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Herforder Kreisanzeiger / Neue Westfälische , 12.03.2005 :

40 Jahre in Brüderlichkeit / Christlich-jüdische Begegnungen seit 1965

Von Hartmut Braun

Herford. Ein Realschullehrer organisierte vor 40 Jahren mit Vertretern der beiden großen christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde die erste "Woche der Brüderlichkeit" in Herford. Seitdem gehören Begegnungen von Juden und Christen fest zum geistigen Leben dieser Stadt. In diesem Jahr wird ein kleines Jubiläum gefeiert, mit einem Gastspiel von Dorothee Reingardt und Joseph Dorfman am 17. März.

Der Realschullehrer hieß Ewerbeck. Unterstützt wurde er von dem protestantischen Pfarrer Richter, dem katholischen Dechanten Jüngst sowie von Hermann Heinemann und Jakob Butter, die nach Krieg und Holocaust die jüdische Gemeinde in Herford wieder aufgebaut hatten. Ein kraftvoller Förderer war der Neustädter Pfarrer und spätere Superintendent Helmut Gaffron.

Es begann 1965 mit einer Schülerveranstaltung im Stadttheater. Landesrabbiner Emil Davidovic kam aus Dortmund, Jeannette Wolf vom Zentralrat der Juden aus Berlin. Je ein katholischer und evangelischer Theologe.

Doch die Veranstaltung lief nicht so, wie die Veranstalter es sich gewünscht hatten. Ewerbeck entschuldigte sich später schriftlich bei den Referenten für das Verhalten einzelner Schüler an diesem Vormittag.

Abends gab es ein Podiumsgespräch im kleinen Saal des Schützenhofs. Oberbürgermeister Dr. Schober hielt einen Vortrag über die Herforder Juden.

Von da an hatte auch Herford, wie 80 andere deutsche Städte, eine Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. In jedem Jahr wird seither die Woche der Brüderlichkeit gefeiert, mit theologischen Debatten, politischen Erörterungen, aber auch mit Theater und Musik.

1976 übernahm der gerade aus Hamburg gekommene neue Stiftberger Pfarrer Wolfgang Otto die Federführung. Zum Treffpunkt der Gesellschaft wurde jetzt das Ernst-Lohmeyer-Haus, das Gemeindehaus auf dem Stiftberg.

Namensgeber Lohmeyer, der von Nazis und Kommunisten Verfolgte, hatte die Christen im Dritten Reich bereits 1933 aufgerufen, den Juden zur Seite zu stehen - vergeblich. "Weder in der Barmer Erklärung noch im Stuttgarter Schuldbekenntnis werden die Juden erwähnt", stellt Otto fest.

Aus dieser Erkenntnis heraus streitet er für ein besonderes Verhältnis von Christen und Juden. Das Christus-Wort "Niemand kommt zum Vater denn durch mich" bedarf nach seiner Überzeugung der Ergänzung, "außer denen, die schon beim Vater sind", das sind die Juden.

Diese Überlegung war und ist unter Theologen hoch umstritten. Und doch wird sie nun, im 40. Jahr von in Herford gelebter Brüderlichkeit von Juden und Christen, Teil der Kirchenordnung der evangelischen Kirche von Westfalen.

Die Herforder Synode stimmte letzte Woche mit deutlicher Mehrheit für einen Satz, in dem es um "Vertrauen auf den dreieinigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, der Israel zu seinem Volk erwählt hat und ihm die Treue hält, der in Jesus, dem Juden, dem gekreuzigten und auferstandenen Christen, Menschen zu sich ruft." Otto: "Über die Formulierung Jesus, der Jude, hat es auf der Synode noch einmal eine Diskussion gegeben."

Die 40. Woche der Brüderlichkeit wird am kommenden Donnerstag, 17. März, 19.30 Uhr, im Ernst-Lohmeyer-Haus mit Jüdischer Vokalmusik des 20. Jahrhunderts und chassidischen Erzählungen von Martin Buber gefeiert. Es gastieren der in aller Welt bekannte und vielfach ausgezeichnete Komponist und Pianist Joseph Dorfman (Tel Aviv) mit der Sängerin Dorothee Reingardt, die auch die Buber-Texte liest.

12./13.03.2005
lok-red.herford@neue-westfaelische.de

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