Warburger Zeitung / Neue Westfälische ,
11.03.2005 :
"Menschenwürde für beide Seiten" / Hardehausener Gespräch: Sumaya Farhat-Naser ist Friedensagentin für den Nahen Osten
Von Sandra Wamers
Hardehausen. Prof. Dr. Sumaya Farhat-Naser ist eine resolute Frau, deren Präsenz die Menschen zum Aufhorchen zwingt. Und was die 57-jährige Palästinenserin ihren Mitmenschen zu sagen hat, lässt Hoffnung aufkeimen: "Ich bin eine Friedensagentin", zementierte Farhat-Naser am Mittwochabend während des 98. Hardehausener Gesprächs ihre Lebensaufgabe. Aber angesichts ihres eigenen Lebens und das ihrer Mitbürger versagte ihr in manchen Momenten die Stimme, was der Aufmerksamkeit kein Abbruch tat - das Publikum war gefesselt, auch von den tonlosen Worten.
Denn oft können Mimik und Gestik mehr transportieren als die realitätsnahe wortreiche Schilderung eines "ummauerten" Lebens. Jedoch war Farhat-Naser nicht gekommen, um zu schockieren, sondern um über "Naher Osten - neue Hoffnung", so das Thema des Abends, zu sprechen.
Und für die ehemalige Dozentin für Botanik und Ökologie wird die Hoffnung zuletzt sterben, zumal sie als Botschafterin des Friedens auf die Jugend setzt, auf "die junge Generation, die weder korrupt noch verhärtet ist" , unterstrich sie ihren Ansatz und benannte ihren missionarischen Auftrag: "Wie lerne ich, Friedensagentin zu werden?"
Und nach Frieden schreie ihr Land Palästina genauso wie Israel, denn "auch dort sind die Menschen kaputt. Vor allem die Jungen sind gebrochen". Es ist diese Art von Empathie, die es Farhat-Naser ermöglicht, für ihre Vision einzutreten und an ihr festzuhalten. So vermag sie es, die Spirale der Gewalt auszuhebeln - und braucht nicht länger in Schuldzuweisungen zu erstarren: "Ich fordere Menschenwürde, Recht, Sicherheit und Frieden - für beide Seiten", postulierte sie die großen Eckpfeiler ihres Masterplans, "deshalb appelliere ich an die Menschlichkeit".
Dabei ist ihre Friedensarbeit nicht nur verbaler oder literarischer Natur (mittlerweile hat sie zwei Bücher publiziert), sie wird auch in ihrem Alltag gefordert, wenn sie die unzähligen israelischen Checkpoints passieren muss. "Ich stelle mich hinter die Kinder", erzählte die studierte Erziehungswissenschaftlerin, die bereits als Leiterin eines Frauenzentrums in Ost-Jerusalem gearbeitet hat, "und fordere den Soldaten auf: 'Schau' in unsere Augen! Kannst du das verantworten?' Das sorgt für Irritation".
Und Irritationen erregt sie absichtlich, schließlich "muss man immer wieder 'Stopp' sagen, um die Gedanken zu hinterfragen". Der Soldat habe sie damals passieren lassen, berichtete sie und bringt ihre Friedensstrategie auf den Punkt: "Gewalthaltige Situationen ohne Gewalt lösen, aber dafür darf die Menschlichkeit nicht verstummen-"
Jedoch fällt dieses schwer in einem gespaltenen Land, dessen Bewohner nun noch das "Eingepferchtsein von einer Mauer" erdulden müssen. "Ob die Mauer die richtige Grundlage für Friedensgespräche ist, bezweifle ich", resümierte die habilitierte Biologin und Mutter, die eine große Vision verfolgt, aber dennoch mit beiden Füßen auf dem zerfurchten Boden der spannungsgeladenen Tatschen in ihrem Heimatland steht. Viele Enttäuschungen und Rückschläge musste ihr Volk verwinden, aber seitdem das israelische Parlament am 16. Februar nach 37 Besatzungsjahren den ersten Abzug von Siedlern und Soldaten beschlossen habe, keime neue Hoffnung für den Nahen Osten auf.
Und Farhat-Naser leistet mit ihrer Friedensarbeit sozusagen Basisarbeit, in dem sie in ihren Seminaren Jugendlichen und Studenten, Frauen und mitunter auch Männern bei der Bewältigung von Traumata hilft. "Wie lerne ich, mit der Angst, Wut und Verzweiflung in mir umzugehen? Wie kann ich das Gute in meiner Schatztruhe finden?", lauten Kernpunkte in ihren Konflikt-, oder besser gesagt, Friedensseminaren. Letztlich sollen die junge Menschen lernen "Verantwortung für sich selbst zu tragen und auch Rechenschaft abzulegen", erklärt die ehrgeizige Pädagogin, dazu gehöre auch, "sich selbst zu verzeihen".
Durch die Aufarbeitung der eigenen existenziellen Ängste und durch das Durchbrechen der Traumata könne das "Lernen zu überleben gelingen", erklärte Farhat-Naser, erst dann folge der nächste Schritt, der Dialog und der Kompromiss - nämlich in Form des "Miteinander leben".
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