Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt ,
10.03.2005 :
Toleranz leicht gewandet / Theatergruppe "Ventil" zeigt Lessings "Die Juden"
Paderborn (WV). Passend zur "Woche der Brüderlichkeit" führt die Theatergruppe "Ventil" unter der Regie von Emilia Sternel das Lustspiel "Die Juden" von Gotthold Ephraim Lessing auf.
In dem 1779 erschienen Theaterstück des damals gerade 20-jährigen Dichters wurde zum ersten Mal religiöse und rassische Toleranz mit Entschiedenheit im "leichten Gewande" thematisiert. Seit der Uraufführung 1749 hat das Stück vom Juden, der uneingeschränkt positiv charakterisiert wird, aber sich erst am Ende offenbart, nichts von seiner Aktualität verloren, was in der Paderborner Kulturwerkstatt durch des Bühnenbild und die moderne Garderobe unterstrichen wird.
In Paderborn wohlbekannte Schauspieler, vermehrt um talentierte Jungmimen, ließen die Premiere am Dienstag Abend zu einem Theaterereignis werden, wobei alle Rollen exzellent besetzt waren - seien es die Ganoven und nach außen ehrbaren Diener Stich und Krumm (R. v. Fransecky, M. Stamm), der Baron mit all seinen antijüdischen Vorurteilen (H. G. Reuß), seine weltunerfahrene und unschuldige Tochter (M. Gutmann) oder seine kesse Dienerin Lisette (S. Büdeker) oder der nuanciert spielende Diener des Juden (K. Pötting).
Der schwierigste Part des Reisenden, des Juden, der den Baron aus Lebensgefahr errettet hatte, wird von Friedhelm Kirst in etwas zuriickhaltender Strenge, aber dennoch in seiner humanen Ethik überzeugend dargestellt.
Botschaft verstanden
Dass die Botschaft des Stückes damals verstanden wurde, bestätigt die überaus kritische Reaktion des Theologieprofessors Michaelis aus Göttingen von 1754, der Lessing eine falsche Idealisierung der Juden vorwarf. Aus seiner Rezension und aus der Antwort von Lessing und seinem Freund Moses Mendelssohn wurde im Anschluss an das Stück rezitiert. Als passende rahmende Einleitung diente eine Lesung aus dem vierten Akt des "Nathan", dem Dialog des Patriarchen von Jerusalem und dem ihm widersprechenden Tempelherrn. Überleitende stimmige Klavierstücke steuerte Heribert Knapp bei.
Dass ein junger Mensch in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein uns heute noch verfolgendes Problem so aktuell formulieren konnte, ist die fazinierende Botschaft des Stückes: "Sollen Treu und Redlichkeit unter zwei Völkerscharen herrschen, so müssen beide gleich viel dazu beitragen. Wie aber, wenn es bei der einen ein Religionspunkt, und beinahe ein verdienstliches Werk wäre, die andere zu verfolgen?"
Weitere Aufführungen im Studio der Kulturwerkstatt finden noch heute und morgen jeweils um 20 Uhr statt.
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