Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
11.12.2003 :
Arbeit für Sozialhilfe / Sozialausschuss beschließt umstrittenes Programm
Bielefeld (bast). Sozialhilfeempfänger sollen in Bielefeld künftig gemeinnützige Arbeiten verrichten. Das sieht das "Konzept zur Beschäftigung arbeitsfähiger Sozialhilfeempfänger" vor, das gestern Abend der Sozialausschuss des Rates mit großer Mehrheit verabschiedet hat. Eine Chance für Erwerbslose und Gestrauchelte ins normale Leben zurückzukehren, meinen die Politiker. Eine zweifelhafte Maßnahme, die den Betroffenen nicht nützt und den Arbeitsmarkt durcheinander bringt, finden Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Arbeitslosen-Initiativen.
Wer Sozialhilfe bekommt, der soll dafür eine "Gegenleistung für die Gemeinschaft erbringen", so das von der Verwaltung ausgearbeitete Konzept. Dadurch würde auch der "Arbeitsentwöhnung" vorgebeugt und ein Wiedereinstieg ins Berufsleben leichter gemacht.
Sozialhilfeempfänger sollten vor allem dort eingesetzt werden, wo die Chance bestehe, sie später auf eine reguläre Stelle zu vermitteln, erläuterte Sozialdezernent Burkhard Hintzsche. 255 Plätze für gemeinnützige Arbeit hat die städtischen Personalgesellschaft REGE, die das Programm organisieren soll, bereits gefunden. Es handelt sich, so REGE-Geschäftsführer Rainer Radloff, um Hilfstätigkeiten in Küchen, Verwaltungen oder Botendiensten. In ähnlichen Programmen gebe es gute Vermittlungsquoten in den ersten Arbeitsmarkt.
Bernd Onckels, Sprecher der Wohlfahrtsverbände, machte deutlich, dass die Bielefelder Sozialorganisationen niemanden einstellen würden, der sich zur Arbeit gezwungen fühle. Man brauche motivierte Menschen. Er bot jedoch Qualifizierungsmaßnahmen für freiwillige Teilnehmer an.
Da Politiker von SPD sowie von CDU und BfB entsprechende Anstöße gegeben hatten, fand das Konzept im Sozialauschuss breite Zustimmung. Vorsitzender Günter Garbrecht: "Das ist keine Demütigung, sondern eine Chance." Anne Meuer-Willuweit (CDU): "Es gibt viele Menschen, die zurück in den Arbeitsprozess wollen."
Herbe Kritik setzt es dagegen von den Sozial- und Wohlfahrtsorganisationen. Gerade sie sollen "Anbieter von Beschäftigungsgelegenheiten" werden.
Bei gemeinnütziger Arbeit handele sich um Tätigkeiten ohne Arbeitsvertrag, ohne Sozialversicherung, ohne Integration in den Betrieb und ohne berufliche Perspektive, monieren Sozialpfarrer Eberhard Hahn und Ulrike Gieselmann von der Sozialberatung Widerspruch e.V. Gemeinnützige Arbeit würde eine Konkurrenz zum bestehenden Arbeitsmarkt darstellen. "Wer wird sich noch regulär Beschäftigte leisten, wenn Hausmeister, Gärtnerinnen oder Reinigungskräfte vom Sozialamt für einen Euro pro Stunde zu haben sind", fragen Hahn und Gieselmann.
Betroffene fürchten, ausgenutzt zu werden
Erwin Adams, Geschäftsführer des paritätischen Wohlfahrtsverbandes, betont: "Mit dienstverpflichteten Menschen, die unfreiwillig und ohne Motivation in Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände tätig werden sollen, ist uns keinesfalls geholfen."
Etliche Betroffene empörten sich in der Sitzung des Sozialausschusses darüber, dass denjenigen, die ihre Mitarbeit verweigern, Kürzungen der Sozialhilfe drohen. Sie meinen, dass es unter Sozialhilfeempfängern viele gut Qualifizierte gibt, die nun als kostenlose Arbeitskräfte ausgenutzt werden sollen.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
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