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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 12.03.2005 :

Zeitzeugen gesucht / Gütersloh nach der Stunde Null vor 60 Jahren / Erinnerungen an den Wiederaufbau

Gütersloh (raho). Die Stunde Null schlug in Gütersloh am Ostermontag vor 60 Jahren, es war der 2. April 1945, gegen 17 Uhr. Kurz zuvor hatte sich Pastor Paul Gronemeyer auf Geheiß von Bürgermeister Josef Bauer mit dem Fahrrad Richtung Wasserturm Wiedenbrück aufgemacht, um den bereits bis hier vorgerückten amerikanischen Truppen die bedingungslose Übergabe der Stadt Gütersloh anzubieten. Wenig später marschierten Soldaten der 9. US-Armee Richtung Rathaus. Somit begann die Nachkriegszeit in Gütersloh gleichsam fünf Wochen vor der offiziellen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8./9. Mai.

Die Lokalredaktion nimmt den Jahrestag des Kriegsendes zum Anlass, Zeitzeugen zu Wort kommen zu lassen. Anders als vor zehn Jahren, als persönliche Kriegserlebnisse unserer Leserinnen und Leser im Mittelpunkt standen, sollen in den kommenden Wochen Schilderungen der Zeit des Wiederaufbaus in Stadt und Kreis Gütersloh stehen.

Die Stadt Gütersloh war im Zweiten Weltkrieg nach Bielefeld und Paderborn die am meisten zerstörte Stadt Ostwestfalens. Bei den schweren Luftangriffen zwischen November 1944 und Ende März 1955 wurden 2.700 Gebäude beschädigt. 40 Prozent aller Wohnungen waren unbrauchbar.

Und es hätte noch viel schlimmer kommen können: Die Amerikaner hatten Ostern 1945 bereits Artillerie in Stellung gegen die Stadt gebracht. Es drohte die Bombardierung. Deshalb bemühten sich der Bürgermeister und andere Verantwortliche, die Wehrmacht unter Befehl des Kampfkommandanten Oberst Kröhl zum Abrücken zu bewegen. Zunächst ohne Erfolg. Doch Ostermontag zog sie sich vermutlich auf Befehl der Militärführung zurück, um den Gebirgsabschnitt zwischen Halle und Werther zu verteidigen. Damit löste sich zugleich der Volkssturm auf. Die Amerikaner konnten kampflos vorrücken.

Freilich geht es auch um den politischen Neuanfang. Die britische Militärregierung, die am 6. Juni die Amtsgeschäfte von den Amerikanern übernahm, ernannte Paul Thöne erneut zum Bürgermeister, nachdem er zuvor vom amerikanischen Stadtkommandanten Ohlsen zunächst ein-, dann abgesetzt worden war.

In der konstituierenden Sitzung des Stadtverordnetenkollegiums am 20. November 1945 sprach Thöne die schwierigen Bedingungen für die Neuordnung des öffentlichen Lebens an - die Existenz- und Berufslosigkeit von Tausenden, die Zerstörung von so vielen Wohn- und Arbeitsstätten, die sehr hohen Anforderungen für die Wiedergutmachung und die Besatzung. "Aber diese erschwerten Umstände werden uns auch schneller lehren, was bisher dem Deutschen gar zu sehr gefehlt hat: sich bei der politischen Zielsetzung und bei der Wahl der Mittel in der Variationsbreite des psychologisch Tragbaren und des praktisch Möglichen zu halten", so Thöne.

Ein Jahr später wurden Wahlen zum Gemeinde- und Kreistag abgehalten. Es waren die ersten freien Wahlen seit 1932.

Weitere Aspekte, die die Lokalredaktion mit Hilfe sich erinnernder Leserinnen und Leser aufgreifen möchte, sind beispielsweise:

- Die schlechte Versorgungslage, vor allem bei den Lebensmitteln und Brennstoffen.

- Der beginnende wirtschaftlliche Wiederaufbau. Firmen, die den Betrieb und Menschen, die die Arbeit wieder aufnehmen.

- Das Wohnungsproblem. Nicht nur dass viele Häuser zerstört waren, auch beschlagnahmten die Briten zahlreiche Gebäude. Überdies kamen viele Vertriebene aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße.

12./13.03.2005
lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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