Lippische Landes-Zeitung ,
25.11.1992 :
In Lemgo formiert sich Widerstand gegen rechtsradikale Gewaltakte / Jetzt endlich Zeichen setzen
Lemgo (ju). Zu einem spontanen Treffen zwischen türkischen und deutschen Lemgoer Bürgern kam es am vergangenen Montagabend im Haus des Türkischen Arbeitervereins, nachdem der verbrecherische Brandanschlag auf türkische Mitbürger in Mölln in Schleswig-Holstein bekannt geworden war, bei dem drei Menschen von rechtsextremen Verbrechern umgebracht wurden. "Es ist allerhöchste Zeit, über die bloße Betroffenheit hinauszuwachsen und nun endlich Zeichen zu setzen", darüber waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig. Thomas Portong vom Lemgoer Jugendamt brachte es konkret auf den Punkt: "Ein breites demokratisches Bündnis und Menschen mit Courage sind gefragter denn je!"
Jetzt "Flagge zu zeigen" und gemeinsam etwas zu unternehmen, forderte auch der Vorsitzende des Ortskartells des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Klaus Schnittger. Katharina Engelhard, auf deren rasche Initiative hin das Gespräch beim Türkischen Arbeiterverein stattfand, prangerte die Welle rechtsextremer Gewalt in der gesamten Bundesrepublik an. Sie rief dazu auf, jeglicher Form von Rassismus, Diffamierung und Diskriminierung im Alltag entschieden entgegenzutreten. "Ich habe sieben Jahre in Italien gelebt und gearbeitet, ohne ein einziges Mal das Gefühl gehabt zu haben, unerwünscht zu sein. Ich bin nicht nur betroffen, sondern auch beschämt, wenn ich sehe, wie wir mit unseren ausländischen Mitbürgern umgehen", unterstrich sie.
Die Mitglieder des Türkischen Arbeitervereins, die ihre Trauer und ihren Schmerz durch das Aufhängen einer schwarzen Fahne sichtbar machten, waren einhellig der Ansicht, dass alle Lemgoer Bürger - egal welcher Nationalität - gemeinsam etwas unternehmen müssen. Spontan wurde daher beschlossen, einen Arbeitskreis zu bilden, der sich aus Vertretern aller in der alten Hansestadt ansässigen Vereine, Gruppen und Institutionen zusammensetzen soll. Dieser Arbeitskreis kam bereits erstmalig zusammen, um für die nächsten Tage Aktionen zu planen. Angeregt wurde ein Schweigemarsch oder Demonstrationszug, eine Mahnwache und - auf längere Sicht angelegt - eine um ein Vielfaches verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Für mehr Sensibilität im sprachlichen Bereich machte sich Ute Koczy stark, da Sprache immer auch Empfindungen auslöse und bei Missbrauch eine verheerende Wirkung in den Köpfen von Menschen hervorrufen könne. Bereits aktiv wurden gestern mehrere hundert Schüler der Gewerblichen Schulen am Lemgoer Lüttfeld, die sich demonstrativ zu einer "Kette der Solidarität" zusammenschlossen.
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