Westfälisches Volksblatt / Westfalen-Blatt ,
10.03.2005 :
Kriegsende in Paderborn / WV-Serie Folge 5 / Baby überlebte im Arm der Oma / Rita Sommer: Angriff am 10. März
Paderborn (WV). Rita Sommer, geb. Bergmeier, war acht Jahre alt, als Paderborn im März 1945 im Bombenhagel unterging. Wie durch ein Wunder überlebte sie mit ihren beiden jüngeren Geschwistern den Angriff vom 10. März, bei dem die Großmutter, die auf die Kinder aufpasste, ums Leben kam.
Die Familie Bergmeier wohnte damals an der Widukindstraße im Südviertel, die Großeltern lebten an der Albinstraße. Wenn man sich besuchen wollte, brauchte die Familie nur durch die Garten zu gehen. So waren an diesem schicksalhaften Tag die drei Kinder gut betreut, als die Mutter nach Westenholz fuhr, um sich dort ein Zimmer anzuschauen, das der Familie als Notunterkunft dienen sollte. Der Vater war Soldat und stand an der Front.
Als die Sirenen mittags Alarm gaben, lief die Großmutter mit den drei Enkeln in den Keller. Der Großvater war in die Stadt gegangen, um Medizin fiir das drei Monate alte Baby Ursula zu besorgen, das an einer Lungenentzündung erkrankt war. Nach und nach füllte sich der Keller mit Nachbarn, es wurde eng. Da packte Rita den fünfjährigen Heinz-Georg an der Hand und rannte mit ihm los zum Brauereikeller an der Borchener Straße, den sie beinahe täglich bei Alarm mit der Mutter aufgesucht hatten. Die Kinder waren es auch gewohnt, im Trainingsanzug und mit Schuhen zu Bett zu gehen.
Der Bombenangriff war fürchterlich, glücklicherweise tauchte unerwartet der Opa im Gedränge der Schutzsuchenden auf. Als er mit den beiden Kindern aus dem Brauereikeller kletterte, brannten die Häuser und Straßen ringsum. Trotzdem liefen sie über den Querweg nach Hause. Das Elternhaus stand in Flammen, das Haus der Großeltern lag in Trümmern. Rita Sommer hörte ihre Großmutter nach dem Opa rufen, und der begann verzweifelt, mit bloßen Händen den Schutt wegzuschaffen. Als der Keller am Abend endlich frei lag, fanden die Retter sieben tote Erwachsene; nur das Baby im Arm der Großmutter hatte überlebt und wurde von einem Soldaten in die Landesfrauenklinik gebracht.
Inzwischen war die Mutter voller Sorge aus Westenholz zurückgekehrt; glücklich schloss sie ihre beiden Großen in die Arme. Aber wo war das Baby? In dem Chaos hatte der Soldat versäumt, eine Nachricht zu hinterlassen, und so begann die Mutter zu suchen, bis sie ihre Jüngste gegen Mitternacht in der Landesfrauenklinik am Busdorf aufspürte.
Für eine Nacht fand die Familie einen Unterschlupf bei Verwandten an der Ledeburstraße im Riemekeviertel. Von dort ging es mit dem Pferdewagen in ein Notquartier in Salzkotten.
(Notiert von Andrea Pistorius)
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