Warburger Kreisblatt / Westfalen-Blatt ,
29.10.2016 :
"Justizposse" um zwei Patronen / Ehemaliger "Reichsbürger" aus Dössel vor Gericht
Von Ulrich Pfaff
Dössel (WB). Zwei Patronen haben einen "Reichsbürger" aus Dössel erneut vor Gericht gebracht. Allerdings erwies sich der Prozess wegen des illegalen Besitzes von Munition eher als Rohrkrepierer, denn das Landgericht Paderborn musste nach einer Stunde die Verhandlung ergebnislos abbrechen. Auch die Polizei zog unverrichteter Dinge ab. Blick auf ein Ereignis aus der Kategorie "Justizposse".
Die so genannten Reichsbürger galten bis vor wenigen Tagen noch als vergleichsweise harmlos. Seit dem gewaltsamen Tod eines Polizisten in Franken nun nicht mehr. Das mag die Polizeipräsenz vor dem Paderborner Landgericht erklären: Mehrere mit Einsatzkräften besetzte Bullis sollten rund um den Prozess wohl etwas abschirmen, wo es aber bei genauer Betrachtung nichts abzuschirmen gab: Vor dem Gerichtsgebäude war von Reichsbürgern nichts zu sehen, im Gerichtssaal saßen als Zuschauer gerade mal zwei Frauen, denen offenbar nichts ferner lag als Krawall zu machen.
Der Angeklagte, ein 32-Jähriger aus Dössel, saß gelöst auf der Anklagebank - "das Kapitel Preußen ist für mich geschlossen", sagte er später am Rande der Sitzung. Also ein Ex-Freistaatler. Gekommen waren die Polizisten von alleine zum Gericht - er habe den Einsatz für nicht erforderlich gehalten, betonte Richter Bernd Emminghaus zu Beginn der Sitzung.
Die zwei Patronen haben eine Vorgeschichte. Denn vor einem halben Jahr saß der gelernte Elektrotechniker und jetzige Biobauer schon einmal in diesem Saal. Er sollte versucht haben, ein Kalaschnikow-Sturmgewehr in Luxemburg zu kaufen - angeblich um eine Polizei des "Freistaats Preußen" auszurüsten. Vom Vorwurf des versuchten Verstoßes gegen das Kriegswaffen-Kontrollgesetz wurde er seinerzeit freigesprochen: Die große Strafkammer hatte die telefonischen Kontakte mit einem Waffenhändler lediglich als "Vorbereitungshandlung" gewertet, die straffrei blieb.
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Ob die Kleinkaliber-Patronen dem Angeklagten gehören, dazu konnte die Kammer auch nach Anhörung von vier Zeugen nichts sagen.
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Den mutmaßlichen Besitz der beiden Patronen, die bei einer Hausdurchsuchung im März 2015 gefunden worden waren, holte die Staatsanwaltschaft jedoch wieder aus der Versenkung - das Verfahren war damals zwar eingestellt worden, aber nur vorläufig.
Zwei Kleinkaliber-Patronen, Gewicht zusammen vier Gramm. Aber illegal, weil der 32-Jährige keine Erlaubnis dafür besitzt. Ob sie aber tatsächlich dem Angeklagten gehören, dazu konnte die Kammer auch nach Anhörung von vier Zeugen nichts sagen. Der aus Düsseldorf angereiste Mitarbeiter des Landeskriminalamtes hatte bei der Hausdurchsuchung lediglich die Asservatenliste geführt und wusste über den Fundort der Patronen nichts Konkretes zu sagen. Der Bruder des Angeklagten machte von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Dessen Ex-Freundin sagte, in dem Haus hätten die drei Brüder abwechselnd und auch zusammen gewohnt, auch seien immer wieder viele Freunde da gewesen. Ein Nachbar bestätigte genau dieses, "ein Haus der offenen Tür". Der LKA-Beamte, der die Durchsuchung leitete, ist mittlerweile nach Holland verzogen: Er arbeitet in Den Haag bei Europol.
Die Akte zu dem gesamten Tatkomplex umfasst 2.000 Seiten. "Wir haben heute keine greifbaren Ergebnisse der Beweisaufnahme", sagte Richter Bernd Emminghaus. Jetzt werde die Kammer ein DNA-Gutachten in Auftrag geben, um herauszufinden, ob sich Spuren des Angeklagten daran finden - falls er sie überhaupt angefasst hat. Dann muss der LKA-Mann aus Den Haag als Zeuge aussagen. Verteidiger Matthias Cramer ist sicher: "Jedes Amtsgericht würde die Sache wegen zwei Patronen einstellen." Aber weil die Anklage wegen der Kalaschnikow vor dem Landgericht erhoben wurde, muss dieses sich nun damit weiter beschäftigen. Es wird Monate dauern, bis der Prozess von neuem beginnen kann.
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Neue Westfälische 17 - Warburg, 16./17.04.2016:
Waffenbestellung bleibt unbestraft
Landgericht Paderborn: Als der "Reichsbürger" Torsten N. ein russisches Sturmgewehr orderte, war er nach Ansicht der Richter noch mit der Vorbereitung dieser Straftat beschäftigt
Von Jutta Steinmetz
Warburg / Paderborn. Eigentlich hat Torsten N. (Name geändert) mit der Bundesrepublik Deutschland und deren Gesetze nicht viel am Hut. Er hält sie nämlich für nicht existent und sich selbst für einen Bürger des Freistaats Preußen. Seinen Freispruch, den die erste Große Strafkammer des Landgerichts Paderborn am Freitag verkündete, wird der 32-Jähriger aber wohl sehr gern akzeptieren und nicht anfechten.
Es war nämlich ein heftiger Vorwurf, den ihm Oberstaatsanwalt Dietmar Sauerland machte. Denn der ist überzeugt davon, dass der Warburger 2014 gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstieß, als er versuchte, bei einem Luxemburger Waffenhändler eine Kalaschnikow zu kaufen. Eine Verurteilung hätte Torsten N. einen bösen Flecken auf der bis dahin weitgehend weißen Weste eingebracht, möglicherweise sogar eine Gefängnisstrafe von drei Jahren. Doch so verließ er nach dem Freispruch lächelnd an der Seite seines Verteidigers Matthias Cramer das Gericht.
Das hatte ein paar Stunden zuvor anders ausgesehen. Da hielt der Warburger sein Gesicht hinter einem Aktendeckel verborgen, bis die Fotografen den Saal verlassen hatten. Und glänzte dann weiter mit Zurückhaltung. Seinen Namen, seinen Werdegang vom selbstständigen Programmierer bis zum Mitarbeiter im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Brüder mochte er noch erwähnen. Zu seinem Bekenntnis als "Reichsbürger" wollte er aber nichts sagen und auch nichts zur Tat.
Die wurde mit Hilfe des Luxemburger Waffenhändlers erarbeitet. Der 42-Jährige wusste noch genau, wie N. bei ihm ein Exemplar des berühmten Sturmgewehres hatte ordern wollen. Auf den Hinweis, dass ein Verkauf dieser Waffe an einen deutschen Bürger verboten sei, habe sich dieser als Angehöriger des "Freistaats Preußen" bekannt und allerlei Dokumente übersandt, mit denen er seine Berechtigung zum Kriegswaffenkauf nachweisen wollte.
"Er machte nicht den Eindruck eines Bekloppten", sagte der Luxemburger. "Er wusste genau, was er wollte, und kam seriös rüber." Über den Preis sei nicht gesprochen worden und er habe auch nicht begonnen, zur Abwicklung von Torsten N.s Begehr einen Verwaltungsakt in die Wege zu leiten, erklärte der Geschäftsmann, der Ende 2014 das Landeskriminalamt (LKA) über den Fall informiert hatte.
"Meilenweit davon entfernt, sich Zugriff auf eine Kriegswaffe zu verschaffen"
Und genau da lag für das Gericht der Hase im Pfeffer. Sicherlich habe Torsten N. vorgehabt, eine Kalaschnikow zu kaufen. Schließlich habe für den "Freistaat Preußen" der Aufbau einer Polizei sowie einer Armee angestanden, fasste der Vorsitzende Richter die damaligen Pläne der "Reichsbürger" zusammen. Aber der Kontakt des Warburgers zu dem Waffenhändler sei letztlich noch eine straffreie "Vorbereitungshandlung" gewesen. "Das war ein Sondieren, ein Gucken, ob so etwas überhaupt geht."
Ähnlich hatte auch Verteidiger Matthias Cramer argumentiert. Sein Mandant, in dessen Zuhause eine große Durchsuchung im März 2015 zwei Luftgewehre und zwei Patronen ans Tageslicht gebracht hatte, sei "meilenweit davon entfernt gewesen, sich Zugriff auf eine Kriegswaffe zu verschaffen", sagte er. Denn Torsten N. und der Händler hätten ja nicht einmal über die Liefermodalitäten gesprochen. "Sie haben nie ein Geschäft abgeschlossen."
Oberstaatsanwalt Dietmar Sauerland will das Urteil genau unter die Lupe nehmen und möglicherweise vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen.
Indes gab es auch Beruhigendes aus den Mündern der ermittelnden Beamten des LKA zu hören. Sicherlich seien die "Reichsbürger" wohl von der Tendenz eher rechts einzuordnen. Dass von der Gruppe, deren Mitglieder alles andere als homogen, sondern eher untereinander zerstritten sein sollen, Gewalttaten oder gar ein Umsturz zu erwarten sei, das glauben die Ermittler zur Zeit eher nicht.
Bildunterschrift: Freigesprochen: Der Warburger, der sein Gesicht nicht in der Zeitung sehen will, fühlt sich als "Reichsbürger" nicht an das deutsche Gesetz gebunden. Verteidiger Matthias Cramer wusste es am Freitag aber gut auszulegen.
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Warburger Kreisblatt / Westfalen-Blatt, 22.01.2016:
"Freistaat Preußen": Warburger angeklagt / Staatsanwaltschaft wirft 31-Jährigem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor
Von Ralf Benner
Warburg (WB). Wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz hat die Staatsanwaltschaft Paderborn gegen einen 31-jährigen Warburger Anklage vor dem Landgericht Paderborn erhoben.
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, Ende 2014 vergeblich versucht zu haben, ein Schnellfeuer-Maschinengewehr des Typs AK 47 zu erwerben und nach Deutschland einzuführen.
Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft versuchte der Warburger, der sich selbst als Angehöriger der Gruppierung "Freistaat Preußen" bezeichnete, im September 2014 bei einem Waffenhändler in Luxemburg ein Schnellfeuer-Maschinengewehr zu kaufen. Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Marco Wibbe (Paderborn) wollte der Beschuldigte als "Vertreter für äußere Angelegenheiten der Provinz Westfalen des Freistaates Preußen" eine eigene Polizei für den "Freistaat Preußen" aufstellen. Der Waffenhändler lehnte einen Verkauf ab.
Im Dezember nahm der Warburger erneut Kontakt zu dem Waffenhändler auf und legte als Legitimationsnachweis unter anderem einen "Staatsangehörigkeitsausweis" und einen "Waffenschein" des "Freistaates Preußen" vor. Der Händler lehnte einen Verkauf des halbautomatischen Gewehrs jedoch erneut ab und informierte die Ermittlungsbehörden.
Die Ermittler ließen daraufhin im März vergangenen Jahres drei Höfe der so genannten Reichsbürger-Bewegung in Eissen, Großeneder und Dössel durchsuchen. Einen Hof bewohnte die Familie des heute 31-Jährigen, zwei davon gehören der Familie einer 66-jährigen Frau, die sich ebenfalls als Angehörige der Preußen-Gruppe bezeichnete. Sie stand laut Staatsanwaltschaft ebenfalls in dem Verdacht, an dem versuchten Waffengeschäft beteiligt gewesen zu sein. Konkrete Hinweise auf ihre Verstrickung haben sich bei der Razzia im Altkreis aber nicht ergeben. Gegen die 66-Jährige wird noch in einem gesonderten Verfahren wegen anderer Delikte weiter ermittelt, die aber nicht im Zusammenhang mit Waffenkäufen stehen.
Bei den Durchsuchungen hätten sich bis auf den verbotenen Besitz geringer Mengen an Munition keine Hinweise auf weitere Waffengeschäfte des beschuldigten Warburgers ergeben. "Ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, der auch den versuchten Ankauf bestimmter Schusswaffen umfasst, stellt ein Verbrechen dar, das mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet wird", erklärte Oberstaatsanwalt Marco Wibbe.
Ein Hauptverhandlungstermin steht noch nicht fest.
Reichsbürger
Nach Angaben des Staatsschutzes in Bielefeld erkennt die Gruppierung "Freistaat Preußen" die Autorität und Gesetze der Bundesrepublik nicht an. Ihr Ziel ist die Reorganisation des Freistaates Preußen. Nach Einschätzung des Staatsschutzes geht es den selbst ernannten "Reichsbürgern" meist darum, juristisch berechtigte Forderungen gegen sich abzuwenden. Derzeit gibt es in OWL mehr als 50 Personen, die der "Reichsbürger-Bewegung" zuzuordnen sind.
Bildunterschrift: Ermittler haben im März 2015 Gebäude der Gruppierung "Freistaat Preußen" in Eissen, Großeneder und Dössel durchsucht. 100 Einsatzkräfte waren an der Aktion im Morgennebel beteiligt.
29./30.10.2016
warburg@westfalen-blatt.de
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