichtsleistungskursus unter der Leitung von Lambert Austermann ist dabei, eine neue Ausstellung zum Kriegsende in der Dalkestadt zusammenzustellen. Die 21 Schüler recherchieren dafür im Stadtarchiv und -museum. Nutzen aber auch neue Medien wie den Videofilm, um Aussagen von Zeitzeugen authentisch zu dokumentieren.

Die direkte Auseinandersetzung mit der Kriegsgeneration beeindruckt. "Alles rückt erschreckend näher", sagen Hanna Roggenkamp und Lucia Schönwald übereinstimmend. Tod und Zerstörung haben plötzlich einen Namen, sind einer bekannten Familie oder einer Straße, durch die man oft genug geht, zuzuordnen. Die fertigen Filmsequenzen werden im schuleigenen Studio von den Schülern selbst geschnitten und sollen Teil der Ausstellung in der Mediothek werden. Dazu sammeln die Schüler weitere Exponate: Lebensmittelmarken, Wehrpässe, die übrig gebliebenen Holzskulpturen aus der von Bomben zerstörten Aula des alten Gymnasiums. Wer etwas dazu beisteuern kann, sollte sich im Evangelisch Stiftischen Gymnasium melden. Auch Bilder und Objekte, die im Kunstunterricht erarbeitet werden, sollen in die Schau einfließen. Zudem nehmen Schüler Kontakt zum Städtischen Musikverein auf, der am zweiten Mai-Wochenende Benjamin Brittens "War Requiem" aufführt. Es gibt eben viele Möglichkeiten, sich mit dem Thema Krieg und Frieden auseinanderzusetzen.


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