Warburger Zeitung / Neue Westfälische ,
11.03.2005 :
Hommage an den Vater / Journalist Eitel Riefenstahl las aus seinem Buch "Requiem für einen Gestapo-Mann"
Von Mario Gerwig
Warburg. Der bekannte Fernsehjournalist Eitel Riefenstahl, der sein halbes Leben lang glaubte, sein Vater Friedrich sei Diener des Nazi-Regimes gewesen, erfuhr erst nach dessen Tod, dass der Vater in seinem Amt als Mitglied der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Menschen vor Folter und Tod bewahrt hatte. Riefenstahl begann, das Puzzle der Vergangenheit zusammen zu setzen und eine Hommage an seinen Vater zu schreiben. Am Mittwoch las er im Museum im Stern aus seinem Buch "Requiem für einen Gestapo-Mann".
Im Beyersaal des Museums werden zur Zeit Exponate von Jacob Pins, eines Künstlers, dessen Werke geprägt sind von der Erinnerung an seine durch die Nationalsozialisten ermordeten Eltern, ausgestellt (die NW berichtete). "Passt das?" fragte sich auch VHS-Leiter Hans-Georg Temme zu Beginn der Lesung.
Vater und Sohn Riefenstahl hatten sich zu Lebzeiten eigentlich nicht allzuviel zu sagen. Der Vater war im 1. Weltkrieg freiwillig zur Marine gegangen. Nach dem Krieg arbeitete er als Polizeibeamter und wurde im 3. Reich zur Gestapo eingezogen.
Eitel Riefenstahl, bekannt durch seine Tätigkeit für den WDR, hat es zu Lebzeiten seines Vaters versäumt, dessen Vergangenheit als Gestapo-Mann aufzuarbeiten. "Wir konnten zu Hause nie über diese Sachen reden", verriet der Journalist nachdenklich. Ein Grund, warum der Sohn in seinem Vater immer nur den gestrandeten Seemann und den Ex-Nazi sah.
Später sei der Vater sei von seiner Vergangenheit stark gebrandmarkt gewesen und konnte, jedoch ohne die Beziehung zu "alten Seilschaften", in der Gesellschaft nach dem Krieg nie wieder richtig Fuß fassen. Mit seiner Familie sprach er kaum über diese Zeit. "Er starb als sehr gebrochener, tief depressiver und für mich kaum ansprechbarer Mann", erzählte Eitel Riefenstahl.
Nach dem Tod des Vaters tauchten plötzlich zahlreiche Dokumente auf, die ein anderes Licht auf das Verhalten und die Ehre des Vaters warfen. In mühsamer journalistischer Kleinarbeit suchte Riefenstahl nach den Spuren seines Vaters in der Vergangenheit.
Zwischen viel Vergessen und Verdrängen ergab sich dabei nach Eitel Riefenstahls Angaben "ein völlig anderes Bild" von seinem Vater. Dieser sei nicht freiwillig bei der Gestapo gewesen, schon gar nicht hatte er sich der Ideologie der Zeit angeschlossen. Vielmehr habe er versucht, unauffällig aus seiner Position heraus das Beste zu tun, um Unrecht abzuwenden und Gefährdete zu schützen.
"Mein Vater erkannte, dass er bei der Gestapo nur dann seiner Einstellung treu bleiben kann, wenn er ein kleines Licht bliebe. Er hat es immer abgelehnt, aufzusteigen" - und das habe geklappt. Zahlreiche Menschen, die bereits auf dem Weg zum Konzentrationslager gewesen seien, habe er zu einem weiteren Verhör in sein Büro kommen lassen, um sie dann "verschwinden zu lassen" und so vor Folter und Tod zu bewahren. Zahlreiche Dokumente aus der Vergangenheit belegten das. Auch die Erinnerungen von Angehörigen der Menschen, die der Gestapo-Mann gerettet habe, bestätigen das Bild des "humanen und gerechten Beamten", von dem in vielen Dokumenten die Rede sei. So berichtet Heinrich K. aus Duisburg in einer eidesstattlichen Erklärung: "Trotzdem ich zum Abtransport bereit stand, brachte es Herr Riefenstahl fertig, dass ich nicht in ein KZ eingewiesen, sondern nach einigen Tagen aus der Polizeihaft entlassen wurde. Für diese menschliche Tat bin ich Herrn Riefenstahl noch heute sehr dankbar". "Das liest sich wahrlich gut", bestätigte Eifel Riefenstahl.
Mit den Menschen, die der Vater gerettet hatte, konnte Eifel Riefenstahl nicht mehr reden. Sie waren verstorben oder wollten von all den Erlebnissen einfach nichts mehr wissen.
Verwandte und Bekannte jedoch gaben bereitwillig Auskunft. Das Gespräch mit dem Ausschwitz-Arzt Dr. Hans Münch bewegte den Journalisten besonders. Erfahrungen, die das Bild des Vaters völlig umwarfen und ihn in einem neuen Licht erscheinen ließen.
Mit dem fiktiven Gespräch zwischen Vater und Sohn möchte Eitel Riefenstahl "ein Stück Zeitgeschichte für mich ganz persönlich aufarbeiten", so der Autor. Es gehe ihm nicht um Anerkennung, auch habe er nicht vor, von seiner journalistischen Karriere zu berichten.
Dennoch ist es sehr aufregend, was der Journalist Riefenstahl erlebt hat. In seinem Buch versucht er aber dem Leser zu erklären, worauf es in einer Diktatur ankommt, wenn man sein Gewissen nicht verlieren will. Genauso behandelt er in diesem Zusammenhang die Frage, welche Handlungsspielräume für den Einzelnen gegenüber dem mörderischen Machtanspruch von Diktatoren überhaupt vorhanden sind und welcher Zivilcourage es bedarf, sie zu nutzen.
Bleibt noch zu klären, ob der Rahmen der Pins-Ausstellung zum Vortrag des Autors passte. Riefenstahl hatte lange Zeit ein falsches Bild von seinem Vater. Erst nach dessen Tod und zahlreichen Recherchen hat er es geschafft, das Bild gerade zu rücken. Die Ausstellung des Höxteraner Künstlers Jacob Pins bietet einen äußerst passenden Rahmen, denn Friedrich Riefenstahl verfolgte nie die Ideologien der Nazis. Er rettete Menschen vor dem Tod und blieb seiner Einstellung zeitlebens treu.
Was Riefenstahl erlebte, brachte der Künstler Jacob Pins zu Papier.
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