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Neue Westfälische , 17.07.1993 :

Bielefeld erhielt dicke Rechnung aus Düsseldorf / Probleme mit der Arbeitserlaubnis / Duldung oder Befugnis - das ist die Frage / Land Nordrhein-Westfalen fordert Geld für Kriegsflüchtlinge zurück

Bielefeld (Kle). Die Hilfsbereitschaft seiner deutschen und ausländischen Bürgern gegenüber Kriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien kann für Bielefeld teuer werden. Ein Teil der Menschen bezieht von der Stadt laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Das Land will jedoch nur dann 50 Prozent der Kosten zurückerstatten, wenn die Flüchtlinge vor dem 23. Mai 1992 eingereist sind. Bei allen Sozialhilfebedürftigen, die nach diesem Stichtag gekommen sind, soll Bielefeld allein zahlen.

In Bielefeld leben nach Auskunft von Herbert Ellerbeck, Leiter der Ausländerabteilung, zur Zeit rund 1.100 Flüchtlinge aus dem zerfallenden Balkanstaat: überwiegend aus Bosnien und Kroatien. 768 kamen nach dem Stichtag 23. Mai 1992. Bis auf etwa drei Dutzend Kontigentflüchtlinge aus den Anfangszeiten der kriegerischen Auseinandersetzung sind die meisten von Verwandten oder Freunden nach Bielefeld geholt worden. Die glaubten, der Aufenthalt werde nicht lange fauern, der Waffengang in Ex-Jugoslawien bald vorbei sein.

Das erwies sich als Trugschluss. Die Enge in vielen Wohnungen erwies sich als Problem. Das nötige Geld, um über Monate mehrere Personen zusätzlich durchzubringen, hatten nur wenige der Gastgeber. Die Stadt musste einspringen: mit Unterkünften in Heimen und mit Sozialhilfe.

Ihre finanzielle Unterstützung rechnete sie bisher - ohne Rücksicht auf das Einreisedatum - mit dem Land ab. Das machte nun die Gegenrechnung auf. Die Kommune soll einige hunderttausend Mark zurückerstatten: für 280 "Sozialhilfefälle", etwa 500 bis 600 Männer, Frauen und Kinder.

Duldung nur für sechs Monate

Doch damit der Probleme nicht genug. Bisher dürfen Kriegsflüchtlinge arbeiten - und so mancher hat auch einen Job gefunden. Das Arbeitsamt muss ihnen, wenn sie eine "Duldung" des Ausländeramtes vorweisen, eine Arbeitserlaubnis erteilen.

Die Duldung, die maximal für sechs Monate ausgestellt wird, gilt - so Herbert Ellerbeck - nur für Nordrhein-Westfalen. Die Menschen dürfen nicht in andere Bundesländer fahren. Darum sähen die Vorschriften vor, jenen, die ihren Unterhalt selbst verdienten und keinen Heimplatz benötigten, eine "Aufenthaltsbefugnis" zu erteilen, die ihnen wesentlich mehr Mobilität ermögliche.

Nun hat sich aber gezeigt, dass diese Verbesserung des Aufenthaltsstatus sofort das Arbeitsamt auf den Plan ruft. Es darf, wie von der Arbeitsverwaltung bestätigt wurde, Ausländern mit Aufenthaltsbefugnis nur noch in Ausnahmefälle eine Arbeitserlaubnis erteilen. Für "Befugte" gilt plötzlich, dass sie nur Stellen besetzen dürfen, für die kein Deutscher, kein EG-Ausländer und auch kein anderer durch langen Aufenthalt in Deutschland bevorrechtigter Ausländer gefunden wird.

Die Vorschriften, nach denen sich das Arbeitsamt laut Pressestelle richten muss, gehen sogar so weit, dass Menschen, die als Geduldete einen Job gefunden haben, diesen als Befugte wieder aufgeben müssen. Ihre Arbeitserlaubnis, die ebenfalls höchstens für sechs Monate gilt, kann nicht verlängert werden.

Zur Zeit ist es - so Herbert Ellerbeck - noch möglich, auf die Erteilung der Befugnis zu verzichten. Die Betroffenen sind zwar in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, dürfen aber arbeiten. Der in Bonn von den Parteien ausgehandelte Kompromiss zum Asylrecht, der ab Herbst gelten soll, sieht jedoch vor, allen Kriegsflüchtlingen automatisch die Duldung zuzugestehen.

Mit Befugnis keine Arbeit

Für die meisten bedeutet dies, dass sie dann nicht oder nicht mehr arbeiten dürfen. Stellen, die sonst niemand will, sind in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit rar. Das Ergebnis wird sein, dass immer mehr Flüchtlinge auf die Sozialhilfe angewiesen sind. Die wiederum soll die Stadt Bielefeld für alle aufbringen, die nach dem 23. Mai 1992 aus Ex-Jugoslawien geflüchtet sind.

17./18.07.1993
redaktion@neue-westfaelische.de

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