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Nachrichten: Porta Westfalica: Schüsse in der Nähe eines Flüchtlingsheims , 16.12.2016 :

Tages-Chronologie von Freitag, 16. Dezember 2016

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www.hiergeblieben.de - Zusammenfassung - Freitag, 16. Dezember 2016


Am 15. Dezember 2016 verlegte der Kölner Künstler Günter Demnig in Harsewinkel einen Stolperstein für Salomon Lorch, der im Dezember 1941 über Münster nach Riga deportiert und dort auch ermordet wurde.

Am 16. Dezember 2016 veröffentlichte Netz-gegen-Nazis.de in einem Interview mit Michael Sturm von der Mobilen Beratung NRW einen Jahresrückblick 2016 über extrem rechte Aktivitäten in Nordrhein-Westfalen.

Am 16. Dezember 2016 teilte der Polizeiliche Staatsschutz für OWL auf Anfrage mit, die Behörde verfolge binnen eines halben Jahres etwa 150 Anzeigen wegen Hass-E-Mails und wertete die Hälfte als Straftaten.

Am 10. Dezember 2016, gegen 18.00 Uhr, wurden unweit einer Flüchtlingsunterkunft in Porta Westfalica-Eisbergen Schüsse abgegeben - der Polizeiliche Staatsschutz geht hier von einer Schreckschusswaffe aus.

Am 4. Dezember 2015 klagte die zuständige Staatsanwaltschaft Bielefeld vier Personen an, da sie am 14. September 2015 zwei Molotow-Cocktails gegen eine Asyl-Unterkunft in Eisbergen geworfen haben sollen.

Am 12. Dezember 2016 durchsuchten Polizei und Staatsschutz im Rintelner Ortsteil Goldbeck - auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Bückeburg - die "Botschaft Germanitien" der extrem rechten "Justiz-Opfer-Hilfe".

Am 12. Dezember 2016 durchsuchten Polizei Herford, Hauptzollamt Bielefeld, das Ordnungsamt der Stadt Löhne und das Amtsgericht Bad Oeynhausen das Büro der extrem rechten "Justiz-Opfer-Hilfe" in Gohfeld.

Am 5. Dezember 2016 erließ das Amtsgericht Bückeburg mehrere Durchsuchungsbeschlüsse gegen Jürgen Niemeyer, Axel Thiesmeier, Katy und Jörg Pagels, alle wohnhaft in der "Botschaft Germanitien" in Rinteln.

Das für den 16. Dezember 2016 anberaumte Verfahren gegen die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel (88) aus Vlotho vor dem Amtsgericht Detmold ist wegen Krankheit auf das Jahr 2017 verschoben.

In der zweiten Dezemberwoche 2016 ist eine weitere Ausgabe der antisemitischen und volksverhetzenden "Stimme des Reiches" - auch mit Beiträgen von Rigolf Hennig und Ursula Haverbeck-Wetzel - erschienen.

Am 9. Dezember 2016 wurde der vorbestrafte Bielefelder Neonazi Sascha Krolzig, nach einer gefährlichen Körperverletzung, Widerstand sowie rassistischen Beleidigungen in Dortmund, kurzzeitig festgenommen.

Am 6. August 2016 wurde der Bielefelder Neonazi Sascha Krolzig in Dortmund auf den Listenplatz vier der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (am 14. Mai 2017) des Landesverbandes von "Die Rechte" gewählt.

Am 6. August 2016 wurde der Bielefelder Neonazi Sascha Krolzig in Dortmund - als Nachfolger von Dennis Giemsch (aus Dortmund) - zum Vorsitzenden des Landesverbandes NRW der Partei "Die Rechte" gewählt.

Der für den 16. Dezember 2016 vom "Gesprächskreis Zeitgeschichte Dissen" angekündigte Vortrag "Wann ist Westeuropa islamisch?" des Geschichtsrevisionisten Karl-Heinz Kuhlmann aus Bohmte wurde abgesagt.

Mutmaßlich in der Nacht auf den 9. Dezember 2016 haben Unbekannte die Radmuttern an dem Auto des Flüchtlingshelfers Michael Bublitz aus Werther gelöst - zwei Tage später fiel ein Rad beim Autofahren ab.

In der Nacht auf den 23. November 2016 wurde die Heckscheibe des Personenkraftwagens eines Mitglieds des Vereins Flüchtlingshilfe Werther e.V. von Unbekannt eingeschlagen, auf der Heckablage lag ein Stein.

Am 31. Juli 2016 wurden in der Innenstadt von Werther (bedruckte und laminierte) rassistische Flugzettel mit der Aufschrift "Flüchtlinge geht zurück - ihr seid Parasiten" an zahlreichen öffentlichen Orten verklebt.

Am 19. Dezember 2016 trägt Prof. Dr. Andreas Zick (IKG) in Bielefeld auf Einladung von Bündnis 90 / Die Grünen, Thema: "Gespaltene Mitte - Wie ist es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt bestellt?" - vor.

Am 14. Dezember 2016 bilanzierte der Präsident am Landgericht in Detmold Rainer Mues gegenüber dem WDR, dass Reichsbürger im Jahre 2016 Beamte, im besonderen Gerichtsvollzieher, tätlich bedroht hätten.

Am 16. Dezember 2016 wurden bei der Polizei Lippe neonazistische Aufkleber wie "Afrika den Afrikanern! Deutschland uns Deutschen!" in Belle, einem Ortsteil der Stadt Horn-Bad Meinberg, zur Anzeige gebracht.


www.mobile-beratung-nrw.de

www.mobile-beratung-owl.de

www.uni-bielefeld.de/ikg

www.fes.de/de/gespaltene-mitte-rechtsextreme-einstellungen-2016/

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Artikel-Einträge in der Datenbank:


Zeitung für Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg und Harsewinkel / Westfalen-Blatt, 16.12.2016:
Religion machte ihn zum Opfer

Neue Westfälische 07 - Gütersloh, 16.12.2016:
Erinnerung an Salomon Lorch

Netz-gegen-Nazis.de, 16.12.2016:
Jahresrückblick 2016, NRW: Viel Aktivität, wenig Mobilisierungsfähigkeit

Blick nach Rechts, 16.12.2016:
"SS-Siggi" ist Landtagskandidat

Mindener Tageblatt, 16.12.2016:
Streit ums Essen eskaliert

Schaumburger Nachrichten Online, 16.12.2016:
Staatsverweigerer / Wie die Fliege im Netz

Radio Herford, 16.12.2016:
Kein Platz für Reichsbürger

Radio Bielefeld, 16.12.2016:
Prozess um Holocaust-Leugnerin vertagt

Zeitung für Werther / Westfalen-Blatt, 16.12.2016:
Radmuttern gelockert bei Ex-Polizisten

Neue Westfälische 07 - Gütersloh, 16.12.2016:
Unbekannte lösen Radmuttern am Auto

Neue Westfälische, 16.12.2016:
Anschlag auf Flüchtlingshelfer

Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 16.12.2016:
Diskussion über Rechtspopulismus

Lippische Landes-Zeitung, 16.12.2016:
Reichsbürger drangsalieren Behörden

Lippische Landes-Zeitung, 16.12.2016:
Kreis Lippe: Reichsbürger terrorisieren die Mitarbeiter

Neue Westfälische, 16.12.2016:
Reichsbürger machen Landgericht Sorgen

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Zeitung für Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück, Rietberg und Harsewinkel / Westfalen-Blatt, 16.12.2016:

Religion machte ihn zum Opfer

Stolperstein erinnert seit gestern an ermordeten Juden Salomon Lorch

Von Stefanie Winkelkötter

Harsewinkel (WB). Fast auf den Tag genau vor 75 Jahren, am 10. Dezember 1941, wurde Salomon Lorch in Harsewinkel von der Gestapo festgenommen und über Münster nach Riga gebracht, wo er im Konzentrationslager ermordet wurde. Seit gestern erinnert ein Stolperstein am Kirchplatz an das Schicksal des jüdischen Kleinhändlers.

Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig verlegt seit 1992 Stolpersteine in Gedenken an die Opfer der NS-Zeit. Er lässt kleine Tafeln aus Messing am letzten frei gewählten Wohnort eines in den Vernichtungslagern ermordeten Juden in den Bürgersteig ein. Beinahe 60.000 Stolpersteine hat er inzwischen in Deutschland und im europäischen Ausland verlegt. Seit gestern liegt auch einer in Harsewinkel, dort, wo im Schatten der St.-Lucia-Kirche das kleine Wohnhaus des Kaufmannes Salomon Lorch stand. Auf Initiative von Vera und Markus Dorgerloh sowie Frido Jacobs hatte Stadtarchivar Eckhard Möller den viel beschäftigten Künstler eingeladen.

Salomon Lorch wurde 1876 in Harsewinkel geboren. "Lorch war damals ein Familienname wie heute Mense oder Gerbaulet, er gehörte zur Stadt. Heute ist der Name aus Harsewinkel verschwunden", sagte Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide bei der Verlegung des Stolpersteins vor etwa 50 Interessierten aus Kirchen, Politik und Öffentlichkeit. Auch heimische Stadtführer waren dabei. Salomon Lorch wurde von Zeitzeugen als klein, rundlich und stets freundlich beschrieben, wusste die Bürgermeisterin zu berichten. "Er wird Platt gesprochen und sich auch sonst nicht von anderen Harsewinkelern unterschieden haben. Einzig seine Religion machte ihn zum Opfer des Nationalsozialismus." Es sei die Pflicht der heutigen Generation, die Erinnerung wach zu halten und Menschenrechte und Würde zu wahren. Lorchs Ehefrau Henriette war übrigens schon 1938 in Herford verstorben, die 1909 geborene Tochter Johanna entkam mit ihrem Mann nach Schweden, die 1911 geborene Tochter Irmgard war in Herford verheiratet, wurde ebenfalls nach Riga deportiert und dort umgebracht.

Die Gymnasiastinnen Sophie Gerbaulet und Inga Mense hatten sich mit dem Stammbaum der Familie Lorch beschäftigt und wussten zu berichten, dass diese die einzige jüdische Familie in Harsewinkel war. Neun Grabstellen auf dem jüdischen Friedhof an der August-Claas-Straße sind die letzte Spur jüdischen Lebens in der Mähdrescherstadt.

Die Initiatoren der Verlegung, Vera und Markus Dorgerloh und Frido Jacobs, betonten, es sei wichtig, die Gräueltaten des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen - gerade heute in einer Zeit, die von steigendem Fremdenhass und immer weniger Verständnis für Flüchtlinge und Hilfesuchende geprägt sei. An das Wirken der Nazis zu erinnern, sei wesentlicher Teil seiner Überzeugung und Lebenserfahrung, sagte Frido Jacobs.

Bildunterschrift: Bildhauer Gunter Demnig zeigt den Stolperstein, der am Kirchplatz am früheren Wohnort Salomon Lorchs an den im Konzentrationslager ermordeten Juden erinnert.

Bildunterschrift: Der Stolperstein mit den Daten Salomon Lorchs.

Bildunterschrift: Frido Jacobs (links), Markus und Vera Dorgerloh haben die Stolperstein-Verlegung initiiert und auch bezahlt.

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Neue Westfälische 07 - Gütersloh, 16.12.2016:

Erinnerung an Salomon Lorch

Stolperstein: Bei der Verlegung lässt der Künstler Gunter Demnig sich von Ansprachen nicht weiter aufhalten / Dabei schlagen die drei Initiatoren einen Bogen von der NS-Zeit bis zum Hass auf Fremde und Flüchtlinge

Von Meinolf Praest

Harsewinkel. Salomon Lorch ist gestern nach Harsewinkel zurückgekehrt - jedenfalls sein Name und das Gedenken an ihn, den vor genau 75 Jahren von der Gestapo verschleppten letzten jüdischen Bürger der Stadt, der Ende 1941 oder Anfang 1942 von den Nazis in einem KZ vor Riga (Lettland) ermordet wurde. Ein so genannter Stolperstein, den der Kölner Künstler Gunter Demnig am Kirchplatz an jener Stelle verlegte, wo bis Anfang der 1970er Jahre das ehemalige Wohnhaus gestanden hat, erinnert nun an Salomon Lorch.

Etwa 50 Personen nahmen an der Feierstunde nahe der St.-Lucia-Kirche teil. Während der Gruß- und Erinnerungsworte ließ Demnig sich von seiner handwerklichen Verlegearbeit aber keinesfalls abhalten - auf Grund einer engen Planung warteten weitere Termine im Münsterland auf ihn.

"Die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit wachhalten"

Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide dankte neben Demnig insbesondere den Initiatoren der Stolperstein-Verlegung, dem Ehepaar Vera und Markus Dorgerloh sowie Frido Jacobs, die das Projekt angestoßen und finanziert haben. Wie später auch die Gymnasiastinnen Sophie Gerbaulet und Inga Mense würdigte die Bürgermeisterin Salomon Lorch als bescheidenen und freundlichen Kleinhändler, der sogar Plattdeutsch gesprochen habe - und den einzig seine jüdische Religion zum Opfer des mörderischen Nazi-Regimes gemacht habe. Amsbeck-Dopheide: "Unsere Aufgabe ist es heute, die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit wachzuhalten." Angesichts zunehmender Fremdenfeindlichkeit und gar Fremdenhasses sei die Wahrung und Verteidigung von Menschenrechten und Menschenwürde aktueller denn je.

Diesen Aspekt griffen auch Vera und Markus Dorgerloh in sehr persönlichen Worten auf. Vera Dorgerloh erinnerte sich daran, dass das Haus ihrer Großeltern neben dem jüdischen Friedhof an der August-Claas-Straße liege. Schon als Kind habe sich für sie daher "ein besonderer Bezug" zur jüdischen Vergangenheit der Stadt ergeben. Das von ihr beschriebene "mulmige Gefühl" hatte früh auch ihren Mann Markus beschlichen. Angesichts von Fremdenhass und schwindendem Verständnis für Flüchtlinge und Hilfesuchende sei es "unsere Pflicht, die Gräueltaten des NS-Regimes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, damit sich solches Unrecht nie wiederholen kann". Wo könne man damit besser beginnen als vor der eigenen Haustür?

Für Mitinitiator Frido Jacobs (76) spiegelt die Stolpersteinaktion "einen wesentlichen Teil meiner Überzeugung und Lebenserfahrung" wider, "an das Wirken der jegliche Dimension sprengenden Unmenschlichkeit und Brutalität der Nazis zu erinnern". Trotz des historisch eindeutig belegten Massenmordes an Juden und Menschen vieler anderer Opfergruppen gebe es auch heute noch Holocaust-Leugner - so die "unsägliche Person" Ursula Haverbeck (88) aus Vlotho. Jacobs: "Wie ist es möglich, dass sie Justizsäle umfunktioniert in eine Bühne für ihre skandalösen Auftritte? Wo bleibt die juristische Ahndung?" Auch ein hohes Lebensalter dürfe "kein Freifahrtschein dafür sein, Verhöhnung von millionenfachen Morden öffentlich zu betreiben". Und Jacobs fügte hinzu: "Wehret den Anfängen!"

Sophie Gerbaulet und Inga Mense erinnerten an die Familie Lorch - die einzige jüdische Familie, deren Spuren in Harsewinkel sich bis 1730 zurückverfolgen lassen. Salomon Lorch wurde 1876 in Harsewinkel geboren und war Kleinhändler. Er wurde am 10. Dezember 1941 - also vor fast exakt 75 Jahren - von Harsewinkel über Warendorf in das Gefängnis in Münster gebracht und dann mit einem der Deportationszüge für westfälische Juden in das Konzentrationslager vor den Toren von Riga verschleppt und dort ermordet. Das genaue Todesdatum ist nicht bekannt.

Seine Frau Henriette Lorch (geborene Leiser) starb 1938 in Herford. Die 1909 geborene Tochter Johanna (verheiratete Baruch) entkam mit ihrem Mann nach Schweden. Die 1911 geborene Tochter Irmgard war in Herford verheiratet; sie wurde ebenfalls nach Riga deportiert und dort umgebracht.

Auftakt 1996

Gunter Demnig (69) stammt aus Berlin und lebt in Köln. International bekannt ist der Bildhauer vor allem durch die Verlegung der Stolpersteine. Sie sollen an Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus deportiert wurden und meist dem Holocaust zum Opfer fielen.

Auf der Oberseite tragen sie kleine Metallplatten mit von Hand eingeschlagenen Namen der Opfer.

Demnigs Projekt begann 1996 mit der illegalen - und später legalisierten - Verlegung von 56 Steinen in Kreuzberg. Inzwischen gibt es mehr als 60.000 Steine in rund 1.100 deutschen Städten und Orten in 21 Staaten - das weltweit wohl größte dezentrale Mahnmal.

Gunter Demnig gestern: "Ich freue mich über jeden Stein, den ich verlege, obwohl der Hintergrund kein Grund zur Freude ist. Und ich freue mich vor allem über das große Interesse von Jugendlichen und Schülern, denen das Thema NS-Zeit alles andere als zu den Ohren herauskommt."

Bildunterschrift: Handwerker: Gunter Demnig präsentiert den Stolperstein für Salomon Lorch. Das Loch hat er gerade ausgehoben. Hinten beobachtet Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide die Aktion.

Bildunterschrift: Initiatoren: Frido Jacobs (v. l.) sowie Markus und Vera Dorgerloh am Stolperstein.

Bildunterschrift: Erinnerung: Sophie Gerbaulet (v. r.) und Inga Mense mit Moderator Eckhard Möller.

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Netz-gegen-Nazis.de, 16.12.2016:

Jahresrückblick 2016, NRW: Viel Aktivität, wenig Mobilisierungsfähigkeit

Alle Jahre wieder fragen wir: Was passierte im Bereich Rechtsextremismus in den verschiedenen Bundesländern? Welche Themen waren wichtig, welche Akteure und Akteurinnen? Heute: Nordrhein-Westfalen.

Mit Michael Sturm von der Mobilen Beratung NRW sprach Simone Rafael.

Was war ein beispielhaftes wichtiges Ereignis im Bereich Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen?

2016 gab es eher einen Fluss von Ereignissen, aus denen aber keines für die extrem rechte Szene als besonderer Erfolg nutzbar war. Zehn Tage nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln wurde etwa eine Demonstration aus dem extrem rechten Hooligan-Spektrum organisiert, bei der 1.700 Menschen mitmachten - das war verglichen mit der HoGeSa-Demo 2014 in Köln allerdings eine eher schwache Mobilisierung. Bei einer zweiten Demonstration aus diesem Spektrum Anfang Oktober 2016 kamen schon "nur noch" 500 Menschen. Im Juni hat zudem der neonazistische "Tag der Deutschen Zukunft" in Dortmund stattgefunden - organisiert von der Partei "Die Rechte". Hier trafen sich rund 1.000 Neonazis - für den jährlich an wechselnden Orten stattfindenen "Tag der Deutschen Zukunft" eine durchaus beachtliche Zahl. Jedoch gelingt es den Dortmunder Neonazis nur noch selten, im Hinblick auf die TeilnehmerInnenzahlen an Mobilisierungen früherer Jahre wie etwa zum "Nationalen Antikriegstag" anzuknüpfen. An verschiedenen Gegendemonstrationen zum "Tag der Deutschen Zukunft" haben insgesamt rund 5.000 Menschen teilgenommen, was natürlich sehr erfreulich war. Wie schon in den vergangenen Jahren ist und bleibt Dortmund ein Zentrum extrem rechter Aktivitäten. Eine neonazistische landesweite Demonstrationspolitik ist jedoch nicht mehr feststellbar. Erwähnt werden sollte aber, dass extrem rechte Gruppen in der Öffentlichkeit durchaus weiter präsent sind. Einmal monatlich versammeln sich beispielsweise "Pegida"-AnhängerInnen in Duisburg. In Essen formierte sich als Abspaltung des nordrhein-westfälischen "Pegida"-Ablegers die Initiative "Essen gegen Politikwahnsinn" (seit Ende August 2016 umbenannt in "Bürger gegen Politikwahnsinn"). In Bochum wiederum entstand eine ähnliche Gruppierung unter der Bezeichnung "DaSKuT - Deutschland asylfreie Schulen, Kindergärten und Turnhallen". Als besonders mobilisierungsfähig erwies sich jedoch keine der genannten Initiativen. Die TeilnehmerInnenzahlen bewegen sich nur selten im unteren dreistelligen Bereich. Häufig kommen zu den Kundgebungen jeweils nur wenige Dutzend Personen zusammen.

Was war in Nordrhein-Westfalen die wichtigste Gruppierung im Bereich Rechtsextremismus?

Schwerpunkt neonazistischer Aktivitäten ist der Raum Dortmund. Hier gibt es weiterhin großen Aktionismus aus der Neonazi-Szene, Kundgebungen, Flugblatt-Aktionen, Bedrohungen. Man muss deutlich sagen, dass das Verbot des "Nationalen Widerstands Dortmund" im August 2012 wenig verändert hat. Die Neonazis sind größtenteils in die Partei "Die Rechte" übergewechselt - und die ist weiterhin sehr handlungsfähig und gut vernetzt, besonders im Raum Dortmund. So fand am Rande des Aufmarsches zum "Tag der Deutschen Zukunft" ein Treffen von AktivistInnen des internationalen Neonazinetzwerks "Combat 18" statt. Die NPD dagegen verliert permanent an Bedeutung, auch, weil sie als Auffangbecken für Mitglieder der im Sommer 2012 verbotenen Kameradschaften (neben dem "Nationalen Widerstand Dortmund", auch die "Kameradschaft Hamm" und die "Kameradschaft Aachener Land") offenkundig wenig attraktiv war.

Themen wie Flucht, Asyl und Migration, aber auch vorgebliche "Islam-Kritik" werden nicht nur von neonazistischen Gruppierungen, sondern auch von rechtspopulistischen Gruppen und Parteien besetzt. Hier wird die Auseinandersetzung schon jetzt, aber vor allem im kommenden Jahr von der AfD bestimmt werden. Im Mai 2017 sind Landtagswahlen in NRW. Seit der Kommunalwahl 2014 ist die AfD in vielen Kreistagen und Räten vertreten, fällt dort aber eher durch Dilettantismus, Spaltungen und interne Querelen auf. Aktuell wird vor allem um die Wahlliste gestritten, also wer sich aussichtsreiche Plätze für die Landtagswahl sichern kann. Dabei wird der NRW-Landesvorsitzende Markus Pretzell hart angegangen, vor allem aus dem Rechtsaußen-Flügel der AfD um Björn Höcke sowie von Alexander Gauland, die aber bekanntlich selbst nicht dem nordrhein-westfälischen Landesverband angehören. Der Vorwurf lautet er habe Listen manipuliert und unfaire Absprachen getroffen. Das ist insofern interessant, weil Pretzell ja innerhalb der AfD selbst auf dem rechten Flügel zu verorten ist - nicht zuletzt gehört er im Europa-Parlament der vom Front National dominierten extrem rechten Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" an. Ganz offensichtlich sind die die Angriffe vor dem Hintergrund eines parteiinternen Machtkampfs auf Bundesebene zu sehen und zielen in erster Linie auf Pretzells Lebensgefährtin und AfD-Parteichefin Frauke Petry. Trotz aller Streitigkeiten liegt die AfD allerdings in Umfragen zwischen 9 und 13 Prozent der Stimmen und hat damit Chancen, in den Landtag einzuziehen - als erste Partei rechts der CDU überhaupt. Andere rechtspopulistische und extrem rechte Parteien wie etwa die NPD, pro NRW oder "Die Republikaner" werden bei der Landtagswahl keine Rolle spielen.

Was sind die Folgen?

Die rassistische Stimmungsmache durch extrem rechte AkteurInnen sowie die aggressive Hetze in den Sozialen Netzwerken vor allem, aber nicht nur gegen Geflüchtete tragen zweifellos dazu bei, ganz allgemein diffuse Ängste, Ressentiments und ausgrenzende Haltungen zu schüren. Konkret gibt es darüber hinaus in NRW eine ausgesprochen hohe Zahl an Übergriffen auf Geflüchtete und Einrichtungen für Geflüchtete. Insgesamt gab es über 300 Übergriffe, davon 27 Brandanschläge und 31 Körperverletzungen oder auch inszenierte Erschießungen. Es kommt zu unzähligen Schmierereien und Pöbeleien, immer wieder werden Moscheen angegriffen oder antisemitische Ausfälle berichtet. Das Problem dabei vor allem: Diese Gewalt wird nicht thematisiert, kaum noch wahrgenommen. Dafür braucht es schon "spektakulärere" Ereignisse wie den Rücktritt des Bocholter SPD-Parteivorsitzenden nach Morddrohungen gegen sich und seine Familie Ende des Jahres. Eine Erhebung zeigte: es gab 2016 rund 300 bekannte Fälle von Drohungen gegen politische MandatsträgerInnen bundesweit - davon 80 in NRW.

Wir beobachten generell eine polarisierte Stimmung: Es gibt die neonazistischen und rechtspopulistischen Aktivitäten, die Übergriffe - und auf der anderen Seite ein großes gesellschaftliches Engagement. Immer noch helfen viele Engagierte Geflüchteten - und gerade, wenn es Menschen sind, die aus humanitären oder christlichen Motiven helfen, erleben wir auch eine Politisierung. Sie sind nämlich durch ihr Engagement mit Anfeindungen konfrontiert, erleben Rassismus im Alltag oder in seinen strukturellen und institutionellen Ausprägungen und wollen mehr wissen über Rechtspopulismus und Rassismus. Ein großer Teil der meist schlecht besuchten AfD-Kundgebungen wird mit Gegendemonstrationen beantwortet, weil es in NRW nach viele Menschen gibt, die rechtspopulistische Polemiken nicht widerspruchslos hinnehmen wollen.

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Mindener Tageblatt, 16.12.2016:

Streit ums Essen eskaliert

Polizeieinsatz in einer Unterkunft für minderjährige Ausländer / Sechs Jugendliche müssen die Hausberger Wohngruppe verlassen / In Eisbergen wurden offenbar Schüsse in der Nähe des Flüchtlingsheims abgegeben

Von Dirk Haunhorst

Porta Westfalica (mt). Junge Flüchtlinge haben in einer Unterkunft in Hausberge randaliert. Zwischenzeitlich waren sechs Streifenwagenbesatzungen vor Ort, um den Konflikt zu beruhigen. Der Vorfall ereignete sich bereits Ende November, wurde aber erst jetzt öffentlich bekannt.

Wie Polizeisprecher Ralf Steinmeyer und der Leiter der Jugendhilfe-Einrichtung Gotteshütte, Marco Leopold, gestern auf MT-Anfrage bestätigten, ereignete sich die Auseinandersetzung am Montag, 28. November. Einige so genannte unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA), die in einem städtischen Gebäude am Kirchhofsweg untergebracht sind, stritten sich mit drei Betreuern über das Essen. Offenbar wollten einige Flüchtlinge selbst kochen, anstatt mittags Suppe zu essen und später wie vereinbart gemeinsam das Abendessen zu kochen. Trotz des scheinbar banalen Anlasses schaukelte sich der Konflikt hoch und eskalierte am Nachmittag.

Ein 17-Jähriger aus Afghanistan verhielt sich besonders aggressiv. Möbel gingen zu Bruch, der junge Afghane verletzte sich dabei. Er attackierte auch die herbeigerufene Polizei und verbrachte die Nacht in der Jugendpsychiatrie in Bad Salzuflen.

Sechs Jugendliche, die an dem Konflikt beteiligt waren, wurden inzwischen aus der Wohngruppe entlassen und in einer Jugendhilfeeinrichtung in Bielefeld untergebracht.

Zur Zeit leben noch sieben minderjährige Ausländer in dem Gebäude, das die Gotteshütte von der Stadt gepachtet hat. Heimleiter Marco Leopold berichtet, dass die entlassenen sechs Jugendlichen zuvor nicht durch Gewalttaten aufgefallen seien. Künftig sollen in der Wohngruppe höchstens zehn UMAs untergebracht werden. "Diese Krise wird zur Zeit noch aufgearbeitet", so Leopold.

Unterdessen sucht der Staatsschutz in Bielefeld Zeugen eines Vorfalls nahe der Eisberger Flüchtlingsunterkunft an der Ravensberger Straße. Bewohner hatten gemeldet, dass am Samstag, 10. Dezember, in Höhe des Heims Schüsse abgegeben wurden. Das soll gegen 18 Uhr geschehen sein. Die Polizei, Telefon (0521) 5450, hat noch keine Spur von den Tätern oder deren Fahrzeug, das nach Aussage der Bewohner in Richtung Vlotho davonfuhr. Ein Polizeisprecher teilte gestern auf MT-Anfrage mit, dass die Ermittler von Schüssen aus einer Schreckschusswaffe ausgehen. Das habe die Tatortarbeit ergeben.

Auf die Eisberger Flüchtlingsunterkunft war im September 2015 ein Brandanschlag verübt worden. Die mutmaßlichen Täter müssen sich derzeit vor Gericht verantworten.

Bildunterschrift: Zwölf Polizeibeamte in sechs Streifenwagen waren am Kirchhofsweg im Einsatz.

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Schaumburger Nachrichten Online, 16.12.2016:

Staatsverweigerer / Wie die Fliege im Netz

16.12.2016 - 22.49 Uhr

Gegen Jörg Pagels liegt ein Haftbefehl vor. Sein Haus in Goldbeck wurde vom Staatsschutz durchsucht, seine Computer beschlagnahmt. Wirtschaftlich und emotional ist er angeschlagen, gesundheitlich am Ende. Vergangene Woche ist sein Herz stehen geblieben. Ärzte mussten ihn vier Mal wiederbeleben.

Rinteln. Im Gespräch mit Pagels wird klar: Irgendwo hat sein Leben die falsche Abzweigung genommen. Aus einem deutschen Staatsbürger, verantwortungsvollen Familienvater und erfolgreichen Unternehmer wurde ein "Germanit". Ein Staatsverweigerer. Ein Reichsbürger, auch wenn Pagels dieses Wort ablehnt. Er bezeichnet sich lieber als "Souverän". Und als Mensch.

Seine Geschichte ist ebenso tragisch wie exemplarisch. Elemente davon finden sich in den Einzelschicksalen vieler Menschen wieder, die heute unter dem Begriff "Reichsbürger" subsumiert werden. Früher hätte man sie wohl eine Sekte genannt.

Über Kontakte im Ausland - Pagels reist beruflich viel - und im Internet kam er in Kontakt mit der "Reichsbürger-Szene". Im Kern dreht sich ihr Gedankengut darum, dass die Bundesrepublik kein rechtmäßiger Staat sei. Dass sie keine Steuern eintreiben, keine Häuser zwangsversteigern, keine Schulden eintreiben dürfe. Jeder Bürger lebt demnach mitten in einem Unrechtsstaat.

Hunderte Gruppierungen bundesweit

In der Biografie der meisten Reichsbürger findet sich ein wirtschaftlicher Tiefschlag. Oft sind sie insolvent. Bei Pagels war es ein überschuldetes Eigenheim. Als der Druck stieg, wandte er sich hilfesuchend an andere Menschen, die dem Staat ebenfalls sein Existenzrecht absprechen. Bundesweit gibt es hunderte Gruppierungen, die untereinander oft zerstritten sind. Die Germaniten sind nur eine davon - doch auf sie trifft Pagels erst später.

Immer intensiver beschäftigte er sich mit seinem neuen Weltbild. Mit Handels- und Seerecht, mit dem Deutschen Reich und dem allgemeinen Unrecht, das heute herrsche. Seine damaligen Unterstützer bestärkten ihn in seinen Ansichten und stärkten ihm den Rücken. Er spendete Geld an ihre Organisationen.

Heute meint er: "Ich hätte das Haus ja bezahlen können - aber ich war starrsinnig, weil ich das durchziehen wollte. Ich hatte ja Unterstützer." Er glaubte an die Richtigkeit seines Handelns. Und stand am Ende doch alleine da. "Viele bezahlen dann Geld, das sie gar nicht mehr haben", sagt Pagels. Und sie bezahlen für Hilfe, die keine ist. Denn die Schreiben, die von diesen "Helfern" hundertfach an Gerichte, Ämter und Staatsanwaltschaften übersandt werden, sehen zwar imposant aus. Doch sie können das Unausweichliche meist nur hinauszögern.

"Man wird in einen Krieg hineingezogen"

Pagels beschreibt seine Situation so: "Man wird in einen Krieg hineingezogen. Dir wird immer gesagt, du bist im Recht, du bist gut aufgestellt, wir stehen alle hinter dir. Doch dann steht man am Schlachtfeld, dreht sich um und hinter einem steht plötzlich niemand mehr."

Nach dieser enttäuschenden Erfahrung wandte Pagels sich hilfesuchend an die so genannte "Justiz-Opfer-Hilfe". Sie trägt ihr Geschäftsmodell schon im Namen. "Ich dachte mir, es schadet ja nicht, einen Gesprächstermin auszumachen."

Sein Kontaktmann bei der "Justiz-Opfer-Hilfe", Axel T., erklärte ihm gleich: bisher alles falsch gemacht. Aber er könne ihm helfen. Allerdings nur, wenn er ein Staatsbürger "Germanitiens" werde. Also wurden Pagels und seine Frau "Germaniten".

Für einen symbolischen Euro vermietet

Um sein Haus zu schützen, vermietete er es für einen symbolischen Euro an die Germaniten. Um sein Auto zu schützen, überschrieb er es ihnen. Um sein Eigentum zu schützen, überließ er alles seinen neuen "Freunden". Und bezahlte für diese "Dienstleistung" auch noch. "Wenn mir nichts gehört, kann mir nichts genommen werden", dachte sich Pagels. Und als "Germanit" konnte er seinen Besitz ja weiter nutzen.

Beim Überschreiben von Pagels‘ Besitz beschränkte sich die "Justiz-Opfer-Hilfe" natürlich nicht auf ihr eigenes Rechtssystem. Hier achteten die Staatsverweigerer peinlich genau auf die Einhaltung der deutschen Rechtsnormen.

Die tatsächlichen Schulen sind ihm unbekannt

Der Deal zwischen Pagels und der "Justiz-Opfer-Hilfe" war recht simpel: "Ihr haltet mir den Rücken frei, damit ich arbeiten und Geld verdienen kann." Kamen Briefe vom Gericht, vom Staatsanwalt oder von den Banken, dann schickte er sie einfach weiter an die "Justiz-Opfer-Hilfe". Deswegen weiß Pagels nach eigenen Angaben bis heute nicht, wie hoch er tatsächlich verschuldet ist, welche Vorwürfe Polizei und Justiz ihm genau zur Last legen.

Später wollte Axel T. ihn dann auch im Vorstand der "Justiz-Opfer-Hilfe" haben. So wurde Pagels "Botschafter" von Germanitien und Mitglied des Vorstands. T. und andere hochrangige Germaniten besitzen eine einschlägig rechtsradikale Vergangenheit, unter anderem im verbotenen "Collegium Humanum" aus Vlotho oder in der NPD. Außerdem werden auf der Homepage regelmäßig Menschen beleidigt. Unter anderem deshalb möchte Pagels Germanitien verlassen, Doch so einfach ist es nicht.

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Radio Herford, 16.12.2016:

Kein Platz für Reichsbürger

Löhne würde die so genannten Reichsbürger gern so schnell wie möglich loswerden. Doch wir werden etwas Geduld brauchen, sagt Bürgermeister Bernd Poggemöller. An den Razzien am Montag (in Löhne und Bad Oeynhausen) hatte sich auch das Löhner Ordnungsamt beteiligt. Wir werden da weiter konsequent sein, so Poggemöller.

Montag hatte die Polizei versucht, einige "Reichsbürger" festzunehmen, weil die unter anderen größere Bußgelder noch nicht gezahlt hatten. Bei Durchsuchungen wurden außerdem Computer und anderes Material sichergestellt.

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Radio Bielefeld, 16.12.2016:

Prozess um Holocaust-Leugnerin vertagt

Die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck aus Vlotho kommt dieses Jahr doch nicht mehr vor Gericht. Die heutige Verhandlung vor dem Detmolder Amtsgericht wurde abgesagt, weil sich Haverbeck krank gemeldet hat. Der Prozess wird also erst im nächsten Jahr losgehen. Die 88-jährige Haverbeck war in diesem Jahr schon mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Sie bestreitet immer wieder, dass es in Deutschland einen Massenmord an den Juden gegeben hat.

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Blick nach Rechts, 16.12.2016:

"SS-Siggi" ist Landtagskandidat

Dortmund. Die Neonazi-Partei "Die Rechte" will bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl im kommenden Mai in einigen wenigen Wahlkreisen auch mit Direktkandidaten antreten. In Dortmund wurden jetzt vier Bewerber nominiert.

Zu ihnen zählt erwartungsgemäß Alt-Hooligan und Ex-"Kameradschaft Dortmund"-Anführer Siegfried ("SS-Siggi") Borchardt. Er gehört für seine Partei der Bezirksvertretung Innenstadt-Nord an und soll im Mai im Wahlkreis Dortmund II und damit im Norden der Stadt auf den Stimmzetteln stehen. Im westlichen Wahlkreis soll Stadtratsmitglied Michael Brück kandidieren, im Süden André Hülsmann und im Osten der Stadt Matthias Deyda.

Ihre Landesliste hatte die Neonazi-Partei bereits im August gewählt (Blick nach Rechts berichtete am 08.08.2016). Hinter Kevin Koch (Wuppertal) sind dort die beiden Dortmunder Borchardt und Daniel Grebe auf den Plätzen zwei und drei zu finden. Als Vierter folgt Sascha Krolzig aus Bielefeld. Spätestens seit der vorigen Woche hat auch er einen intensiveren Bezug zu Dortmund: Polizeibeamte nahmen ihn nach einer Kneipenschlägerei vorübergehend fest. Gegen Krolzig wird wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung, Widerstands und fremdenfeindlicher Beleidigungen ermittelt.

Für jeden Wahlkreiskandidaten muss die Partei 100 Unterstützungsunterschriften sammeln, für die Landesliste noch einmal 1000. Bei der Bundestagswahl 2013, dem bisher einzigen Urnengang, bei dem "Die Rechte" in ganz NRW kandidiert hatte, war die Neonazi-Truppe landesweit auf lediglich 0,02 Prozent gekommen. Sogar in ihrem "besten" Wahlkreis in Dortmund sprangen gerade einmal verschwindende 0,085 Prozent heraus. Im Jahr darauf erreichte "Die Rechte" bei der Kommunalwahl in Dortmund 1,0 Prozent und profitierte dabei vom desolaten Zustand der örtlichen NPD. (ts)

Bildunterschrift: Direktkandidat in Dortmund für die Landtagswahl, Neonazi Borchardt (l.) mit Kameraden Mitte des vorigen Jahrzehnts (Archivfoto).

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Zeitung für Werther / Westfalen-Blatt, 16.12.2016:

Radmuttern gelockert bei Ex-Polizisten

Werther (mapu). Am Auto des Wertheraners Michael Bublitz hat jemand mutmaßlich absichtlich die Radmuttern gelockert. Diese Zeitung berichtete am Mittwoch, 14. Dezember darüber, dass Bublitz plötzlich ein Rad auf der Autobahn verloren hatte. Mechaniker und der ADAC schlossen aus, dass der Reifen sich von selbst gelöst haben könnte.

Nach diesem Bericht meldet sich ein weiterer Leser. Wie der pensionierte Polizeibeamte Friedhelm Burchard schildert, wurden auf dem Parkplatz am Haus Werther zwei Radmuttern an seinem Golf-Cabrio gelockert. Darauf aufmerksam wurde er, als während der Fahrt merkwürdige Geräusche auftraten und das Lenkrad stark zu wackeln begann. Er konnte nur noch langsam weiterfahren. In der Werkstatt habe man bestätigt, dass die Muttern manipuliert wurden, sagt der Wertheraner.

Der Vorfall hat sich Anfang November abgespielt: "Es kann also sein, dass die Täter in Werther wahllos zuschlagen und sie es gar nicht auf eine einzelne Person abgesehen haben." Einen solchen Verdacht hatte Michael Bublitz geäußert, weil er in der Stadt bekannt ist für sein Engagement in der Flüchtlingshilfe.

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Neue Westfälische 07 - Gütersloh, 16.12.2016:

Unbekannte lösen Radmuttern am Auto

Gefährlich: Ein Reifen macht sich dadurch auf der Autobahn selbstständig 7 Der Betroffene Michael Bublitz schließt eine Tat mit politischem Hintergrund nicht aus 7 Das Motiv könnte sein Engagement für Flüchtlinge sein / Auch der Staatsschutz ermittelt

Kreis Gütersloh (aha/IK). Es ist das Szenario eines Horrorfilms: Unbekannte Täter lösen die Radmuttern eines Autos, der Besitzer fährt los, ein Reifen macht sich selbstständig - und das mitten auf der Autobahn. Genau das ist Michael Bublitz aus Werther am Wochenende passiert.

Gerettet hat den 57-Jährigen ein immer lauter werdendes Schleifgeräusch. Bublitz wurde misstrauisch, reduzierte sein Tempo und hielt schließlich auf dem Standstreifen an. Als der erste Schock verdaut war, erstattete Michael Bublitz Anzeige gegen Unbekannt. Jetzt ermittelt sogar der Bielefelder Staatsschutz.

Der 57-Jährige engagiert sich vor Ort in der Flüchtlingshilfe. Bei einem weiteren 62-jährigen Mitglied der Initiative aus Werther hatten Unbekannte vor rund drei Wochen die Autoheckscheibe eingeschlagen. Da beide Männer in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, prüft der Bielefelder Staatsschutz nun, ob eine politisch motivierte Tat vorliegt.

Üblicherweise parkt Michael Bublitz sein Auto, einen mehr als zehn Jahre alten Geländewagen, vor seinem Haus am Lindenweg. Meist auf dem Grundstück selbst, zeitweise auch davor. In der Stadt ist er im fraglichen Zeitraum allerdings ebenfalls gewesen. Er geht jedoch davon aus, dass die Tat in der Nacht von Donnerstag auf Freitag vor seinem Haus passiert sein muss. "Aber man läuft ja nicht um sein Fahrzeug herum, bevor man einsteigt", sagt er.

Fest steht, dass er am Samstag zum ersten Mal ein Schleifgeräusch hörte. Großes Glück für ihn, denn eigentlich wollte er am Sonntag nach Amsterdam fahren. Das hat er auch getan, allerdings auf Grund des unbekannten Geräuschs in einem anderen Wagen. Den musste er jedoch abholen und dazu ein kleines Stück mit seinem eigenen Wagen auf der A 2 zurücklegen. Beim Rücktausch wurde das Schleifgeräusch lauter, bis sich Bublitz zwischen den Abfahrten Gütersloh und Bielefeld entschied, sicherheitshalber auf den Standstreifen zu fahren. Als er dachte, er würde es die 1.000 Meter bis zur nächsten Raststätte schaffen, löste sich sein linkes Vorderrad.

Er benachrichtigte einen Abschleppdienst. Der stellte beim Hochbocken des Fahrzeugs fest, dass möglicherweise gelöste Radmuttern Schuld am Unfall waren; und dass auch an zwei weiteren Reifen die Radmuttern lose waren. Einfach so könne dies nicht passiert sein, sagt Bublitz. Er habe erst kürzlich die Winterreifen aufziehen und diese später noch einmal nachziehen lassen; beide Male sei er dabei gewesen: "Die Reifen saßen fest."

Jetzt sei er sehr verunsichert, wer die Radmuttern gelöst hat - und warum. Wollte jemand die Reifen oder die Felgen stehlen und ist dabei gestört worden? "Oder hat es jemand getan, der mein Engagement für Flüchtlinge und meinen Einsatz gegen Rechts nicht mag?" Darauf weiß er keine Antwort. Fest steht für ihn, dass der oder die Täter billigend in Kauf genommen haben, dass er sich bei einem Unfall schwer verletzen könnte - wenn nicht Schlimmeres.

Laut Polizei handelt es sich rechtlich im Fall von gelösten Radmuttern zunächst einmal um einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Inwieweit der Täter wegen eines deutlich schwerwiegenderen Delikts angeklagt werden könnte, müsste - so man ihn überhaupt findet - ein Gerichtsverfahren zeigen.

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Neue Westfälische, 16.12.2016:

Anschlag auf Flüchtlingshelfer

Gefährlich: Unbekannte lösten Radmuttern an einem Auto / Der Staatsschutz ermittelt

Werther (nw/los). Unbekannte Täter haben offenbar einen Anschlag auf einen Flüchtlingshelfer in Werther verübt. Inzwischen hat die Staatsschutzabteilung der Bielefelder Polizei die Ermittlungen übernommen.

Der 57-jährige Mann hatte bei der Polizei Gütersloh Strafanzeige erstattet. Als er nämlich mit seinem Geländewagen auf der A 2 unterwegs war, hörte er Schleifgeräusche. Er fuhr auf den Standstreifen. Nur dieser Reaktion ist zu verdanken, dass er keinen schweren Unfall hatte. Denn: Am Fahrbahnrand entdeckte er, dass Unbekannte mehrere Radmuttern an insgesamt drei Rädern seines Autos gelöst hatten.

Bereits drei Wochen zuvor hatten Unbekannte ebenfalls in Werther die Autoheckscheibe eines 62-Jährigen eingeschlagen. Diese Tat ereignete sich in der Nacht vom 22. auf den 23. November. Der oder die Täter hatten die Heckscheibe des Saab, der in einer Grundstückseinfahrt in Werther stand, mit einem Stein eingeworfen. Der Autofahrer hatte den Wagen dort gegen 23 Uhr abgestellt und morgens gegen 8 Uhr die zerstörte Scheibe bemerkt. Der Stein lag auf der Heckablage.

Auch der Fahrer dieses Wagens stammt aus Werther und engagiert sich öffentlich in der Flüchtlingshilfe. Der Bielefelder Staatsschutz schließt einen Zusammenhang zwischen beiden Vorfällen und einen politischen Hintergrund der Taten nicht aus. Die Beamten suchen nun Zeugen und Hinweise unter Tel. (0521) 5450.

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Neue Westfälische 01 - Bielefeld West, 16.12.2016:

Diskussion über Rechtspopulismus

Grüne laden ein: Uni-Professor stellt Studie zu menschenfeindlichen Einstellungen vor

Bielefeld. Tritt die demokratische Zivilgesellschaft ausreichend ein gegen Positionen der Rechtspopulisten, die Fremdenhass und Islam-Feindlichkeit verbreiten und zurück zu den "völkischen Werten" möchten? Wie sollte der "postfaktischen" Rhetorik der "Neuen Rechten" begegnet werden? Um diese Fragen geht es am Montag, 19. Dezember, bei einer Diskussion im Historischen Saal der VHS, zu der die Grünen einladen.

Die Moderation hat die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Britta Haßelmann. Auf dem Podium sitzt unter anderem Professor Andreas Zick. Der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld, hat Ende November eine Studie zu rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland veröffentlicht, deren Ergebnisse er vorstellen wird.

Die Erfolge der Rechtspopulisten in vielen europäischen Staaten, die Wahlerfolge der AfD und der Wahlsieg von Donald Trump in den USA zeigten: Neurechte Einstellungen seien salonfähig geworden. Begriffe wie "Identität" würden genutzt, um nationalistische Ideologien zu transportieren.

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Lippische Landes-Zeitung, 16.12.2016:

Reichsbürger drangsalieren Behörden

Sicherheit: Das Innenministerium geht gegen die so genannte Malta-Masche vor / Auch Mitarbeiter der lippischen Kommunen werden mit Schadensersatzforderungen überzogen und müssen sich aus einem Schuldnerregister in den USA löschen lassen

Von Astrid Sewing

Kreis Lippe. Die Reichsbürger behaupten, dass die Bundesrepublik nie gegründet worden ist, folglich zahlen sie keine Steuern, keine Strafzettel, und landen regelmäßig vor Gericht. Es gibt Splittergruppen, die sich bewaffnen und der rechten Szene zugeordnet werden, und andere, die Mitarbeiter von Behörden mit horrenden Schadensersatzklagen überziehen. So auch im Kreis Lippe.

Im Kreistag kam das Thema zur Sprache, als es um Fördergelder des Landes ging. Diese sollen im Kreis in ein Handlungskonzept gegen Extremismus und Rassismus fließen. Und nach der Nachfrage von Ernst-Ulrich Frank (AfD), ob denn so etwas ein Thema in Lippe sei, reagierte Landrat Dr. Axel Lehmann. Die Reichsbürger praktizierten die Malta-Masche und drangsalierten Mitarbeiter. Das sei aktuell ein großes Problem. Eines, das auch das Innenministerium auf den Plan gerufen hat.

Die Malta-Masche funktioniert so: Die Reichsbürger machen gegen Behördenmitarbeiter als Privatperson Schadensersatzsummen in sechsstelliger Höhe geltend. Sie lassen diese vermeintlichen Forderungen im Register Uniform Commercial Code (UCC) des Bundesstaates Washington eintragen und an eine der von Reichsbürgern auf Malta gegründete Briefkastenfirmen, getarnt als Inkassobüro, abgetreten. "Sie versuchen dann, einen Gerichtstitel zu bekommen, damit die Forderung eingetrieben werden kann", sagt der Pressesprecher des NRW-Innenministeriums, Jörg Rademacher.

Betroffen sind Angehörige der Justiz, der Finanzämter, aber auch der Einwohnermeldeämter, denn die Reichsbürger fordern, dass ihre Personalausweise für ungültig erklärt und stattdessen ihre "Dokumente" anerkannt werden. Ausgestellt werden die zum Beispiel vom "Auswärtigen Amt des Freistaat Preußen".

Der Verfassungsschutz NRW beobachtet seit knapp zwei Jahren immer mehr Vorfälle dieser Art. Der Kreis Lippe und das Finanzministerium nennen keine Zahlen. Der Vorsitzende des Bundes der Richter und Staatsanwälte, Jens Gnisa, spricht von einer deutlichen Zunahme. Täglich gingen Schreiben von Reichsbürgern ein. "Ich beantworte die nicht mehr. Die sind unbelehrbar und nur darauf aus, den Staat zu blockieren. Es gibt für sie auch keine Chance. Sie landen alle in der Insolvenz."

Die Landesinnenministerien haben Handlungsempfehlungen an die Kommunen verschickt. Darin wird geraten, sich nicht auf Diskussionen einzulassen, Forderungen juristisch durchzusetzen - und verstärkt auf Eigensicherung im Kontakt mit den Reichsbürgern zu setzen. Trauriger Hintergrund: Im Oktober war ein Polizist von einem Reichsbürger in Georgensgmünd erschossen worden.

"Wir haben in der vergangenen Woche mit den Behörden in den USA und Malta Vereinbarungen getroffen, denn es ist strafbar, was die Reichsbürger machen, und das wird konsequent verfolgt. Wir helfen dabei, dass die Eintragungen in den Registern gelöscht werden", sagt Rademacher. Prävention ist ein weiteres Stichwort. Das Land fördert Konzepte gegen Extremismus und Rassismus mit bis zu 80 Prozent, maximal gibt es 70.000 Euro. Der Kreis Lippe wird die Förderung beantragen, im Kreistag gab es zwei Gegenstimmen.

"Regierungen"

Im August ist am Hermannsdenkmal das "Reich deutscher Nationen" durch einen Reichsbürger ausgerufen worden. Beobachter der Szene haben deutschlandweit mehr als 30 selbst ernannte Reichsregierungen dokumentiert. In OWL ist die Justiz-Opfer-Hilfe, die in Löhne lange eine "Botschaft" des Fantasiestaates "Germanitien" betrieben hat, bekannt. Fachleute der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold stufen sie als rechtsextrem ein. Auch der Staatsschutz der Polizei Bielefeld behält die Gruppe im Auge.

Bildunterschrift: Falsche Dokumente: Das Papier oben gehört zu einem Bad Salzufler, der 2015 vor Gericht stand, weil er sich geweigert hat, seine Steuern zu zahlen. Links ist ein "Pass" zu sehen.

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Lippische Landes-Zeitung, 16.12.2016:

Kreis Lippe: Reichsbürger terrorisieren die Mitarbeiter

Kreis Lippe. Die Bundesrepublik gibt es nicht, die Staatsgewalt hat nichts zu melden - Reichsbürger finden immer neue Methoden, um die Behörden und deren Mitarbeiter zu drangsalieren. Das Innenministerium geht jetzt gegen die Malta-Masche vor.

Seiten 4 und 9

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Neue Westfälische, 16.12.2016:

Reichsbürger machen Landgericht Sorgen

Querulantentum: Präsident Rainer Mues kann keine ernsthaften Anträge erkennen

Von Dirk-Ulrich Brüggemann

Detmold. Mit großer Sorge beobachtet der Präsident des Landgerichts Detmold, Rainer Mues, das Treiben der so genannten Reichsbürger in Ostwestfalen-Lippe. Die Reichsbürger, die sich in OWL auch gern als Germaniten bezeichnen, beschäftigen die Justiz sehr stark.

Mues wertet den Umgang als schwierig, weil die Reichsbürger die staatlichen Einrichtungen nicht anerkennen und auch nicht akzeptieren wollen. Trotzdem beschäftigen sie das Detmolder Landgericht mit häufigen Eingaben und verstopfen mit ihren oft fast 100 Seiten starken Briefen die Faxgeräte der Detmolder Justiz. "Ernsthafte Anträge sind aber nicht zu erkennen", sagt Rainer Mues und bewertet das Auftreten der Reichsbürger als "Querulantentum".

Zudem sieht der Detmolder Landgerichtspräsident in den Reichsbürgern eine Gefahr für die Vollstreckungsorgane. "Wir dürfen die Reichsbürger nicht auf die leichte Schulter nehmen", sagte Mues.

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info@hiergeblieben.de

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